Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 292: Das WOW-Signal
Wow! Das hat der Astronom Jerry Ehman am 15. August 1977 auf den Computerausdruck geschrieben, auf dem Daten des “Big Ear”-Radioteleskops der Ohio State University aufgezeichnet waren. Er war enorm beeindruckt von dem, was er dort gesehen hatte. Das, was das Teleskop da aufgezeichnet hatte, sah genau so aus, wie er sich die Botschaft einer intelligenten außerirdischen Zivilisation vorgestellt hatte.
Um das zu erkennen, was Ehman erkannt, braucht man aber ein wenig Fantasie. Beziehungsweise: Ahnung von Radioastronomie. Der Computerausdruck bestand aus einem Blatt Papier, auf dem Zahlen und Buchstaben scheinbar wild verstreut waren. Die meisten Symbole waren Einsen und Zweien. Aber dazwischen fand sich die Zeichenfolge “6EQUJ5” und genau die inspirierte Ehman zu seinem “Wow!”.
Nicht, weil es sich bei diesen sechs Symbolen um eine geheime Botschaft gehandelt hatte. Die Daten des Radioteleskops wurden damals nicht wie heute in schön visualisierten Bildern präsentiert. Sondern eben als Zahlen und Buchstaben auf Papier, die man erst korrekt interpretieren musste. Das, was aufgezeichnet wurde, war das “Signal-Rausch-Verhältnis”, das – wie der Name schon sagt – die Stärke eines Radiosignals in Bezug auf das immer vorhandene Hintergrundrauschen angibt. Das Teleskop maß alle 12 Sekunden die Stärke der Radiowellen die aus dem Weltall die 103 mal 33 Meter große Antenne trafen. Wenn das Signal nicht stärker als das Rauschen war; oder anders gesagt: Wenn kein Signal gemessen wurde, dann wurde gar kein Symbol aufgezeichnet. Stärkere Signale wurden mit den Ziffern von 1 bis 9 bezeichnet; noch stärkere Signale mit Buchstaben von A bis U. “U” war das Maximum der aufgezeichneten Stärke und entsprach einem Signal, das 30 Mal stärker war als das Hintergrundrauschen.
Im Fall des Signals, das Ehman so beeindruckt hatte, maß das Teleskop ein Signal, das direkt mit der Stärke 6 eintraf. 12 Sekunden später stieg es schon auf eine Stärke die mit E bezeichnet wurde, danach folgte Q und dann die Maximalstärke U, bevor es über J und 5 wieder auf das Level des Hintergrundrauschens absank. Anders gesagt: Das Radioteleskop maß ein 72 Sekunden dauerndes Signal, das plötzlich sehr schnell anstieg und ebenso schnell wieder absank. Und das war etwas, das Jerry Ehman mit seinem “Wow!” bezeichnet hatte.
Bevor wir uns nun damit beschäftigen, was das alles bedeutet muss man eines zuerst deutlich klar stellen: Wir haben normalerweise ganz bestimmte Bilder im Kopf, wenn wir von “Radio” oder “Radiosignal” sprechen. Dann denken wir an die Musik aus dem Autoradio; die Nachrichtensendungen oder ähnliches. Wir denken an ein technisches Gerät, das von uns verwendet wird, um Informationen per Radiowellen zu vermitteln. Aber Radiowellen an sich sind völlig natürlich. Radiowellen sind ganz normale elektromagnetische Strahlung, so wie das Licht, das wir sehen oder Infrarot- oder Ultraviolettstrahlung. Jede Menge natürliche Phänomene erzeugen Radiowellen; genau so wie jede Menge natürliche Phänomene normales Licht erzeugen.
Unsere Sonne etwa leuchtet – unsere Sonne gibt aber auch Radiowellen ab. Und in diesen Wellen steckt dann natürlich kein Radioprogramm. Es sind nur Wellen; quasi Rauschen, das um so stärker wird, je exakter man ein Radioteleskop auf die Sonne ausrichtet. Radiowellen empfangen wir auch von den anderen Sternen am Himmel; wir empfangen sie aber zum Beispiel auch von Molekülen. Wenn ein Molekül durch die Strahlung etwa eines Sterns angeregt wird, das heißt die Energie dieser Strahlung aufnimmt, gibt es diese Energie dann später in Form von Strahlung wieder ab. Dabei handelt es sich im Allgemeinen um Radiostrahlung und die genaue Frequenz hängt davon ab, um welche Art von Molekül es sich handelt. So können Astronomen zum Beispiel herausfinden, welche Moleküle sich in den großen interstellaren Wolken befinden, den Scheiben aus Gas und Staub in denen Planeten entstehen oder den Staubwolken, mit denen sich Kometen umgeben.
