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Sternengeschichten Folge 263: Von Ångström zu Megaparsec – die Längeneinheiten der Astronomie
In der Astronomie ist alles ganz weit weg. Deswegen kommt man mit dem simplen Metermaß auch nicht weit. Es braucht andere Längeneinheiten, wie die berühmten “Lichtjahre”. Und tatsächlich hat die Astronomie jede Menge ganz besondere Einheiten für lange Strecken parat. Aber die Astronomie ist auch eine sehr umfassende Wissenschaft. Nicht nur das große, ferne spielt eine wichtige Rolle. Sondern auch die Vorgänge auf mikroskopischer Ebene; das Verhalten von Atomen und Molekülen. Und deswegen verwenden die Astronomen auch Längeneinheiten die ebenso unvorstellbar kleine Strecken beschreiben wie das Lichtjahr eine unvorstellbar große Strecke definiert.
Am häufigsten trifft man in der Mikrowelt der Astronomie wahrscheinlich auf die Einheit “Ångström”. Ihren Namen hat sie vom schwedischen Physiker Anders Jonas Ångström der im 19. Jahrhundert vor allem das Spektrum der Sonne erforschte. Und genau in diesem Gebiet findet man auch die nach ihm benannte Einheit wieder. Die Spektroskopie ist eines der mächtigsten Werkzeuge der Astronomie. Wenn zum Beispiel ein Stern wie die Sonne in seinem Inneren durch Kernfusion Licht und Wärme beziehungsweise allgemein elektromagnetische Strahlung erzeugt, dann bewegt sich diese Strahlung durch das Material aus dem der Stern besteht hindurch und hinaus in den freien Weltraum. Dabei kommt es zu Wechselwirkungen zwischen Strahlung und Materie. Vereinfacht gesagt: Die Elektronen in den Hüllen der Atome absorbieren einen Teil der Strahlung der dann später fehlt. Wenn man, so wie Ångström es getan hat, das Licht der Sonne analysiert, dann sieht man das es nicht nur eine Mischung aus allen Farben des Regenbogens ist, sondern dass in diesem Regenbogen auch jede Menge dunkle Bereiche sind. Das sind die Spektrallinien und jede von ihnen stellt einen Bereich im Spektrum der gesamten Sonnenstrahlung dar, der durch die Anwesenheit eines ganz bestimmten Atoms herausgefiltert worden ist.
Anders gesagt: Jedes Atom hat eine ganz bestimmte Anordnung von Elektronen in seiner Hülle und das führt zu einer ganz bestimmten Spektrallinie bei einer ganz bestimmten Wellenlänge. Die Wellenlänge elektromagnetischer Strahlung kann extrem unterschiedlich sein. Die niederfrequenten Radiowellen können Wellenlängen von mehreren Metern oder Kilometern haben; hochenergetische Röntgen- und Gammastrahlung hat dagegen eine Wellenlänge von nur einigen hundert Milliardsteln Metern. Im 19. Jahrhundert war die astronomische Erforschung dieser Arten von elektromagnetischer Strahlung allerdings noch nicht existent beziehungsweise gerade erst am Anfang. Man konzentrierte sich auf den sichtbaren Bereich des Spektrums, auf das was wir normalerweise einfach als “Licht” bezeichnen. Licht umfasst Wellen von ungefähr 780 Milliardstel Meter Wellenlänge bis hin zu ungefähr 380 Milliardstel Meter Wellenlänge. In diesem Bereich fanden sich auch die Spektrallinien die Ångström und seine Kollegen untersucht haben. “Milliardstel Meter” ist allerdings eine recht unhandliche Längenheit. 0,000000001 Meter – mit solchen Zahlen will man sich nicht mehr rumärgern als nötig. Und um die Sache einfacher zu gestalten schaffen sich die Wissenschaftler in solchen Fällen spezielle Einheiten. So wie das “Ångström”. Ein Ångström entspricht einer Länge von 10 Milliardstel Meter.
Der Bereich des sichtbaren Lichts umfasst dann also Wellenlängen die von 3800 Ångström bis zu 7800 Ångström reichen. Und das sind doch gleich viel handlichere Zahlen. Das Ångström wird aber nicht nur von Astronomen benutzt um Wellenlängen von Licht anzugeben. Ein Ångström entspricht auch ungefähr dem Radius eines Atoms, weswegen es überall dort verwendet wird wo es um die Abstände zwischen Atomen und die Bindungen zwischen Molekülen geht; zum Beispiel in der Chemie.
Wenn wir wieder zurück zu den großen Abständen gehen, dann benutzen die Astronomen gerne unsere Erde als Maßstab. Die Masse von Planeten wird gerne in Vielfachen der Erdmasse ausgedrückt und die Größe in Vielfachen des Erdradius. Bei Sternen wechselt der Maßstab von der Erde zur Sonne. Die Sonne hat immerhin einen Radius von etwa 700.000 Kilometern, damit kommt man schon ein Stück. Wenn es dann aber zu noch größeren Abständen geht, ist selbst unsere Sonne zu klein. Wie weit ist zum Beispiel der mittlere Abstand von der Sonne bis zum Uranus? Ungefähr 3 Milliarden Kilometer – ein paar Nullen zu viel um damit einfach rechnen zu können. Um die Abstände zwischen den Planeten vernünftig beschreiben zu können haben sich die Astronomen daher die “Astronomische Einheit” ausgedacht. Sie entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne; zumindest war das die historische Motivation. Die Distanzen zwischen den Planeten des Sonnensystems waren überraschend lange nicht genau bekannt. Man musste dazu sogenannte “Parallaxen” messen, also die scheinbare Veränderung der Position eines Himmelskörpers die entsteht, wenn man ihn von unterschiedlichen Positionen aus betrachtet (ich habe das in Folge 19 der Sternengeschichten genau erklärt). Das war aber im 18. und 19. Jahrhundert nur unter sehr speziellen Umständen möglich; etwa wenn die Venus von der Erde aus gesehen genau vor der Sonne vorüber zieht. Deswegen wurden bei solchen Venustransits Ende des 18. und Ende des 19. Jahrhunderts auch große Expeditionen in die ganz Welt geschickt um die Venus von möglichst vielen unterschiedlichen Positionen beobachten zu können. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts konnte man die Abstände zwischen den Planeten auch direkt mittels Radarstrahlung messen. Und mit Beginn des 21. Jahrhunderts waren die Messungen genau genug um den mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne mit einer Genauigkeit von ein paar Dutzend Zentimetern angeben zu können.
