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Sternengeschichten Folge 513: Störende Satelliten und die Helligkeit des Nachthimmels

Jedes Jahr, immer an dem Freitag der dem Neumond im September am nächsten liegt, findet die “Earth Night” statt. Gut, die Nacht gibt es täglich. Bzw. nächtlich. Die Earth Night, also die “Nacht der Erde” ist aber eine besondere Aktion – das Motto lautet “Licht aus! Für eine ganze Nacht” und ist relativ selbsterklärend. Ab 22 Uhr sollen so viele künstliche Lichter wie möglich abgeschaltet werden um die natürlichen Lichter am Himmel besser sehen zu können.

Ich habe in Folge 32 der Sternengeschichten ja schon mal über das Phänomen der sogenannten “Lichtverschmutzung” gesprochen. Obwohl dieser Begriff eigentlich missverständlich ist; dabei geht es nicht um schmutziges Licht, sondern um Licht, dass quasi die Dunkelheit verschmutzt. Oder genauer gesagt: Um Licht, dass die natürliche Dunkelheit der Nacht künstlich aufhellt. Die “natürliche Dunkelheit der Nacht”: Das ist etwas, was die meisten von uns gar nicht mehr kennen. In Mitteleuropa und den anderen stark besiedelten Regionen der Welt wird es nicht mehr dunkel. Die Sonne geht zwar jede Nacht unter, die Nacht bleibt aber immer heller als sie es eigentlich wäre. All die Lichter die wir anknipsen, machen den Himmel hell; so hell, dass man bei weitem nicht alle Sterne sehen kann, die für unsere Augen eigentlich sichtbar wären. Um einen echten Nachthimmel in all seiner Pracht sehen zu können, muss man in die Wüste, auf hohe Berge abseits von Städten, auf den Ozean oder sonst irgendwo hin, wo niemand lebt und wo man deswegen auch nur sehr schwer hin kommt. Nur dann kann man das sehen, was Jahrhundertausende lang und bis noch vor wenige hundert Jahre alle Menschen immer sehen konnten, wenn sie nachts zum Himmel geblickt haben.

Ich habe früher schon erklärt, dass der Verlust der Dunkelheit nicht nur ein enormer kultureller Verlust ist, sondern auch ein ökologischer und finanzieller. Wir schalten die Lichter ja nicht ein, weil sie den Himmel beleuchten sollen. Das tun sie nur, weil sie ineffektiv sind; schlecht geplant und schlecht organisiert. All dieses Licht ist verschwendet und damit auch die Energie, die für den Betrieb gebraucht wird und das Geld, dass dieser Betrieb kostet. Man könnte viel Geld und Energie sparen, wenn man ein wenig besser auf die Beleuchtung achtet und es wirklich nur dann hell macht, wenn es nötig ist. Das wäre auch für die Umwelt besser; viele Tiere und Pflanzen und auch wir Menschen kriegen Stress und gesundheitliche Probleme, wenn es nie wirklich dunkel wird. Über all das habe ich schon früher gesprochen; auch darüber, dass es durch weniger künstliche Beleuchtung auch keinen Anstieg in der Kriminalität gibt und die Straßen nicht weniger sicher werden.

Satellit über den Teleskopen der Europäischen Südsternwarte (Bild: R. Wesson/ESO)

Der Anblick des Himmels und die wissenschaftliche Erforschung des Alls wird aber auch durch ein anderes Phänomen gestört, dass nicht ganz so offensichtlich ist wie die hellen Lichter der menschlichen Städte. 1957 flog der erste künstliche Satellit ins All und die Menschheit war zu recht sehr aufgeregt über den Lichtpunkt, der sich da über den Himmel bewegt und der von Menschen dorthin gebracht wurde. Der kleine Sputnik war keine 100 Tage im All, aber ihm sind im Laufe der Zeit sehr viele weitere Satelliten gefolgt. Durchaus auch zum Nutzen der Menschheit und der Wissenschaft. Die Astronomie wäre längst nicht so weit, wenn wir nicht auch unsere Messinstrumente im Weltall hätten. Unser Alltag würde völlig anders aussehen, wenn wir keine Satelliten zur Navigation, Kommunikation oder zur Wettervorhersage hätten. Der Weg in den Weltraum war ein wichtiger technologischer Schritt für uns. Aber das gilt auch für die industrielle Revolution, die Erfindung der Dampfmaschine oder der des Autos – und trotzdem sind wir deswegen nun in einer Situation angelangt, in der wir uns mit der Katastrophe der Klimakrise auseinandersetzen müssen.