Wenn ein Radioteleskop also Radiosignale aus dem Weltall auffängt, dann bedeutet das NICHT, dass da irgendwo jemand einen Radiosender betreibt und uns eine Botschaft schicken will. Was aber nicht heißt, dass das nicht auch möglich sein kann. Wir Menschen haben genau das gemacht. Damit meine ich jetzt nicht all unsere Radio- und Fernsehsendungen, die wir per Radiowellen über die Erde und auch – nicht absichtlich – hinaus ins All geschickt haben. Diese Signale sind viel zu schwach, um irgendwo außerhalb der Erde empfangen werden zu können. Wenn unser Radioprogramm den nächsten Stern erreicht hat, sind die Signale schon so schwach, dass sie im natürlichen Rauschen verschwinden. Aber wir haben – zumindest ab und zu – auch gezielt Botschaften ins All geschickt. Zum Beispiel am 16. November 1974 mit dem Arecibo-Radioteleskop. Dieses Radiosignal enthielt Informationen über Mathematik, Chemie, die Menschheit und unser Sonnensystem und wurde mit einer Sendeleistung von einem Megawatt in Richtung des 25.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufens M13 geschickt. Nicht, weil man sich tatsächlich eine Kommunikation mit Aliens erhoffte, sondern hauptsächlich um mal zu schauen, wie man es überhaupt anstellen würde, wenn man denn mit intelligenten Außerirdischen kommunizieren wollen würde.
Aber wenn wir das machen können, dann tun es vielleicht Aliens auch. Sofern es sie gibt, natürlich. Aber wenn, dann würden wir in etwa so etwas erwarten wie das “Wow!-Signal”. Ein starkes Signal, das deutlich über das Hintergrundrauschen hinaus geht. Aber das allein reicht natürlich nicht als Kriterium um zwischen künstlichen und natürlichem Ursprung zu unterscheiden. Es könnte sich ja vielleicht auch um Radiowellen handeln, die von irgendeinem der irdischen Satelliten stammen. Oder von der Erde selbst, auf der ja auch jede Menge Radiowellen produziert werden.
Dem entgegen spricht zuerst einmal die Dauer des Signals. Das Big-Ear-Radioteleskop hatte keine Nachführung. Das bedeutet, das es nicht dauerhaft an einen bestimmten Punkt am Himmel ausgerichtet werden kann. Es schaut einfach nach oben, während es sich mit der Erde unter dem Himmel hinwegdreht. Wie lange eine bestimmte Quelle in seinem Blickfeld bleibt, hängt im wesentlichen von der Entfernung ab. Ein Objekt, das sich enorm weit enfernt befindet, also außerhalb des Sonnensystems, ist aufgrund der Erddrehung für das Teleskop nur 72 Sekunden lang sichtbar. Ein solches Signal würde stärker werden, während sich das Teleskop mit der Erde in seine Richtung dreht, dann ein Maximum erreichen und wieder schwächer werden bis es nach 72 Sekunden nicht mehr sichtbar ist. Genau das ist beim Wow!-Signal passiert. Eine Quelle in Nähe der Erde kann man damit so gut wie ausschließen.
Auch die Frequenz auf der das Signal empfangen wurde, spricht gegen einen irdischen Ursprung. Die liegt bei 1420 Megahertz, der sogenannten Wasserstoff- oder H-Eins-Linie. Das ist genau die Frequenz, bei der neutraler Wasserstoff seine natürliche Radiostrahlung abgibt. Normalerweise sendet Wasserstoff natürlich nicht einfach so Radiowellen aus, aber wenn er – so wie im interstellaren Raum – ungestört von anderen Einflüssen existieren kann, dann kann er aufgrund seiner quantenmechanischer Eigenschaften Energie abgeben. Und zwar in Form von Radiowellen mit einer Wellenlänge von 21 Zentimetern und einer Frequenz von 1420 Megahertz. Das ist für Astronomen besonders wichtig, denn Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum und entsprechende Radiobeobachtungen können uns sagen, wie der Wasserstoff zwischen den Sternen verteilt ist.
