Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][iTunes][Bitlove][Facebook] [Twitter]
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
—————————————————————————————
Sternengeschichten Folge 423: Die Feinabstimmung des Universums
Heute geht es um die Feinabstimmung des Universums. Das klingt ein wenig seltsam. Ist aber eigentlich nichts anderes ist als die Verwunderung darüber, dass alles irgendwie super ist. Was jetzt natürlich noch ein wenig erläutert werden muss. Mit “super” sind die Bedingungen im Universum in seiner Gesamtheit gemeint, nicht das Alltagsleben der Menschen. Da ist natürlich nicht immer alles super; das hat aber auch nichts mit Astronomie zu tun (oder nur sehr selten).
Es geht um die Beobachtung, dass unser Universum überraschend gut dafür geeignet ist, um als Mensch darin zu wohnen. Und dass es auch ganz anders sein hätte können. Dass es sogar sehr viel wahrscheinlicher ist, dass es nicht so gut für uns Menschen geeignet ist wie es ist. Das waren jetzt drei “ist”; die Feinabstimmung des Universums hat aber eigentlich viel mehr mit “könnte” zu tun als mit “ist”. Aber bevor ich noch weiter so unkonkret herumerzähle schauen wir uns lieber mal ein Beispiel an.
Sterne! Dass wir die im Universum haben ist ziemlich praktisch. Ohne einen Stern hätten Planeten nichts um das sie kreisen könnten. Ohne einen Stern hätte ein Planet nicht ausreichend Licht und Wärme um Leben zu entwickeln. Und ohne Sterne gäbe es im Universum auch nichts, abgesehen von Wasserstoff und Helium. Denn das waren ja die einzigen chemischen Elemente die direkt beim Urknall entstanden sind; der ganze Rest ist erst durch Kernfusion im Inneren von Sternen entstanden. Auch der Kohlenstoff, aus dem wir Menschen zu einem großen und relevanten Teil bestehen und auch alle anderen uns bekannten Lebewesen. Ohne Kohlenstoff kein Leben, ohne Sterne keinen Kohlenstoff. Sterne haben wir deswegen im Universum, weil die überall im Kosmos verteilten Wolken aus Wasserstoff und Helium unter ihrer eigenen Gravitationskraft in sich zusammengefallen sind; immer dichter und heißer wurden bis irgendwann dort die Kernfusion eingesetzt hat. Und das wiederum hat nur funktioniert, weil die Gravitationskraft ausreichend stark ist, dass die Wolken zusammenfallen können. Ansonsten wäre das Zeug einfach weiter durchs All gewabert ohne das irgendwann irgendwas passiert und das ganze Universum würde nur aus Wassestoffwolken bestehen. Damit ein Stern, sofern er mal entstanden ist in seinem Inneren neue chemische Elemente wie Kohlenstoff machen kann, müssen auch die Anziehungs- und Abstoßungskräfte zwischen den Atomkernen genau passen. Sonst fusioniert nichts. Oder es kommen andere Elemente dabei raus und kein Kohlenstoff. Das Universum hätte sich aber auch nach dem Urknall viel schneller ausdehnen können als es dass getan hat. Dann hätten sich überhaupt keine Wolken gebildet aus denen Sterne entstehen hätten können; dann wäre die ganze Materie extrem im Raum verdünnt worden.
Und so weiter. Es gibt viel mehr Beispiele und ich werde bald davon erzählen. Aber genau das ist es, worum es geht: Die grundlegenden Eigenschaften unseres Universums; die Naturkonstanten die quasi “von Werk” eingebaut sind, passen erstaunlich gut zusammen. Wären sie nur ein bisschen anders als sie es sind, dann wäre das Universum ein Universum in dem keine Sterne und kein Leben existieren könnten. Das ist erstaunlich; das ruft nach einer Erklärung und nach der sucht die Wissenschaft (aber auch andere Disziplinen) schon seit einiger Zeit.
Der erste dem die Sache mit dem überraschend gut für uns eingerichteten Kosmos aufgefallen ist (oder zumindest der erste, der sich damit nachweislich im modernen Sinn wissenschaftlich auseinandergesetzt hat), war der amerikanische Chemiker und Biologe Lawrence Joseph Henderson. Er hat 1913 ein Buch mit dem Titel “The Fitness of the Environment” veröffentlicht. Auf mehr als 300 Seiten legt er dar wie gut wir es mit unserer Umgebung getroffen haben. Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff sind alle genau so beschaffen, dass daraus Leben entstehen kann. Wasserstoff und Sauerstoff können sich zu Wasser verbinden und ohne das gäbe es kein Leben. Jede Menge unterschiedliche chemische Elemente haben unabhängig voneinander genau die Eigenschaften die es braucht um Leben hervorzubringen. Henderson schreibt “Es gibt keine nennenswerte Wahrscheinlichkeit dass diese einzigartigen Eigenschaften grundlos organische Abläufe begünstigen sollten. Das sind keine bloßen Zufälle, eine Erklärung muss gesucht werden.”
