Der Strand einer Insel ist voll mit Astronomie, wie ich gestern ausführlich erklärt habe. So schön so ein Strand aber auch ist, eines will man dort nicht haben: Große Schiffe! Die sollen nach Möglichkeit auf dem offenen Meer bleiben – wenn sie am Strand auflaufen ist im Allgemeinen irgendwas ziemlich katastrophal schief gelaufen. Das will man vermeiden und deswegen braucht man Leuchttürme. Man brauchte sie zumindest, als es noch keine moderne Satellitennavigation gab. Damals musste man schauen wohin man fährt und hoffen, etwaiges Land, das im Weg rumsteht, rechtzeitig zu entdecken. Und genau dafür waren Leuchttürme gut.

Der Leuchtturm von Norderney (a href=”https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Lt_norderney_2007_ArM.jpg”>Bild: Artmechanic, Gemeinfrei)

Ein Leuchtturm wie der “Große Norderneyer Leuchtturm”, der sich wenig überraschend auf der Nordseeinsel Norderney befindet und ebenso wenig überraschend, groß ist. Auf Norderney bin auch ich gerade (bzw. ab morgen; heute Abend bin ich noch in Hamburg und Gast in der “Neuen Deutschen Abendunterhaltung” bei Rocket Beans TV) und ich werde dem Leuchtturm sicherlich einen Besuch abstatten. Das Ding ist immerhin knapp 60 Meter hoch, höher als alles andere auf dieser Insel.

Und Höhe ist wichtig. Vor allem dann, wenn man weit schauen will (bzw. von weit weg gesehen werden möchte). Und es ist ziemlich überraschend, wie viel Einfluss die Höhe hat. Wir tun jetzt einfach mal so, als hätte nur allein die Höhe des Beobachtungsposten einen Einfluss auf die Sichtweite. In der Realität muss man natürlich das Wetter berücksichtigen, die Qualität der Atmosphäre, Nebel, Luftverschmutzung usw. Aber wenn man das ignoriert, dann kommt es nur darauf an, wie weit die Augen von der Erdoberfläche entfernt sind. Die Sichtweite kann man dann ganz leicht berechnen, dazu braucht es nicht mehr als den Satz des Pythagoras.

Wir zeichne einfach ein rechtwinkliges Dreieck. Eine Linie geht vom Erdmittelpunkt direkt durch unsere Füße bis zu unseren Augen. Von dort ziehen wir eine gerade Linie bis sie auf den Horizont trifft. Einen Horizont gibt es übrigens deswegen weil die Erde eine Kugel ist und wir nicht über die Erdkrümmung hinwegsehen können. Wie weit wir aber schauen können bevor sich die Erde vor unserem Blick nach unten krümmt, ist genau das was wir berechnen wollen. Dazu ziehen wir jetzt eine Linie die im rechten Winkel vom Horizont zurück zum Erdmittelpunkt führt. Wir haben jetzt also ein rechtwinkeliges Dreieck. Die Distanz vom Erdmittelpunkt bis zu unseren Augen ist die Hypothenuse und ihre Länge können wir leicht angeben: 6371 Kilometer plus ein bis zwei Meter, je nachdem wie groß man ist. Eine der beiden Katheten des Dreiecks ist einfach nur der Erdradius (die Linie vom Horizont zum Erdmittelpunkt). Bleibt die zweite Kathete, die ja nichts anderes ist als die Sichtweite und die berechnen wir einfach mit dem klassischen a²+b²=c².

Skizze, nicht maßstabsgetreu (und ein wenig schmutzig, sorry)

In dem Fall können wir es uns noch ein wenig einfacher machen. Meine Augen liegen ja nur knapp 1,60 Meter über der Erdoberfläche, das fällt gegenüber den 6371 Kilometern des Erdradius nicht ins Gewicht. Vereinfacht man die Gleichung entsprechend (und berücksichtig man die Tatsache, dass die Atmosphäre das Licht bricht und man dadurch um ca 10 Prozent weiter schauen kann als rein geometrisch möglich), kommen wir zu dem Ergebnis, das die Sichtweite ungefähr gleich 4 mal die Wurzel aus der Augenhöhe ist (wer die Formel benutzen will muss darauf achten, die Augenhöhe in Meter einzugeben; das Ergebnis kommt dann in Kilometern raus). Ich kann also – klare Sicht und keine Hindernisse in der Sichtlinie vorausgesetzt – circa 5 Kilometer weit sehen.

