In Sachsen hat ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter eine Schule gezwungen, eine von Schülern organisierte Gedenkausstellung über die Verfolgung von Christen in der DDR zu schließen. Die Begründung: Die Aufdeckung seiner Stasi-Tätigkeit verletze seine Persönlichkeitsrechte.
Den bürgerlichen Namen von „IM Schubert” darf momentan (unter Androhung einer Strafe von 250.000 EUR Ordnungsgeld) niemand im Zusammenhang mit seiner Stasi-Tätigkeit nennen, also werde ich auch hier darauf verzichten und auf die Revision der aktuell gültigen einstweiligen Verfügung hoffen. Über „IM Schubert” berichten darf man allerdings. Und dieser Schubert, der hatte es wirklich faustdick hinter den Ohren.
Zu DDR-Zeiten bestand seine „nebenberufliche” Aufgabe darin, bekennende Christen auszuspionieren, die in der DDR ohnehin stets unter Generalverdacht standen und ein bevorzugtes Opfer von Stasi-Bespitzelungsaktionen waren. Um in deren Reihen aufgenommen zu werden ließ er sich sogar taufen und spielte mit großem Erfolg die Rolle des „Bruders im Geiste”, während er privat fleißig Berichte über seine „Mitchristen” verfasste. Dabei ging „IM Schubert” äußerst professionell vor, denn Berufserfahrung hatte er schon viel gesammelt. Bereits als Schüler (!) hatte er sich 1980 freiwillig beim Ministerium für Staatssicherheit gemeldet und schon kurze Zeit später dafür gesorgt, dass vier Mitglieder einer Jungen Gemeinde ins Gefängnis mussten.
Damit war der Grundstein für eine steile Stasi-Karriere gelegt und „IM Schubert” bemühte sich nach Kräften, diese weiter zu beflügeln. In den Folgejahren spionierte er beispielsweise „Bausoldaten” (die Wehrdienstverweigerer in der DDR) und einen evangelischen Studentenbund aus und machte seine Sache so gut, dass seine Vorgesetzten ihm „hohe Einsatzbereitschaft” und „taktische Finesse” bescheinigten. Dafür gab es natürlich Geld und kleine Aufmerksamkeiten wie eine Westerngitarre und einen neuen Trabi-Motor – und als Krönung sowie als direkte Belohnung für die Mithilfe bei der Inhaftierung der vier jungen Christen auch noch einen kostenlosen Trip zu den Olympischen Spielen in Moskau.
Wer so tüchtige Arbeit leistet, der wird sicher stolz auf seine Karriere zurückblicken – sollte man zumindest meinen. Aber nein. Nach dem Zusammenbruch der DDR tauchte der gefeierte IM still und heimlich ab. Als Schüler eines Gymnasiums in Zwickau gemeinsam mit ihrem Pfarrer und Religionslehrer eine Ausstellung über die Verfolgung von Christen in der DDR organisierten, in deren Rahmen auch – unter Nennung des Klarnamens – auf die Leistungen von „IM Schubert” hingewiesen wurde, da zog der gute Mann doch tatsächlich vor Gericht – und bekam Recht.
Die Zwickauer Richter sahen es als erwiesen an, dass die Aufdeckung seines Treibens dazu geeignet sei „seinen öffentlichen Ruf zu schädigen”. Und genau hier muss ich dem Gericht widersprechen. Seine Tätigkeit als Stasi-Spitzel, seine Mitwirkung bei der Verhaftung von Jugendlichen und der Zerstörung von Lebensperspektiven, seine Mittäterschaft in einem furchtbaren System – das sind Dinge, die dazu geeignet sind seinen öffentlichen Ruf zu schädigen. Die Ausstellung benennt lediglich Ross und Reiter.
Dennoch bekam er vor Gericht erst einmal Recht – nicht zuletzt dank der tatkräftigen Mithilfe seines Rechtsanwalts, Thomas Höllrich, der für die Linkspartei im Stadtrat und Kreistag sitzt. Besagter Herr Höllrich spart dann auch nicht mit Kritik an Pfarrer Dr. Käbisch, dem ehemaligen Zwickauer Dompfarrer: „Datenschutzrechtlich müssen Sie noch an sich arbeiten, Herr Käbisch. Das will ich Ihnen als Rechtsanwalt nur gesagt haben”. Der regionale Leiter der Stasiunterlagen-Behörde springt Käbisch jedoch bei und erklärt den Fall des „IM Schubert” zum Präzedenzfall. An ihm wird sich zeigen, ob die öffentliche Nennung von Stasi-Spitzeln zukünftig noch möglich sein wird, oder ob tatsächlich – 19 Jahre nach der Wende – die Denunzianten und Mitläufer erneut Oberwasser über die Ausspionierten und Gedemütigten bekommen.
Verkehrte Welt: Die Täter machen die ehemaligen Opfer selbst zu Tätern, indem sie es kriminalisieren, wenn über ihre Untaten gesprochen wird. Die Ausstellung ist geschlossen, die Plakate sind abgehängt und der Täter und sein Anwalt von der Linkspartei fühlen sich in ihrer Rechtsauffassung bestärkt. Am 8. April wird in Zwickau erneut verhandelt, da die Stadt Reichenbach (wo die Ausstellung gezeigt werden sollte) Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung zur Schließung der Ausstellung eingelegt hat. Da kann man nur hoffen, dass sich in dieser Verhandlung eine gesunde Rechtauffassung durchsetzt, eine die es den Opfern staatlich organisierter Verfolgung gestattet, diejenigen zu benennen, die ihnen Unrecht zugefügt haben.
Oder welche Lehre sollen die Zwickauer Schüler als Organisatoren der Stasi-Ausstellung aus dieser ganzen Farce mitnehmen? Dass es keine Konsequenzen hat, sich an der Verfolgung Unschuldiger zu beteiligen, da man jede legitime Kritik und jede Aufdeckung der eigenen Verbrechen später mit Verweis auf die eigenen Persönlichkeitsrechte untersagen kann? Sollte dies das endgültige Urteil des Rechtsstaates sein, für den man die jungen Menschen in der Schule begeistern will? Ich hoffe nicht….
Pressequellen zur Vertiefung:
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