Und je mehr die Wissenschaft das Universum erforscht hat, desto größer wurde der Drang eine solche Erklärung zu finden. Nehmen wir zum Beispiel die Feinstrukturkonstante. Das ist eine grundlegende Naturkonstante die angibt wie stark die elektromagnetische Kraft im Vergleich zu den anderen Grundkräften des Kosmos (wie etwa der Gravitation ist). Ihr Wert beträgt circa 1/137 und kann aus anderen Konstanten berechnet werden; zum Beispiel der elektrischen Ladung eines Elektrons, der Lichtgeschwindigkeit und so weiter. Eine ähnliche Rechnung kann man auch für die Stärke der Gravitationskraft machen und kommt zu dem Ergebnis, dass die elektromagnetische Kraft 10 hoch 36 mal stärker ist als die Gravitation. Oder wer es gerne mit echten Namen hören will: Der Elektromagnetismus ist eine Sextillion mal stärker als die Gravitation. Das ist gut so. Denn Atome und Moleküle halten genau durch die sehr starke elektromagnetische Kraft so zusammen wie sie es tun. Die zwischen einzelnen Atomen wirkende Gravitationskraft ist dagegen so enorm schwach, dass man sie quasi vernachlässigen kann. Die Gravitation fällt nur dann auf, wenn man es mit wirklich großen Massen zu tun hat; mit Planeten, Sternen und so weiter. Würden sich einzelne Atome ähnlich stark durch Gravitation anziehen wie sie sich durch Elektromagnetismus anziehen (oder abstoßen, was da ja möglich ist; bei der Gravitation aber nicht), dann würde die ganze Chemie so wie wir sie kennen nicht mehr funktionieren. Warum aber die Gravitation so enorm viel schwächer ist, wissen wir nicht.
Allzu viel Spielraum hat man bei der Auswahl der grundlegenden Konstanten nicht. Dazu können wir uns den “Drei-Alpha-Prozess” anschauen. Das ist etwas, das bei Sternen dann passiert, wenn sie sich ihrem Lebensende nähern. Sie haben dann in ihrem Inneren durch Kernfusion schon jede Menge Helium erzeugt und sind heiß genug geworden, dass drei dieser Heliumatome zu Kohlenstoff verschmelzen können. Das geht aber nicht direkt; dazu muss der Stern einen Umweg über das Element Beryllium nehmen. Zwei Heliumatomkerne fusionieren zuerst zu Beryllium und das Beryllium mit einem dritten Heliumkern zu Kohlenstoff. Das sollte eigentlich nicht klappen, weil Beryllium sehr instabil ist und deswegen in Sekundenbruchteilen wieder zerfällt. Die weitere Fusion zu Kohlenstoff ist nur aufgrund einer “Resonanz” möglich. Das im Detail zu erklären würde zu weit führen. Aber es geht darum, dass Atomkerne einfacher verschmelzen können, wenn ihre Energien gut zusammenpassen. Und die Energie von Beryllium und Helium ist ziemlich exakt so groß wie die eines Kohlenstoffatoms. Allerdings eines “angeregten Zustands” des Kohlenstoffs, was heißt, dass der Kern ein bisschen mehr Energie hat als er normalerweise haben würde. Aber man kann – zum Beispiel durch Zusammenstöße – die Energie von Atomkernen erhöhen. Das geht aber nur in ganz bestimmten Schritten; man kann nicht einfach beliebige Mengen an Energie in einen Kern stecken. Diese Energie gibt der Kern dann auch wieder ab, aber da der angeregte Energiezustand prinzipiell möglich ist und zur Energie von Beryllium und Helium passt, kann die Fusion zu Kohlenstoff stattfinden. Und auch hier sehen wir wieder: Alles passt überraschend gut zusammen und auch das hängt von den exakten Werten der Naturkonstanten ab. Würde man die Stärke der elektromagnetischen Kraft ändern oder die der starken Kernkraft zwischen den Teilchen aus denen die Atomkerne bestehen, dann würde man Probleme kriegen. Wären die Kräfte um 4 beziehungsweise 0,5% stärker/schwächer als sie es sind, dann würde kein Kohlenstoff und kein Sauerstoff produziert werden können (“Stellar Production Rates of Carbon and Its Abundance in the Universe”).
Beispiele gäbe es noch jede Menge. Etwa: Unser Universum hat drei ausgedehnte Raumdimensionen. Wären es stattdessen vier oder fünf, dann könnten sich weder Planeten stabil um Sterne herumbewegen, noch könnten sich stabile Atome bilden. Warum wir genau drei Raumdimensionen haben ist allerdings völlig unbekannt. Wir wissen das es so ist. Aber nicht warum. Die fundamentalen Konstanten die das Universum so machen, wie es ist, haben genau die Werte die es braucht, damit wir darin leben können. Das ist gut für uns – aber es bleibt die Verwunderung, warum alles so fein abgestimmt ist. Man kann die Sache natürlich einfach ignorieren. Bzw. sagen: Es ist kein Wunder das es so ist wie es ist. Weil wenn es anders wäre, dann wären wir auch nicht da um uns darüber zu wundern wie es ist. Das ist zwar ein prinzipiell logischer Gedankengang. Aber auch nicht sonderlich hilfreich.