Und es ist erstaunlich, wie sich die Werte ändern, wenn man die Augenhöhe vergrößert. Ich kann mir zwar auf die Schnelle keine längeren Beine wachsen lassen. Aber ich könnte mich auf eine 3 Meter hohe Leiter stellen. Und dann würde ich schon knapp 8.6 Kilometer weit sehen können: Fast 4 Kilometer weiter als zuvor. Und wenn ich auf den knapp 60 Meter hohen Leuchtturm in Norderney steigen würde, könnte ich fast 30 Kilometer weit sehen!

Das kann in der Praxis einen enormen Unterschied machen und das ist auch der Grund, warum Schiffe früher an ihren Masten ganz oben einen Ausguck hatten. Wer unten quasi auf Meereshöhe stand, sah nur ein paar Kilometer weit. 10 bis 20 Meter über dem Meer sah man aber bis 16 Kilometer weit und konnte entsprechend weit entfernte Schiffe ausmachen, die von Deck aus nicht zu sehen waren. Oder man konnte eben einen Leuchtturm schon sehen, wenn das Land noch ausreichend weit entfernt war, um den Kurs entsprechend zu korrigieren. Es sei denn, es war Nacht und das Leuchtfeuer kaputt…

P.S. Ja, das Lied von Knorkator kenn ich natürlich

Kommentare (13)

  1. #1 Bullet
    5. Februar 2019

    P.S. Ja, das Lied von Knorkator kenn ich natürlich

    Ich hatte schon Luft geholt. 🙂

  2. #2 Aginor
    5. Februar 2019

    Ja, da ergibt das “Krähennest” auf dem höchsten Mast schon sehr viel Sinn, wenn maa bedenkt dass der locker mal über 30m, bei einigen Schiffen auch mal über 50m hoch ist.

    Schön erklärt. 🙂

    Gruß
    Aginor

  3. #3 tohuwabohu
    5. Februar 2019

    Man kann noch viel weiter sehen:
    Maximal: 4*√h1+4*√h2
    Es geht ja nicht darum, vom Ausguck des Schiffs irgendwelche Schildkröten an Land zu beobachten, d.h. es reicht ja das Leuchtfeuer zu sehen und nicht die Tür des Leuchtturms.

  4. #4 Mysterion1000
    Salzburg
    5. Februar 2019

    Hier das entsprechende Lied dazu.

  5. #5 Wolfgang Dzieran
    Bad Lippspringe
    5. Februar 2019

    Naja, darüber, “das man Schiffe nicht am Strand haben will” kann man unterschiedlicher Meinung sein, besonders als Bewohner der Inseln in der Nordsee. Hier mal ein Zitat aus dem Hamburger Abendblatt (https://www.abendblatt.de/reise/article106521756/Amrum-Die-Insel-der-Strandraeuber.html):
    “Der Strand, das war schon immer Amrums Lebenselixier. Und meistens fernab der Legalität. Strandräuberei – das war die Haupteinnahmequelle der Insulaner. Noch vor dem Fischfang. Und sollte sich ein Kapitän in seiner Fahrrinne doch nicht verirren, halfen die Amrumer ein wenig nach. Mit falschen Leuchtfeuern lockten sie die Schiffe auf den fatalen Kurs. Gewöhnlich endete die Seereise dann auf einer der vielen Sandbänke vor Amrum. Der Bergelohn für die “hilfsbereiten” Inselbewohner: ein Drittel des Wertes von Schiff und Ladung. Ein weiteres Drittel stand dem Landesherren zu, der zur Kontrolle seine Strandvögte in den Kniepsand schickte. Denn was an den Strand gespült wurde, war nicht Allgemeingut. Meist kam die “Strandpolizei” jedoch zu spät: Die listigen Insulaner hatten den Fund bereits im Morgengrauen davongeschafft.”
    Aber ansonsten haste natürlich schon recht!

  6. #6 Zhar
    6. Februar 2019

    aber ist die Höhe nicht auch entscheidend bei sehr viel näheren Effekten? zB starker Wellengang, alles was nicht so hoch ist wie die Wellen ist nicht immer und damit schwerer zu sehen, Felsformationen in Küstebereichen zB als “nahe Gefahr”, aber auch Navigation ist entspannter, wenn man das Objekt dauerhaft sieht und nicht ständig aus den Augen verliert. Auch die Erkennbarkeit ist bei herausragenden Dingen einfacher, da konkurenzärmer. Oder Bodennebel, da macht ein Turm auch schon Sinn. Sind das nicht sogar ggf die Hauptgründe für einen Turm? Nur so als Gedanke ich bin kein Nautikexperte 😉

  7. #7 Stephan
    7. Februar 2019

    Gibt’s hier keine Flacherdler??