Die Lage bei den Satelliten ist noch nicht so dramatisch und hat auch nicht das katastrophale Potenzial der Klimakrise. Aber es würde trotzdem nichts schaden, wenn wir uns hier zur Abwechslung mal vorher überlegen, was für negative Folgen das alles haben könnte und es dann gar nicht erst dazu kommen lassen. In Folge 228 der Sternengeschichten habe ich schon vom Kessler-Syndrom erzählt, also einem potenziellen Zustand in dem zu viele Satelliten in der Erdumlaufbahn so viel Weltraumschrott erzeugt haben, dass ein Flug ins All und durch diese Müllzone hindurch sehr schwierig oder fast unmöglich wird. So weit ist es noch lange nicht, aber zu viele Satelliten haben Auswirkungen auf die Art und Weise wie wir den Nachthimmel beobachten können.

Wir beschränken uns mittlerweile nicht mehr, einzelne Satelliten ins All zu schicken, sondern konstruieren ganze “Satellitenkonstellationen”. Dabei geht es darum, möglichst viel der Erdoberfläche gleichzeitig mit Satelliten abdecken zu können. Das ist zum Beispiel bei der Navigation wichtig, da reicht nicht ein Satellit; man braucht ein paar Dutzend. Ähnliches gilt für Kommunikationsnetzwerke wie das Iridium-Netz, das aus 66 Satelliten besteht um auf der ganze Erde Telefonempfang zu liefern (zumindest wenn man ein entsprechendes und teures Gerät dafür hat). Die Iridium-Satelliten sind auch ein gutes Beispiel für das Phänomen um das geht. Die meisten werden vermutlich schon mal einen Satelliten gesehen haben. Wenn man lang genug zum Nachthimmel schaut, wird man ziemlich bald den einen oder anderen Lichtpunkt sehen, der sich vergleichsweise schnell durch das Sternenfeld bewegt. Manchmal leuchtet so ein Punkt aber auch plötzlich enorm hell auf; heller als die Sterne. Dann stehen die Chancen gut, dass man einen “Iridium-Flare” beobachtet hat; dann steht der Satellit gerade so, dass Sonnenlicht von seinen großen Antennen genau zur Erde reflektiert werden kann. Das sieht beeindruckend aus und man kann sich im Internet auch die Zeiten heraussuchen, zu denen man so etwas beobachten kann.

19 Starlink-Satelliten stören eine Aufnahme des Himmels die 5,5 Minuten lang belichtet wurde (NSF’s National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory/CTIO/AURA/DELVE)

Aber wenn man es nicht mit 66 Satelliten zu tun hat, sondern mit 66.000, dann wäre die Lage vermutlich anders. Genau das ist aber das Problem: 2018 schickte die Firma Space X die ersten Testsatelliten ihres “Starlink”-Netzwerkes ins All und da geht es nicht mehr um ein paar Dutzend künstlicher Himmelskörper, die am Ende die Erde umkreisen sollen, sondern um ein paar tausend bis zehntausend. Andere Firmen, wie Amazon, planen ähnliche Satellitennetzwerke um weltweit Internet anbieten zu können. Es ist also nicht unmöglich, dass in Zukunft hunderttausende künstliche Himmelskörper die Erde umkreisen.

Das ist durchaus nicht ohne Probleme. Zuerst einmal für die Forschung: In der Astronomie nutzt man Teleskope, um Aufnahmen des Himmels zu machen. Dabei wird oft minuten- oder stundenlang belichtet um noch möglichst leuchtschwache Objekte abbilden zu können. Wenn da nun aber ein ganzes Netz an Satelliten die Erde umspannt, werden die selbstverständlich immer wieder durch das Bild fliegen und dort Spuren hinterlassen. Diese Spuren kann man zwar leicht erkennen und später aus den Daten entfernen. Aber das ist erstens zusätzliche Arbeit. Und zweitens fehlen am Ende trotzdem Daten. Da, wo die Kamera eine Satellitenspur abgebildet hat, kann sie nichts anderes mehr abbilden. Die Auswirkungen der großen Satellitennetzwerke werden nicht überall auf der Erde gleich stark sein und sie werden am Abend und am Morgen stärker sein als mitten in der Nacht. Aber es wird sie geben und die Forschung wird mehr Zeit und Arbeit aufwenden müssen und trotzdem noch Daten und Beobachtungsmöglichkeiten verlieren.