Eine andere Möglichkeit wäre einfach eine ganze Vielfalt an Universen zu postulieren. Es könnte jede Menge Universen, also ein “Multiversum” geben. Jedes hat bei seiner Entstehung zufällig irgendwelche Konstanten bekommen. Und wir leben logischerweise in einem, in dem alles gerade so passt das Leben möglich ist. Diese Erklärung funktioniert ja anderswo recht gut. Das Universum ist voll mit Planeten auf denen jede Menge unterschiedliche Bedingungen herrschen. Manche davon sind lebensfeindlich; manche lebensfreundlich und wir leben logischerweise auf einem, auf dem Leben entstehen kann. Man muss sich daher auch nicht wundern, dass wir gerade auf der Erde wohnen und nicht am Mars oder der Venus. Beim Multiversum ist die Sache aber komplizierter. Denn im Gegensatz zu den vielen verschiedenen Planeten haben wir bis jetzt noch nicht einmal die Spur eines Belegs dafür, dass es mehr als ein Universum gibt. Und wir wissen, wie und warum unterschiedliche Planeten entstehen. Wir wissen allerdings nicht, wie Universen entstehen und wieso ein Multiversum gerade so entstehen sollte, dass am Ende mindestens ein lebensfreundliches Universum mit dabei ist. Dieser Ansatz verlagert die Sache also nur.
Man kann sich auch – und das ist vermutlich eine sehr wahrscheinliche Variante – auf unser Unwissen ausreden. Wir kennen zwei unterschiedliche Theorien die das Universum grundlegend beschreiben: Die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie. Mit beiden können wir den Kosmos gut beschreiben; in beide Theorien müssen wir die meisten Werte für die Konstanten aber einfach einsetzen. Außerdem ist uns klar, dass hier noch nicht Schluss sein kann; es muss eine (oder mehrere) Theorien geben die über Quantenmechanik und Relativitätstheorie hinaus gehen da die beiden für sich genommen nicht das leisten können, was sie leisten sollten. Die Quantenmechanik ist zum Beispiel nicht in der Lage zu beschreiben wie sich Elementarteilchen gegenseitig durch Gravitation beeinflussen. Wir brauchen eine Theorie, die Atome und Sterne gleichzeitig beschreiben kann; wir brauchen eine Quantentheorie der Gravitation und die haben wir nicht. Aber wenn wir sie einmal finden sollten: Dann erklärt sich damit vielleicht, dass die Feinabstimmung nur eine scheinbare ist und dass es gar keine andere Möglichkeit für ein Universum gibt als so zu sein, wie es ist.
Man könnte auch das tun, was wir Menschen immer schon gerne getan haben: Unsere Probleme auf übernatürliche Wesen abzuladen. Wenn das Universum “wie für uns gemacht” aussieht, dann HAT es vielleicht auch jemand für uns gemacht. Vielleicht sind wir nur Teil einer Simulation die irgendwelche gottähnlichen Aliens laufen lassen? Oder vielleicht hat tatsächlich irgendein Schöpfer den Kosmos geschöpft und dabei so lange an den Knöpfen gedreht damit es seiner Schöpfung darin auch gut geht. Obwohl dass das Problem natürlich auch nicht löst. Denn einerseits muss ein Schöpfer der ein Universum so auf uns Menschen abstimmen kann selbst ein ziemlich komplexes Wasauchimmer sein dessen Existenz eine noch kompliziertere Erklärung benötigt als ein feinabgestimmtes Universum. Und andererseits könnte ein Schöpfer der in Lage ist ein ganzes Universum aus dem Nichts zu schaffen darin einfach auch ein paar fixfertige Sterne reinwerfen. Oder große Haufen an Kohlenstoff; den Umweg über den komplizierten Drei-Alpha-Prozess könnte man sich sparen. Was wäre das für ein Schöpfer, der nicht in einem lebensfeindlichen Universum irgendwo eine nette Ecke für uns Menschen freiräumen könnte?
Vielleicht – und das halte ich für die wahrscheinlichste Möglichkeit – ist das Universum aber auch gar nicht so feinabgestimmt wie wir denken. Man kann zumindest zeigen (“Natural Explanation For The Anthropic Coincidences” (pdf)) dass man durchaus auch Sterne in Universen kriegt die andere Naturkonstanten haben als unseres hat. Die leben dann vielleicht ein wenig kürzer oder länger als sie es hier tun. Aber sie sind da. Und wer sagt denn, dass Leben exakt so funktionieren muss wie wir das tun? Klar, wir wissen nicht wie Leben noch funktionieren könnte und können deswegen wissenschaftlich seriös wenig darüber sagen. Aber es kann durchaus sein, dass andere Kombinationen von Naturkonstanten zu Universen führen die vielleicht für UNS lebensfeindlich sind. Aber für andere Arten von Leben genau passen. Und dann würden die rumsitzen und sich wundern, warum alles so super ist. Am Ende bleibt es also vorerst dabei: Es ist so wie es ist, weil wenn es anders wäre, wäre es anders.
Kommentare (19)