Wenn jedes Produkt mit dem Beinamen „Bio” tatsächlich die Umwelt schonen würde, dann müssten wir uns um den Planeten keine Sorgen mehr machen. So auch beim „Biosprit”, dessen Produktion in zunehmendem Maße den Hunger auf der Welt verstärkt.
Die von Bundesumweltminister Gabriel vorgeschlagene 10%ige Beimischung von Biosprit ist ja inzwischen vom Tisch – allerdings nicht wegen des Hungers, sondern aus Sorge um die Motoren unserer kostbaren Autos. Dennoch boomt der Biosprit-Markt weltweit – und das, obwohl Biosprit direkt nicht nur sehr wenig zum Umweltschutz beiträgt, sondern mittelbar auch noch für Not und Elend sorgt.
So werden inzwischen in Indonesien und Malaysia die Regenwälder (übrigens wichtige CO2-Senken) gerodet, um Anbauflächen für die Produktion von Palmöl zu liefern. Der weltweite Palmölboom führt in den regenwaldreichen Ländern zu Waldzerstörungen, zur Vergiftung von Boden, Wasser und Luft durch Agrargifte sowie zu Landkonflikten und zur Verarmung von betroffenen Menschen.
In Mexiko wird dagegen der Mais knapp – nicht etwa wegen schlechter Ernten, sondern weil die Nachfrage aus den USA, wo der Mais zu Biosprit verarbeitet wird, den Weltmarktpreis von 100 Euro pro Tonne auf über 250 Euro pro Tonne hochgetrieben hat. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass hungernde Familien sich – im Maisland Nummer Eins – keinen Mais mehr leisten können. Der Mais wird verbrannt statt gegessen – das ist lukrativer.
Dank Greenpeace lässt sich der Biosprit-Wahnsinn inzwischen sogar in Zahlen ausdrücken: Ein nur mit Biospirt betanktes Auto mit 13 Liter Verbrauch würde alle zwei Kilometer ein Brot „aufessen”, da sich aus 100 Kilogramm Weizen entweder 100 Brote backen oder rund 40 Liter Ethanol herstellen lassen. Für einen Abstecher von meinem momentanen Wohnort Wernigerode in meine alte Heimatstadt Darmstadt (742 km hin und zurück) wären dies 371 Brote – mehr als eine ganze Familie im Jahr zum Leben braucht! Selbst bei der aktuellen 5%-Beimischung würde der Trip bereits 19 Brote „verschlingen”, bei 10% wären es schon 38 Brotlaibe gewesen. All das, während anderswo auf der Welt Menschen hungern – Menschen in Ländern, in denen massenhaft Lebensmittel für die Biosprit-Produktion hergestellt werden.
Abholzung des Regenwalds, Vergiftung der Umwelt, Hunger und Armut in der Bevölkerung – Umweltschutz sieht anders aus! Sogar die Ökobilanz von Biosprit ist negativ, wie ein Forscherteam um Paul Crutzen kürzlich herausfand, den ehemaligen Direktor des Mainzer Ma(r)x-Planck-Instituts für Chemie: So ist beispielsweise Biodiesel aus Raps aufgrund der Stickstoff-Düngung bis zu 1,7 mal schädlicher für das Klima als herkömmliches Benzin, von anderen Umweltproblemen ganz zu schweigen. Biodiesel aus Raps ist übrigens der in Deutschland meistverwendete Biosprit.
Obwohl dies alles kein Geheimnis ist, werden die Medien und sogar manche Umweltschützer nicht müde, angebliche „Erfolge” wie den ersten Flug eines Jumbojets mit Biotreibstoff zu bejubeln. Vielleicht fliegen ja schon bald alle Flugzeuge mit „Bio”-Kerosin. Das richtet dann noch einmal zwischen 40% und 70% mehr Schäden am Klima an und hat zudem den Nebeneffekt, dass auf der anderen Seite der Welt die Regenwälder verschwinden und ganze Gesellschaften ins Elend gestürzt werden. Hauptsache alles „bio”!
Dabei wäre echter Umweltschutz im Verkehrs- und Transportwesen so einfach:
1. Tempolimit einführen: Laut BUND würde ein Tempolimit von 120 km/h die Emissionen auf den Autobahnen um etwa neun Prozent senken. Die CO2-Bilanz unseres Landes würde sich durch diese Maßnahme um etwa zwei bis drei Prozent verbessern. Zwei bis drei Prozent Verbesserung, die sofort zu haben sind, kein Geld kosten und keine negativen Umwelteffekte mit sich bringen, mal ganz abgesehen davon, dass sich möglicherweise auch noch die Zahl der Unfalltoten senken ließe.
2. Mehr Bus und Bahn fahren: Die beste Möglichkeit überhaupt, um im Rahmen der eigenen Mobilität etwas für Umwelt- und Klimaschutz zu tun. An der „Öko”-Besteuerung merkt man das allerdings nicht, da (Flug-)Kerosin nach wie vor nicht besteuert wird, während die Bahn für den verfahrenen Diesel kräftig zahlen muss. Aber das zeigt nur mal wieder, wie viel man von Labels wie „Bio” und „Öko” im Zweifelsfalle zu halten hat.
Die Chancen hierfür stehen natürlich schlecht, nicht zuletzt, da die ständige persönliche Mobilität in unserem Land langsam aber sicher zu einem Grundrecht zu werden scheint und der Verzicht aufs Automobil vor allem bei einigen Vertretern des männlichen Geschlechts fast schon einer Kastration gleichkommt. Und zum Thema Tempolimit sei an dieser Stelle nur mal die stellvertretende SPD-Vizevorsitzende Andrea Nahles zitiert, die auf die Frage, wann denn die SPD das vom Parteitag beschlossene Tempolimit durchsetzen wird wörtlich sagte: „Hoffentlich gar nicht. Ich habe da glasklar eine andere Meinung. […] Auf meine Lieblings-Rennstrecke auf der A48 würde ich nur sehr ungern verzichten.”
Wer so denkt, der kann etwas werden in der deutschen Politik. Schließlich fordert auch Grünen-Urgestein Jürgen Trittin mehr Biosprit in Benzin und Diesel. Und wenn schon nichts mit Substanz unternommen werden soll, kann man sich den Autoverkehr ja immer noch „grün” saufen – mit Biospirt natürlich. Selbstverständlich nur, solange es den armen Motoren nicht schadet. Na dann: Prost!
Zur Vertiefung: Crutzen, P. J., Mosier, A. R., Smith, K. A., and Winiwarter, W.: N2O release from agro-biofuel production negates global warming reduction by replacing fossil fuels, Atmos. Chem. Phys. Discuss., 7, 11191-11205, 2007. (https://www.atmos-chem-phys-discuss.net/7/11191/2007/acpd-7-11191-2007.html)
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