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Sternengeschichten Folge 494: Die höchsten Berge des Sonnensystems

Ich dachte, wir machen heute einen kleinen Ausflug. Ein bisschen wandern, hinauf auf die Berge. Und dabei beschränken wir uns nicht nur auf die, die hier bei uns auf der Erde rumstehen. Sondern schauen auch, was anderswo im Sonnensystem an Erhebungen zu finden ist. Das ist aber leichter gesagt als getan. Selbst auf der Erde hat es ja eine Zeit lang gedauert bis wir rausgefunden haben, wie hoch die ganzen Berge sind. Dass etwa der Mount Everest nicht einfach nur ein hoher Berg ist sondern tatsächlich der höchste Berg der Erde hat man erst 1852 entdeckt. Und wenn man ganz genau ist, kann man auch darüber streiten, ob der Everest wirklich der höchste Berg der Erde ist. Wir haben uns darauf geeinigt, die Höhe von Bergen in Metern über dem Meeresspiegel zu messen. Und der Gipfel des Everest liegt 8848 Meter über dem Meer, was weiter oben ist als alle anderen Berggipfel. Aber eigentlich ist das unfair gegenüber all den Bergen, die nicht mitten am Land stehen sondern am Meeresboden. Da gibt es auch jede Menge und einige davon sind so hoch, dass sie über das Wasser hinaus ragen. Der Mauna Kea auf Hawaii zum Beispiel. Von seinem Gipfel bis zum Meer sind es nur 4205 Meter. Aber der Berg geht unter Wasser weiter; sehr viel weiter. Wenn man den kompletten Berg, von seiner Basis bis zur Spitze misst, dann kommt der Mauna Kea auf 10.203 Meter und ist damit deutlich höher als der Everest. Und was ist mit dem Chimborazo in Ecuador? Sein Gipfel liegt 6263 Meter über dem Meeresspiegel. Das ist auch seine komplette Höhe; er ragt nicht aus dem Meer heraus. Aber er befindet sich ganz in der Nähe des Äquators. Und die Erde ist am Äquator ein wenig dicker; wenn man also den Abstand vom Berggipfel bis zum Erdmittelpunkt misst, dann gibt es keinen Punkt auf der Erdoberfläche auf dem man weiter vom Mittelpunkt der Erde weg ist als am Gipfel des Chimborazo.

Es ist also schwer genug den Überblick über die hohen Berge der Erde zu behalten. Auf anderen Himmelskörpern wird es nicht leichter. Viele davon haben wir noch nicht so gut erforscht um wirklich wissen zu können, wie hoch sie genau sind. Viele außerirdische Berge haben wir noch nicht einmal entdeckt. Und bei denen, die wir gefunden haben, haben wir ähnliche Probleme ihre Höhe zu definieren wie auf der Erde. Das fängt schon mit dem fehlenden Wasser an. Einen Meeresspiegel, den wir als Referenz für Höhenangaben heranziehen können, gibt es nur auf der Erde. Auf anderen Himmelskörpern kann man die Höhe von Bergen entweder so messen wie ich es gerade beim Mauna Kea erklärt habe, also von der Basis des Bergs bis zu seiner Spitze. Oder man definiert einfach eine fiktive Referenzfläche um sich quasi einen künstlichen Meeresspiegel zu schaffen.

Es ist also nicht möglich, eine verlässliche Top-10-Liste der höchsten Berge des Sonnensystems zu präsentieren. Dafür gibt es zu viel Interpretationsspielraum bei dem, was man als “Höhe” eines Berges definieren will. Deswegen werde ich das auch gar nicht erst versuchen sondern jetzt einfach ein wenig über Berge sprechen, die definitiv sehr, sehr hoch sind. Und beeindruckend genug, auch wenn sie nicht in einem Ranking kategorisiert werden.

Der Chimborazo (Bild: Kilobug, CC-BY-SA 3.0)

Aber wenn es so ein Ranking für das Sonnensystem geben würde, dann wäre der Olympus Mons auf dem Mars mit ziemlicher Sicherheit sehr, sehr weit oben in dieser Liste. Man kann sich kaum vorstellen, was das für ein gewaltiger Berg ist. Wenn man sich Satellitenaufnahmen ansieht, dann erscheint der Olympus Mons eigentlich gar nicht so gewaltig. Aber das täuscht. Der Olympus Mons ist nicht einfach nur hoch, er ist vor allem auch gewaltig groß. Würde man ihn hier auf die Erde stellen, dann könnte man fast ganz Frankreich darunter verschwinden lassen. Die Basis des Bergs ist ziemlich genau so groß wie Polen. Wenn man an einem Ende hinauf geht und am anderen Ende wieder runter, wäre man danach gut 600 Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt! Und hätte dazwischen einen ziemlich gewaltigen Aufstieg absolviert. Startet man von der westlich des Olympus Mons liegenden Ebene Amazonis Planitia, dann hat man bis zum Gipfel 26.000 Höhenmeter vor sich; bezogen auf die künstliche Referenzebene des Mars hat der Berg eine Höhe von 21 Kilometern. Und ist nicht nur ein Berg, sondern ein Vulkan. Entstanden ist er vor ungefähr 3,5 Milliarden Jahren, ob er heute noch aktiv ist, ist unbekannt. Lavaströme die man in seiner Umgebung beobachtet hat, sind aber nur 2 Millionen Jahre alt, was aus geologischer Sicht nicht viel ist. Der Krater am Gipfel des Olympus Mons hat einen Durchmesser von 90 Kilometern und ist 3 Kilometer tief. Zum Vergleich: Darin könnte man die Zugspitze, den höchsten Berg Deutschlands so verstecken, dass ihr Gipfel nicht herausschaut.