  8. #8 Nordlicht_70
    9. Februar 2019

    @Stephan
    Dann mache ich das mal….
    Die Erklärung mit dem Horizont ist falsch. Den gibts auch bei einer flachen Erde, wenn dahinter nix mehr kommt.
    Wenn die Erdkrümmung so groß wäre, dass ein paar Höhenmeter so einen Unterschied machen, müsste man die doch sehen – wenigstens aus dem Flugzeug.
    Pythagoras hat sich seinen Lehrsatz einfach nur ausgedacht. Eigentlich ist er nur religiöser Fanatiker einer Sekte, der die NASA (und ESA usw) heute noch angehören, wie ich aus einer sicheren Youtube-Quelle weiß….

    Scheinlogik, mathematischer Unsinn, Verschwörungsgeraune – ist doch alles drin oder? Ok, ein paar dutzend Ausrufezeichen und Beleidigungen fehlen noch. Naja, ein paar Stunden Youtube-Uni muss ich mir wohl noch antun, bevor ich das beherrsche. 😉

    An den Verfasser: Schön geschrieben, sehr einfach reklärt.

  9. #9 Der Seltsame Quark
    26. Februar 2019

    Wahrscheinlich stehe ich grade gewaltig auf dem Schlauch aber wie komme ich denn von s²+R²=(R+h)² auf die Vereinfachung s≈4√h?
    Wie werde ich das h² los? Scheinbar hab ich schon zu lange keine Mathematik über Grundschulniveau mehr gemacht 🙂

  10. #10 Bullet
    26. Februar 2019

    So (auf normale Weise) gar nicht. Beachte Florians Hinweis, daß h in Metern, s jedoch in Kilometern gemessen wird. Ich habs eben auch erstmal 5 Minuten mit Umstellen versucht – geht nicht (bei mir zumindest). Ist aber auch nur eine Näherung, die möglicherweise nur in diesen Szenarien (also bei hinreichend winzigen Winkeln zwischen den beiden R) funktioniert. Bei h-werten von 120 km oder so bricht das bestimmt zusammen.

  11. #11 alex
    26. Februar 2019

    @Der Seltsame Quark:
    Nach Binomi ist (R + h)² = R² + 2 R h + h², also folgt s² = 2 R h + h² und damit s = √(2 R h + h²). Nun ist R sehr viel größer als h, also ist auch 2 R h sehr viel größer als h². Näherungsweise kann man also in der Wurzel das h² weglassen und erhält so s ≈ √(2 R h). (Wenn man es ein bisschen formaler will, kann man s in eine Potenzreihe in √h um 0 entwickeln und nur das erste nichtverschwindende Glied betrachten.)

    Nun setzt man R = 6731 km ein und misst s in km und h in m. Dann bekommt man s/km ≈ √(2*6731/1000 h/m) ≈ 3.57 √(h/m).

    Jetzt kommt noch folgende Bemerkung aus dem Artikel ins Spiel:

    und berücksichtig man die Tatsache, dass die Atmosphäre das Licht bricht und man dadurch um ca 10 Prozent weiter schauen kann als rein geometrisch möglich

    Das Ergebnis von oben ist also noch mit 1.1 zu multiplizieren. 3.57 * 1.1 ≈ 3.93 also näherungsweise 4.

  12. #12 Der Seltsame Quark
    27. Februar 2019

    @alex

    …und erhält so s ≈ √(2 R h).

    so weit war ich auch schon. Mein Fehler war dann dass ich den Faktor 1/1000 (für die Einheitenumrechnung km -> m) gedanklich erst nach der Wurzel gemacht habe.
    Das hat man davon wenn man so was im Kopf und ohne Stift und Papier versucht :-).
    Danke für die Hilfe beim Hirnentknoten.

  13. #13 Der Seltsame Quark
    27. Februar 2019

    @Bullet
    habs mal schnell durchgerechnet. Genau gerechnet (inklusive der 10% Sichtweitenerhöhung) bekomme ich bei h=120km, 1367km.
    Mit der Näherungsformel 1386km.
    Das sind ca. 1,5% Abweichung, also immer noch ganz gut.