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Sternengeschichten Folge 506: Cosmic Latte – die Farbe des Universums
Welche Farbe hat das Universum? Blöde Frage, könnte man meinen: Schwarz natürlich! Braucht man ja nur nachts zum Himmel schauen. Ok, da sind ein paar helle Punkte, aber im großen und ganzen ist es schwarz. Das kann man so sehen. Aber dann ignoriert man all das, was man nicht sehen kann. Und es hat ja niemand den Raum zwischen den Sternen oder den Raum zwischen den Galaxien schwarz angemalt. Das, was wir als “schwarz” sehen, ist ja einfach nur nichts; die Abwesenheit von Licht und damit auch die Abwesenheit von Farbe. Wenn wir ein bisschen bessere Augen hätten, dann würden wir auch mehr sehen. Mehr Sterne am Himmel; mehr Galaxien. Und die leuchten. Also könnten wir uns fragen: Wenn man das Licht der Galaxien quasi auf das Maximum aufdreht und das Universum von außen anschaut: Welche Farbe würden wir dann sehen?
Diese Frage haben sich im Jahr 2002 auch ein paar Astronominnen und Astronomen gestellt. Oder besser gesagt: Diese Frage haben sie sich nicht gestellt. Sie wollten das “kosmische Spektrum” bestimmen. Von ganz normalen Spektren habe ich in den Sternengeschichten ja schon oft erzählt. Das Licht, das zum Beispiel ein Stern ausstrahlt, ist ja immer eine Mischung von jeder Menge Farben. Die Sonne schickt rotes Licht hinaus ins All, gelbes Licht, grünes Licht, blaues Licht, und so weiter. Sie schickt auch Licht aus, das unsere Augen nicht sehen können; infrarotes Licht, ultraviolettes Licht, Radiolicht, Röntgenlicht, und so weiter – aber das soll uns vorerst mal nicht interessieren. Bei uns kommt auf jeden Fall die ganze Mischung an und diese Mischung erscheint bei der Sonne eben gelb-weißlich. Aber wir können jetzt mit speziellen Geräten – den Spektrographen – das Sonnenlicht wieder in seine Bestandteile aufspalten. Und genau nachschauen: Wie viel rotes Licht ist da in der Mischung, wie viel blaues Licht, und so weiter. Das ist aus diversen Gründen sehr interessant; die genaue Zusammensetzung der Mischung sagt uns zum Beispiel, wie heiß ein Stern ist und daraus können wir ableiten, wie alt er ist, wie viel Masse er hat, und so weiter.
Und beim “kosmischen Spektrum” ist es genau so. Nur dass man hier nicht nur das Licht eines einzelnen Sterns nimmt, sondern das Licht aller Sterne im Universum. Das geht in der Praxis natürlich nicht, aber man kann zumindest das Licht sehr, sehr vieler Sterne nehmen. Zum Beispiel das “Two-degree-Field Galaxy Redshift Survey”. Das ist eine großer Katalog, der zwischen 1997 und 2002 mit dem Anglo-Australian-Telescope in Australien erstellt worden ist und die Daten von 382.323 Objekten enthält. Mehr als 200.000 davon waren Galaxien und von denen hatte man auch Spektren. Ein Galaxienspektrum funktioniert genau so wie im Beispiel von der Sonne, nur das man hier eben die Mischung des Lichts untersucht, dass aus der Mischung des Lichts aller Sterne in der Galaxie entsteht. Das Licht der Galaxien im Katalog war teilweise mehr als 2 Milliarden Jahre zu uns unterwegs; der Katalog stellt also schon einen ordentlichen Querschnitt durch das Universum dar und war zum Zeitpunkt seiner Erstellung der umfangreichste seiner Art.
Aus diesem Katalog haben sich die Astronomen Ivan K. Baldry, Karl Glazebrook und ihre diversen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun knapp 173.000 Galaxien rausgesucht und aus dem kombinierten Licht all dieser Galaxien mit ihren jeweils hunderten Milliarden von Sternen ein kosmisches Spektrum erstellt. Sie haben sich gesagt: Diese Galaxien stellen einen wirklich großen Ausschnitt des gesamten Universums dar. Und es gibt keinen Grund davon auszugehen, dass das Universum an einer anderen Stelle fundamental anders aussehen sollte. Wenn wir anderswo einen anderen, ebenso großen Ausschnitt einer anderen Region des Universum gewählt hätten, dann würden wir das selbe Ergebnis kriegen. Wir können unseren Ausschnitt also als repräsentativ für das gesamte Universum ansehen. Also haben sie das Licht all dieser vielen Galaxien zusammengemischt und dann diese Mega-Mischung in die einzelnen Farben zerlegt. Um zu sehen, wie groß die Menge an rotem Licht im Universum ist, die Menge an blauem Licht, und so weiter.
Warum? Weil es geht! Und weil man daraus einiges lernen kann. Was man in so einem Spektrum ja auch immer findet, sind Spektrallinien. Wenn etwa das Licht der Sonne durch ihre äußere Schichten strahlt, dann absorbieren die Atome des Gases aus dem diese Schichten bestehen, einen Teil davon. Und zwar einen ganz bestimmten Teil, je nachdem um welche Sorte von Atom es sich handelt. An diesen Stellen finden wir im Spektrum dann überhaupt keine Farbe sondern nur eine dunkle Linie. Und wenn wir das Muster dieser Linien analysieren, können wir so bestimmen, welche Atome in der Atmosphäre der Sonne vorhanden sind. Oder anders gesagt: Woraus die Sonne besteht.