Weil diese Frequenz von 1420 Megahertz so wichtig ist, ist diese Frequenz auch für die Astronomen reserviert; andere Geräte dürfen da nicht senden. Und weil Wasserstoff eine so universale Bedeutung hat, die eigentlich allen intelligenten Lebewesen klar sein müsste, haben manche Wissenschaftler vorgeschlagen, dass die Frequenz von 1420 Megahertz diejenige ist, die sich als Frequenz für die Kommunikation mit Aliens am besten eignet. Denn auch das ist ja ein Problem: Man muss eine Botschaft nicht nur senden; sie muss auch empfangen werden. Wenn man aber nicht weiß, auf welche der vielen möglichen Frequenzen man den Empfänger einstellen muss, wird das schwer.
Die Frequenz des Wow!-Signals deutet also ebenfalls auf einen Ursprung außerhalb des Sonnensystems hin und entspricht der Frequenz, die wir für die interstellare Kommunikation für vernünftig halten.
All das ist aber natürlich kein Beleg für einen intelligenten Ursprung. Das größte Problem ist die Tatsache, dass man das Signal nur ein einziges Mal empfangen hat und dann nie wieder. Die Messungen damals am Big-Ear-Teleskop wurden im Abstand von drei Minuten wiederholt. Jedes kontinuierliche Signal hätte man also doppelt in den Daten finden müssen. Beim Wow!-Signal ist das nicht passiert – es ist in der ersten Messung aufgetaucht aber nicht in der zweiten. Es wurde auch von keinem anderen Radioteleskop auf der Welt gemessen (von denen einige viel stärker waren als das Big-Ear-Teleskop). Und es wurde auch seitdem kein weiteres Signal dieser Art empfangen.
Wir haben also nur dieses eine Ereignis und außer der Messung selbst wissen wir nicht viel. Das Teleskop damals war nicht gut genug um feststellen zu können, ob das Signal moduliert war. Das heißt, wir wissen nicht, ob es einfach “nur” eine starke Radiowelle war oder ob die Wellen – so wie das irdische Radioprogramm – einen Inhalt transportiert haben. Wir wissen auch nicht, wo es genau herkommt. Die eine Messung lässt keine exakte Positionsbestimmung zu. Es kam irgendwo aus der Region am Himmel, in der sich das Sternbild Schütze befindet. Der uns am nächst gelegene Stern in dieser Gegend der mit freiem Auge sichtbar ist, ist Tau Sagittarii, ein sogenannter “Roter Klumpen Stern” der sich schon am Ende seines Lebens befindet und die Phase als roter Riese hinter sich gelassen hat.
Seit 1977 diskutieren Wissenschaftler über den Ursprung des Signals und bis jetzt hat man weder eine eindeutige natürliche Erklärung dafür gefunden, noch einen künstlichen Ursprung eindeutig ausschließen können. 2017 schlugen Wissenschaftler vor, das es aus den Staubwolken von zwei Kometen stammen könnte, die sich damals durch diese Region des Himmels bewegt hatten, was man aber 1977 noch nicht wusste. Eine genaue Analyse hat aber gezeigt, dass die Kometen nicht exakt zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Vielleicht stammt das Signal von einem extrem starken Pulsar, der kurzfristig eine Art Helligkeitsausbruch hatte. Vielleicht war es ein Messfehler, der sich nicht mehr rekonstruieren lässt. Vielleicht war es irgendein seltenes natürliches Phänomen, an das wir bis jetzt noch nicht gedacht bzw. das wir noch gar nicht entdeckt haben. Vielleicht war es tatsächlich die Botschaft intelligenter Außerirdischer. Die vielleicht die gleichen Probleme haben wie wir und sich mit mangelnden Fördergeldern herumärgern müssen und Politikern, die kein Geld für die Wissenschaft ausgeben wollen. Vielleicht haben sie – so wie wir damals die Arecibo-Botschaft – einmalig eine Botschaft ins All geschickt und sich dann gedacht: Ach was solls, das empfängt doch sowieso niemand; Forschungsgeld kriegen wir dafür auch nicht; es lohnt sich nicht mehr, das nochmal zu tun.
Das einzige was man mit Sicherheit über dieses Signal sagen kann ist: Jerry Ehman hatte absolut Recht, als er 1977 “Wow!” auf den Computerausdruck geschrieben hat. Denn in all den Jahrzehnten seit damals hat es nicht aufgehört, uns zu faszinieren.
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