Die erste Frau flog nur zwei Jahre nach dem ersten Mann ins Weltall. Nach dem Flug von Valentina Tereshkova im Jahr 1963 dauerte es aber lange, bis es halbwegs normal wurde, auch Frauen für Missionen im Weltraum in Betracht zu ziehen. Dabei hätten die USA schon Anfang der 1960er Jahre die Möglichkeit gehabt, qualifizierte Frauen ins All zu schicken. Aber die Frauen von “Mercury 13” mussten leider auf der Erde bleiben…
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Sternengeschichten Folge 198: Die Frauen von Mercury 13
Der erste Mensch im Weltall war Juri Gagarin der 1961 mit dem Raumschiff Wostok 1 die Erde umrundete. Immerhin schon zwei Jahre später, im Juni 1963 flog mit Valentina Tereshkova auch die ersten Frau in den Weltraum. Dann aber dauerte es. Die nächste Frau im All war Svetlana Savitskaya die 1982 zur Raumstation Salyut 7 flog. Ein Jahr später, im Juni 1983 machte sich auch endlich die erste Amerikanerin auf den Weg ins All: Sally Ride. In den 1980er Jahren folgten weitere Frauen aus den USA. Weibliche Astronauten hätte es in Amerika aber schon viel früher geben können.
Zwischen 1958 und 1963 führte man in den USA das Mercury-Programm durch. Zuerst wurde es noch vom National Advisory Committee for Aeronautics geplant, erst später wurde es von der neu gegründeten NASA übernommen. Ziel von Mercury war es, einen Menschen ins All zu bringen. Die Kandidaten für so einen Flug mussten bestimmte Kriterien erfüllen. Sie durften nicht älter als 40 Jahre sein, mussten kleiner als 1,80 Meter sein, mussten einen Bachelor-Abschluss haben, körperlich top fit sein und einen Abschluss als Test- und Jetpilot mit mindestens 1500 Stunden Flugerfahrung haben. Nicht explizit aufgeführt aber trotzdem selbstverständlich vorausgesetzt war die Bedingung, dass alle potentiellen Astronauten Männer zu sein hatten. Und das waren die 1959 offiziell vorgestellten Mercury-Astronauten auch. Die sieben Männer wurden als die “Mercury Seven” bekannt und sechs von ihnen flogen bis 1963 tatsächlich erfolgreich ins All (und der siebte später im Rahmen eines anderen Programms).
Was aber war mit den Frauen? Der Mediziner William Randolph Lovelace II arbeitete damals als Arzt bei der Armee. Er beschäftigte sich unter anderem mit den medizinischen Problemen, die bei Flügen in großer Höhe auftraten. Schon früher hatte er Jacquelin Cochran kennen gelernt, die schon in den 1930er Jahren lernte, ein Flugzeug zu fliegen. Sie gehörte zu den Pionieren der amerikanischen Luftfahrt; sie war die erste Frau die mit Überschallgeschwindigkeit flog; die erste Frau die auf einem Flugzeugträger startete und landete, die erste Frau die “blind”, also nur mit Hilfe der Anzeigen auf den Instrumenten an Bord ein Flugzeug landete, die erste Frau die über 20.000 Fuß ohne Sauerstoffmaske flog und hielt noch einen ganzen Schwung anderer Rekorde. Neben Cochran gab es noch weitere Frauen, die wussten wie man mit Flugzeugen umgehen musste. Jerrie Cobb zum Beispiel, die schon im Alter von 21 Jahren in den USA produzierte Militärjets und Bomber als kommerzielle Pilotin in alle Welt auslieferte. Sie arbeitete außerdem als Fluglehrerin und im Jahr 1960 hatte sie schon 7000 Flugstunden angesammelt, hielt unter anderem den Rekord für den längsten nonstop-Flug und den Rekord für die größte mit einem Leichtgewichtsflugzeug erreichte Höhe. Lovelace wusste also, dass Cobb Flugzeuge fliegen konnte; mindestens so gut wie die männlichen Piloten. Aber war sie auch als Astronautin geeignet. Finanziert von Jacquelin Cochrane entschied sich Lovelace daher, eine eigene Testreihe zu starten.
1960 lud er Jerrie Cobb ein, sich den selben Tests zu unterziehen, mit denen auch die männlichen Kandidaten des Mercury-Programms getestet wurden. Mit der NASA hatte Lovelace damals noch nichts zu tun, es war als kein echtes Astronauten-Trainingsprogramm. Aber Cobb machte mit und bestand sämtliche Test die auch ihre männlichen Kollegen bestanden hatten. Lovelace und Cobb suchten nun gemeinsam nach weiteren weiblichen Kandidaten. Sie prüften die Daten von 700 Pilotinnen und luden alle mit mehr als 1000 Flugstunden Erfahrung ein. Die, die sich meldeten mussten sich umfangreichen medizinischen Tests unterziehen. Es gab simple Röntgenuntersuchungen; es gab aber auch unangenehmere Prozeduren. Die Kandidatinnen mussten zum Beispiel Gummischläuche verschlucken, um ihre Magensäure untersuchen zu können; sie erhielten Elektroschocks und man spritze ihnen sogar Eiswasser in die Ohren um das Innenohr zu betäuben und so herauszufinden, wie sie mit einem gestörten Gleichgewichtssinn klarkommen würden.