Dass die äußerst sensiblen Instrumente der Wissenschaft von den Satelliten beeinflusst werden, ist klar. Aber was ist mit den Augen der Menschen? Was kriegen wir davon mit? Das ist ein bisschen schwieriger zu beantworten. Nicht alle Satelliten leuchten so hell wie ein Iridium-Flare. Manche sind kaum zu sehen; manche sind für unsere Augen gar nicht zu sehen. Unser Auflösungsvermögen ist zu schlecht dafür; was aber nicht heißt, dass das Licht das die Satelliten von der Sonne in Richtung Erde reflektieren, nicht vorhanden ist! Es kann ja nicht einfach verschwinden. Jedes Objekt in der Umlaufbahn der Erde – künstliche ebenso wie natürliche, zum Beispiel Staubteilchen oder ähnliches – reflektiert Sonnenlicht. Und dieses Licht wird in der Atmosphäre der Erde gestreut und macht sie ein wenig heller. Satelliten die unsere Augen nicht auflösen können, sehen wir zwar nicht direkt. Aber wir nehmen ihr Licht als diffuse Aufhellung der Nacht wahr. Wenn das nur ein paar Satelliten sind, merken wir das natürlich nicht. Aber mittlerweile haben wir eben mehr als nur ein paar Satelliten am Himmel. Und daneben noch viel mehr Weltraumschrott, der sich im Laufe der Zeit angesammelt hat und weiter ansammeln wird. Im Juni 2021 haben Forscherinnen und Forscher eine entsprechende Analyse des Streulichts durchgeführt, das von den aktuellen vorhandenen künstlichen Objekt ausgeht. Das Ergebnis: 20 Mikrokandela pro Quaratmeter. Darunter kann man sich wenig vorstellen, aber das entspricht einer 10prozentigen Erhöhung der Nachthimmelhelligkeit, ausgehend von dem Niveau das vorhanden wäre, wenn es keine künstlichen Lichter auf der Erde gäbe.

Diese 10 Prozent sind jetzt nicht wahnsinnig viel, aber sie liegen gerade an der Grenze des Limits, dass die Astronomie eigentlich für optimale Beobachtungsbedingungen festgelegt hat. Und im Gegensatz zu der Lichtverschmutzung die von den Lichtern der Städte stammt, kann man diesem Licht auch nicht entkommen, wenn man sich auf hohe Berge in fernen Wüsten zurück zieht.

Nacht kann auch mit Lichtern schön sein. Aber nicht zu vielen…

Es ist absolut wichtig, sich darum zu kümmern, dass wir die Nacht nicht mehr unnötig heller machen. Aus wissenschaftlichen Gründen, aus kulturellen, aus biologischen, aus medizinischen und aus wirtschaftlichen Gründen. Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir mit all den Satelliten im All nicht irgendwann einen Schaden anrichten, der schwer korrigiert werden kann. Der Weltraum gehört niemandem. Oder anders gesagt: Der Weltraum gehört uns allen. Auf der Erde sind wir – zum Glück – irgendwann drauf gekommen, dass wir nicht einfach machen können, was wir wollen. Wir können nicht überall Häuser, Städte, Fabriken hinbauen; nicht überall nach Bodenschätzen graben; nicht überall Straßen durchziehen. Wir haben Naturschutzgebiete eingerichtet, weil wir erkannt haben, dass es auch für uns Menschen wichtig ist, dass es Teile der Erde gibt, aus denen wir uns raushalten. Genau das gilt auch fürs All. Der Weltraum ist eine Ressource; für unsere Wirtschaft, für unsere Technik und für die wissenschaftliche Erkenntnis. Aber auch eine kulturelle Ressource für unsere Fantasie, Inspiration, unsere Gedanken und unsere Träume. Wir brauchen den Blick zum dunklen Nachthimmel; dieser Blick hat uns Jahrtausende lang als Menschen geprägt und zu dem gemacht, was wir heute sind. Wie müssen uns uns die Dunkelheit erhalten, wenn wir uns selbst nicht verlieren wollen.

Kommentare (1)

  1. #1 Captain E.
    23. September 2022

    Tja, wie sagte der Starlink-Boss (sinngemäß) zu dem Thema? “Wer beobachtet heute noch den Himmel von der Erde aus? Die Teleskope der Astronomen sind doch alle inzwischen alle im Weltraum.” Und wie seine Fans sagen würden, hat er schließlich immer recht.

    Und um ein anderes Zitat zu bemühen, nämlich eines des Kabarettisten Johann Königs: “Das muss man sich immer wieder selbst vorsagen.”