Die Astronomische Einheit ist allerdings seit 2012 nicht mehr über diese astronomische Vergangenheit definiert; der Abstand zwischen Erde und Sonne ist nie konstant und selbst der mittlere Abstand verändert sich im Laufe der Jahrtausende. Stattdessen hat man ihr einen fixen Wert zugewiesen: Eine Astronomische Einheit entspricht einer Länge von exakt 149.597.870,700 Kilometern. Mit dieser Einheit haben die Astronomen das Sonnensystem recht gut im Griff; die fernsten bekannten Asteroiden bewegen sich ein paar hundert bis tausend Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt; sind also ein paar hundert bis tausend Mal weiter von ihr entfernt als die Erde.
Bei den Distanzen zwischen den Sternen kommt allerdings auch die Astronomische Einheit nicht mehr mit. Um von der Sonne bis zu Alpha Centauri, dem uns nächstgelegenen Stern, zu gelangen müssen wir fast 40 Billiarden Meter zurück legen. Das entspricht etwa 266.000 Astronomischen Einheiten. Und das ist nur der nächstgelegene Stern; wollen wir auch die Distanzen zu den anderen Sternen messen, werden die Zahlen sehr schnell wieder sehr groß. Deswegen verwendet man hier die bekannteste astronomische Längeneinheit: Das Lichtjahr. Es entspricht der Strecke die das Licht in einem Jahr zurück legen kann. Ein Lichtjahr entspricht dabei also 9.460.730.472.580.800 Metern. Beziehungsweise 63.241,077 Astronomischen Einheiten.
In unserer Milchstraße kommen wir mit Lichtjahren gut durch; von einem Ende bis zum anderen misst sie etwa 100.000 Lichtjahre. Die anderen Galaxien des Universums sind aber schon wieder viel zu weit entfernt um das Lichtjahr zu einer sinnvollen Einheit zu machen. Bis zur Andromedagalaxie müssen wir beispielsweise circa 2,5 Millionen Lichtjahre zurück legen; zu anderen Galaxien sind es Milliarden Lichtjahre. Deswegen benutzt man hier die Einheit “Parsec”. Das steht für “Parallaxensekunde” und wieder habe ich die Details ausführlich in Folge 19 der Sternengeschichten erklärt. Misst man eine Parallaxe, also die vorhin schon angesprochene scheinbare Veränderung der Position eines Objekts die entsteht wenn man es von unterschiedlichen Orten aus betrachtet, dann ist diese Verschiebung um so kleiner, je weiter es entfernt ist. Das kann jeder leicht ausprobieren: Betrachtet man den Daumen der Hand zuerst mit dem einen und dann dem anderen Auge, scheint er vor dem Hintergrund hin und her zu springen. Diese scheinbare Verschiebung wird aber immer kleiner, je weiter man den Daumen von den Augen entfernt. In der Astronomie misst man die Parallaxe aber nicht in dem man abwechselnd die Augen zukneift. Die Messungen werden um so genauer, je größer der Abstand zwischen den Augen ist. Zum Glück bewegt sich die Erde um die Sonne und die Astronomen müssen nur ein wenig warten bis sie ihre Teleskope von einer anderen Position im Sonnensystem aus auf den Himmel richten können. Beträgt der Abstand zwischen den unterschiedlichen Beobachtungsorten genau eine Astronomische Einheit und die scheinbare Veränderung des beobachteten Sterns genau eine Bogensekunde (das ist der Winkelbereich den die Verschiebung ausmacht) am Himmel, dann ist der Abstand per Definition genau eine Parallaxensekunde bzw. ein Parsec.
Exakt entspricht ein Parsec einer Entfernung 30.856.775.814.913.700 Meter. Das sind circa 206.000 Astronomische Einheiten oder 3,26 Lichtjahre. Der Unterschied zwischen einem und 3,26 Lichtjahren scheint jetzt aber kein großer Fortschritt zu sein. Und deswegen ist die übliche Längeneinheit bei galaktischen Entfernung auch das “Megaparsec”, was einer Länge von einer Million Parsec entspricht. Es hat sich mittlerweile in der Astronomie aber generell durchgesetzt die Einheit “Parsec” anstelle von “Lichtjahr” zu verwenden. Zumindest wenn es um die Forschung selbst geht; in der Öffentlichkeitsarbeit ist das Lichtjahr immer noch beliebt; wahrscheinlich weil man es leichter verstehen kann.
Aber genau genommen sind das keine Entfernungen mehr die man als Mensch verstehen kann. Sowohl wenn es um die winzigen Ångström geht als auch bei den gigantischen Megaparsec. Was aber nichts daran ändert das wir in einem Universum leben in dem sich auf all diesen Größenskalen faszinierende und wichtige Prozesse abspielen – genug Material für viele weitere Sternengeschichten!
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