13 Frauen bestanden diese Tests: Myrtle Cagle, Jerrie Cobb, Janet Dietrich, Marion Dietrich, Wally Funk, Sarah Gorelick, Jane Hart, Jean Hixson, Rhea Hurrle, Gene Nora Stumbough, Irene Leverton, Jerri Sloan und Bernice Steadman. Diese Frauen wurden später als die “Mercury 13” bekannt. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen der Mercury Seven flog allerdings keine von ihnen je ins Weltall. Die medizinischen Tests wären nur die erste Phase des kompletten Astronautentrainigs gewesen, das Jerrie Cobb bestanden hatte. Als nächstes wären beispielsweise Tests in Isolationstanks und psychologische Untersuchungen gefolgt. Anders als die männlichen Kandidaten konnten die Frauen aber nicht einfach ihre Jobs kündigen oder ihre Familie verlassen um lange Testreihen zu absolvieren. Und für die dritte Phase der Tests wären spezielle medizinische Einrichtungen nötig gewesen, die damals nur an militärischen Einrichtungen möglich waren.
Nachdem Jerrie Cobb alle drei Phasen bestanden hatte, gab es zumindest noch ein paar der anderen Frauen, die es ebenfalls möglich machen konnten sich entsprechend testen zu lassen. Aber die US Navy brach die ganze Sache ab. Ohne einen Auftrag der NASA wollte sie ihre Einrichtungen nicht für so ein inoffizielles Projekt zur Verfügung stellen. Jerrie Cobb und Janey Hart versuchten, das Testprogramm weiterzuführen. Sie schrieben an den damaligen Präsidenten John F. Kennedy. Sie besuchten den Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson. Sie erreichten immerhin eine Anhörung vor dem Repräsentantenhaus wo die Frage diskutiert wurde, ob es sich hier um einen Fall von sexueller Diskriminierung handeln würde. Die lief allerdings nicht erfolgreich. Astronaut John Glenn, der immerhin 1962 als erster Amerikaner die Erde umkreiste, verkündete dort: “Die Tatsache, dass Frauen nicht in diesem Gebiet aktiv sind, ist Teil unserer sozialen Ordnung.” Und außerdem waren die Kriterien klar: Astronauten brauchten eine militärische Ausbildung als Jetpilot und das war damals nur Männern möglich. Dass viele der Frauen von Mercury 13 mindestens ebenso viele oder gar noch mehr Flugstunden angesammelt hatten als ihre männlichen Kollegen wollte die NASA nicht gelten lassen.
Die Frauen von Mercury 13 hatten also keine Chance, als echte Kandidatinnen für das Astronautenprogramm der NASA in Betracht gezogen zu werden. Ihre Bemühungen verliefen im Sand und auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verschwand. Sie kam wieder zurück, als am 16. Juni 1963 die sowjetische Astronautin Valentina Tereshkova erfolgreich ins Weltall flog. Die Schriftstellerin Clare Boothe Luce veröffentlichte damals einen Artikel in dem sie die NASA und die amerikanischen Politiker kritisierte und auch erstmals die Namen der 13 Frauen öffentlich machte. Die NASA kümmerte das allerdings wenig. Es dauerte noch 15 Jahre bis sie ernsthaft in Betracht zog, Frauen ins All zu schicken und erst 1983 flog dann Sally Ride im Rahmen der siebten Space-Shuttle-Mission als dritte Frau und erste Amerikanerin ins All.
Die Frauen sind heute im Weltall immer noch deutlich in der Minderheit. Nur knapp 10 Prozent aller Astronauten sind weiblich. Nach den Pionierinnen Tereshkova und Savitskaya verlor die Sowjetunion auch schnell das Interesse an Kosmonautinnen; in den Jahren danach waren die Frauen im All fast ausschließlich Amerikanerinnen. Erst 1991 folgte mit Helen Sharman die erste Frau die nicht aus der Sowjetunion oder den USA kam; die Britin war auch die erste Europäerin im Weltall. Allerdings war sie keine offizielle Astronautin und hatte auch nichts mit der Europäischen Weltraumagentur ESA zu tun; sie flog im Rahmen des privat organisierten “Project Juno” zur Raumstation MIR. 1996 folgte die Französin Claudie Haigneré als Mitglied der russisch-französischen Cassiopée-Mission mit einem Flug zur MIR. Sie wurde auch im Jahr 2001 die erste offizielle Astronautin der Europäischen Weltraumagentur ESA. In diesem Jahr wurde sie auch zur ersten Frau, die die Internationale Raumstation ISS besuchte. Mit der Italienerin Samantha Cristoforetti hat die ESA seit 2014 ihre zweite Astronautin.
Es wird wohl leider noch ein wenig länger dauern, bis man auch bei den Raumfahrtagenturen festgestellt hat, dass Frauen ebenso gut ins Weltall fliegen können wie Männern…
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