Angesichts der gewaltigen Ausmaße des Olympus Mons ist es schwer vorstellbar, dass es irgendwo anders noch einen Berg geben könnte, der ihm den Titel “Höchster Berg des Sonnensystems” streitig macht. Ist aber so. Und zwar der Zentralberg des Rheasilvia-Kraters. Dass es diesen Krater überhaupt gibt wissen wir erst seit 1997; seinen Namen hat er aber erst 2011 bekommen und auch erst seit damals wissen wir, dass er ziemlich hoch ist. Der Rheasilvia-Berg liegt nämlich nicht auf dem Mars sondern befindet sich auf dem Asteroid Vesta. Bis zur Ankunft der Raumsonde Dawn dort im Juli 2011 hatten wir nur sehr unscharfe Bilder dieses Asteroiden die kaum Details der Oberfläche gezeigt haben. Aber dank Dawn wissen wir mittlerweile sehr gut, was dort alles zu finden ist. Unter anderem eben der Rheasilvia-Krater mit einem Durchmesser von 505 Kilometer. Was vielleicht nicht so beeindruckend klingt, aber sehr beeindruckend ist, vor allem wenn man bedenkt dass der Asteroid Vesta selbst nur einen Durchmesser von 569 Kilometer hat. Wahrscheinlich ist vor ungefähr einer Milliarde Jahre ein ziemlich großes Trumm mit Vesta kollidiert und hat dabei den Krater geschaffen. Einen Krater, dessen Wand bis zu 12 Kilometer über die umliegenden Regionen hinaus ragt – hoch genug, um den Mount Everest UND den Mauna Kea dahinter zu verstecken – und wie alle großen Krater hat er auch einen Zentralberg in der Mitte. Beim Einschlag eines großen Objekts verhält sich das Gestein ja kurzfristig so wie eine Flüssigkeit. Und wenn man zum Beispiel einen Stein ins Wasser wirft, dann spritzt danach ja auch aus der Mitte des Einschlagspunkts ein wenig Wasser nach oben. Nur dass im Falle eines Kraters dieser “Spritzer” dann eben wieder fest wird und einen Berg bildet (ich hab das in Folge 220 der Sternengeschichten genauer erklärt). Der Zentralberg im Rheasilvia-Krater hat einen Basis mit einem Durchmesser von 200 Kilometer und eine Höhe von 20 bis 25 Kilometer. Je nachdem auf welche Weise man das mit dem Olympus Mons vergleicht ist Rheasilvia also höher oder niedriger.

Äquatorialkamm auf Iapetus (Bild: NASA)

Ob das, was man auf dem Saturnmond Iapetus finden kann, ein Berg ist, ist unklar. Eher handelt es sich um eine ganze Gebirgskette, der exakte Begriff dafür ist “Äquatorialkamm”. So bezeichnet man eine Erhebung die dem Verlauf des Äquators eines Himmelskörpers folgt. Oder anders gesagt: Ein Gebirge, das einmal um den Himmelskörper herum läuft. Wir haben sowas bis jetzt nur bei Monden des Saturns gefunden und wissen noch nicht wirklich, wie sie entstehen. Vielleicht hatten diese Monde eigene Ringe, die irgendwann instabil geworden sind und als das ganze Material auf den Planeten gestürzt ist, haben sie Gebirgskette gebildet? Vielleicht handelt es sich um Eis, dass aus dem Inneren des Planeten an die Oberfläche gesteigen ist. Vielleicht hat es mit der Entstehung der Monde zu tun? Wir wissen es nicht, aber wir wissen, dass der Äquatorialkamm von Iapetus bis zu einer Höhe von 20 Kilometer reicht, ganz ordentlich für einen Mond mit einem Durchmesser von knapp 1500 Kilometer.

Auch andere Monde haben hohe Berge. Der Jupitermond Io etwa kann mit den Boösaule Montes aufweisen, die gut 18 Kilometer hoch sind. Der Uranusmond Oberon hat eine 11 Kilometer hohe Erhebung. Über den 7 Kilometer hohen Berg auf dem Saturnmond Mimas habe ich ja erst in Folge 489 erzählt. Selbst auf dem Mond gibt es Erhebungen die mehr als 10 Kilometer über die Mondoberfläche hinauf reichen. Die meisten hohen Berge findet man aber definitiv auf dem Mars. Olympus Mons ist der größte, aber nicht der einzige gigantische Vulkan der dort rumsteht. In seiner Nachbarschaft kann man auch noch Ascraeus Mons (18 Kilometer hoch), Arsia Mons (14 Kilometer) und Pavonis Mons (12 Kilometer) besteigen. Abseits dieser vulkanreichen Tharsis-Region gibt es noch Elysium Mons mit 12,5 Kilometern und das waren jetzt nur die, die über 10 Kilometer Höhe erreichen… Aber wie kommt eigentlich gerade der kleine Mars zu solch großen Bergen? Warum gibt es auf Asteroiden und Monden solche gigantischen Berge und auf der Erde nicht?