Wie stark diese Linien sind, hängt von vielen Faktoren ab, aber unter anderem und vor allem auch von der Temperatur. Sterne die älter sind haben zum Beispiel kühlere äußere Schichten und produzieren andere Linien als junge, heiße Sterne. Und im kosmischen Spektrum finden wir nun dunkle Linie, die aus der Mischung des Lichts aller Sterne entstehen. Mit ein bisschen – ok, mit sehr viel – Rechnerei kann man daraus bestimmen, wie viele alte Sterne es im Universum gibt, wie viele junge und wie sich die Rate der Sternentstehung im Laufe der Zeit der verändert hat. Das rauszufinden war das eigentliche Ziel der Arbeit von Baldry, Glazebrook und Co. Ihrem kosmischen Spektrum konnte man entnehmen, dass das Universum jung und blau angefangen und dann immer röter geworden ist. Ok, das ist noch nicht überraschend, denn natürlich waren am Anfang vor allem junge Sterne da und die sind heiß und leuchten blau während die alten Sterne später eher rötlich strahlen. Aber es kommen ja auch neue junge Sterne nach und alte rote verschwinden irgendwann. Wie sich die Farbmischung im Laufe der Zeit verändert hängt davon ab, wie viele Sterne im Laufe der Zeit genau entstanden sind. Und wenn man sich das kosmische Spektrum anschaut, dann sieht man, dass die Mehrheit der heute vorhandenen Sterne vor ungefähr sechs Milliarden Jahre entstanden ist. Das heißt nicht, dass davor gar keine Sterne entstanden sind oder danach keine neuen mehr dazu gekommen sind. Aber vor sechs Milliarden Jahren ging es offensichtlich richtig rund mit der Sternentstehung; unsere Sonne war also eher eine Mitläuferin, die erst 1,5 Milliarden Jahren nach diesem Höhepunkt, vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist.
Wir wollten aber ja eigentlich wissen, wie die Farbe des Universums ist. Das haben sich Baldry, Glazebrook und Co offensichtlich auch irgendwann im Laufe ihrer Arbeit und gedacht und zum Glück hatten sie ja ihr kosmisches Spektrum. Denn wenn man weiß, wie viel Licht einer bestimmten Farbe da im Universum ist, kann man das natürlich auch wieder alles zusammenmischen und schauen, was für eine Farbe da raus kommt. Obwohl es dann doch nicht so einfach ist. Das kosmische Spektrum ist etwas, das direkt aus den Beobachtungsdaten kommt, da gibt es wenig Interpretationsspielraum. Aber wie wir Menschen Farben wahrnehmen: Das ist eine ganz andere Sache. Unsere Augen nehmen nicht alle Farben gleich gut wahr; es kommt auch darauf an, ob wir gerade aus einem hellem Raum kommen oder die Augen an die Dunkelheit gewöhnt sind, und so weiter. Das heißt, auch wenn das kosmische Spektrum selbst eindeutig ist, gibt es mehrere Wege, daraus die Farbe zu berechnen, die unser Auge wahrnehmen würde, wenn es eine Lichtmischung mit diesem Spektrum wahrnimmt.
Die Astronominnen und Astronomen haben sich für eine dieser Möglichkeiten entschieden – das CIE-Normvalenzsystem, falls es jemand genau wissen will – und daraus einen entsprechenden Farbton errechnet. Und dann die Farbwerte maximiert, so dass auch tatsächlich eine für unsere Augen sichtbare Farbe rauskommt; dabei aber den Farbton konstant gehalten. Das Resultat ist… beige. Zugegeben, eine sehr unspektakuläre Farbe. Es ist ein sehr weißliches beige, was die Farbe nicht aufregender macht (wenn es jemand genau wissen will: im RGB-Farbraum ist der Hexadezimalcode für die Farbe #FFF8E7). Vermutlich hat sich Karl Glazebrook deswegen entschlossen, an seiner Universität einen Wettbewerb auszurufen, um dieser Farbe einen Namen zu geben. Alle Einreichungen seien willkommen, hat er gesagt, solange niemand “beige” vorschlägt. Es gab diverse Vorschläge: “Big Bang Beige” zum Beispiel oder “Cosmic Khaki”. Aber auch “Skyvory” war dabei. Glazebrook war aber ein großer Fan von diversen Kaffeegetränken und hat sich deswegen für den Vorschlag “Cosmic Latte” entschieden. Einerseits, weil es eben wie etwas klingt, das an Kaffee erinnert. Und andererseits weil “Latte” ja “Milch” auf italienisch heißt; genau so wie das “Milch” in “Milchstraße”. Und weil auch unsere Milchstraße Teil des Universums ist, trägt auch sie etwas zur Cosmic-Latte-Färbung des Kosmos bei.
Man kann das mit der Farbe des Universums und dem “Cosmic Latte” für ein bisschen lächerlich halten. Oder für gute wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit, denn immerhin kann man die Menschen so dazu bringen, sich mit dem Universum zu beschäftigen. Aber egal was man davon hält, dass das Universum milchkaffeefarben sein soll: Die Wissenschaft dahinter ist faszinierend genug, dass man keinen Kaffee braucht um aufzupassen.
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