Das hat vor allem zwei Gründe. Zuerst einmal hat die Erde eine Atmosphäre mit jeder Menge Wind und Wetter. Was durchaus gut ist, denn ansonsten könnten wir hier nicht leben. Sie sorgt aber auch für Erosion, das heißt im Laufe der Jahrmillionen werden Berge langsam aber sicher abgeschliffen und abgetragen, bröckeln auseinander, und so weiter. Viel wichtiger ist aber die Masse der Erde. Ein Berg ist ja kein Turm. Je höher ein Berg ist, desto größer muss seine Basis sein. Und je größer die Basis, desto größer ist auch das Gesamtgewicht des Berges. Die Masse der Erde zieht den Berg an, so wie alles andere. Und wenn der Berg zu schwer ist, dann ist der Druck auf die Basis zu stark, das Gestein dort wird flüssig und der Berg sackt in die Erde ein. Man kann berechnen wie groß ein Berg unter Bedingungen werden kann, die auf der Erde herrschen und kommt dann auf eine Höhe von knapp 10 Kilometern. Was der Höhe von Everest oder Mauna Kea entspricht; wir haben also schon so hohe Berge wie wir hier kriegen können. Auf Himmelskörpern die kleiner sind als die Erde und weniger Masse haben, wie eben auf dem Mars, da können Berge viel höher wachsen. Auf sie wirkt eine geringere Gravitationskraft und deswegen können sie größer werden.

Wem die Berge auf der Erde also nicht hoch genug sind, wird wohl oder übel auf einen anderen Himmelskörper auswandern müssen…

Kommentare (5)

  1. #1 Bluesze
    Sankt Florian
    13. Mai 2022

    Sagenhaft interessant!
    Danke für die Infos.

  2. #2 Dampier
    13. Mai 2022

    Mal wieder Astro-Eskapismus at its best!

    Ich erinnere mich an noch eine andere interessante Erklärung, warum der Olympus Mons so hoch geworden ist: wegen der fehlenden Plattentektonik auf dem Mars. Vulkane entstehen ja durch Hotspots, welche aus der Tiefe des Planeten aufsteigen. Da nun auf der Erde die Kontinentalplatten über den Hotspot wandern, entsteht bei jedem Ausbruch ein Vulkan an einer anderen Stelle, das kann man bei Vulkan-Inselketten wie Hawaii sehr schön sehen. Auch Mauritius, Reunion und der indische Dekkan-Trapp gehen alle auf den selben Hotspot zurück. Da auf dem Mars nichts wandert, hat ein einzelner Hotspot alle seine Eruptionen im Laufe der Jahrtausende an der selben Stelle rausgehauen, und deshalb hat der Olympus Mons diese irre Höhe erreicht.

    Weiß nicht mehr wo ich das her hab – wahrscheinlich von Astrodicticum Simplex 🙂
    viele Grüße

  3. #3 Thomas N.
    15. Mai 2022

    Interessant finde ich auch, wo vermutlich die kleinsten Berge zu finden wären: auf Neutronensternen (afaik) max. im Millimeter Bereich, mehr ist wegen der enormen Schwerkraft nicht drin.

  4. #4 Kyllyeti
    16. Mai 2022

    Gemach, gemach, bedenke aber: Wären diese vermutlich kleinsten Berge im Sonnensystem zu finden, wären wir wohl nicht (mehr) da, um sie zu finden.

  5. #5 Aginor
    16. Mai 2022

    Wieder ein schöner Text, danke!

    Zu den Äquatorialkämmen diverser Saturnmonde:

    Manche sind riesig und lassen z.B. Pan ein bisschen aussehen wie einen Hamburger dessen Brötchen (wie passend bei Pan) ein bisschen zu wenig Durchmesser hat sodass das Fleisch ringsrum rausschaut.
    Dachte immer das kommt davon dass der Mond durch das Ringmaterial “hindurchfliegt” bzw das früher tat, und das Material des dünnen Rings sich dadurch rings um den Mond einfach anlagert (Annahme dabei: Der Durchmesser des Mondes ist größer als die Dicke des Rings). Der Ring ist dafür weg an der Stelle.

    Dass die Monde ihre eigenen Ringe gahabt haben könnten kann ich mir fast nicht vorstellen. Ich kann es zugegebenermaßen nicht rechnen aber ich hätte fast gewettet dass Saturns Gravitation sowas nicht erlauben würde.

    Spannend!

    Gruß
    Aginor