Normalerweise berichte ich im „Frischen Wind” ja immer nur über globale Umweltprobleme – oder solche, die ganz weit weg sind. Nun gibt es zur Abwechslung mal ein echtes Umweltproblem direkt vor der eigenen Haustür zu beobachten.

Eine ganze Weile wohne ich nun schon direkt am Zillierbach, einem kleinen Bächlein, dass durch das schöne Wernigerode fließt. Jeden Morgen begleitet mich der Zillierbach auf meinem Weg ins Büro – und bisher sah das immer in etwa so aus, wie man sich ein kleines Bächlein eben vorzustellen hat. In den letzten Wochen hat sich das Erscheinungsbild des Zillierbachs jedoch drastisch verändert. Eine enorm dicke Pflanzenschicht bedeckt inzwischen vollständig die Wasseroberfläche:

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Sogar als Laie erkennt man sofort, dass hier ein ökologisches Problem vorliegen muss. Ein paar kurze Recherchen und das Einholen einiger Fachmeinungen führten dann auch schnell zu einem eindeutigen Ergebnis: Der Zillerbach eutrophiert.

Als Nicht-Biologe dessen letzte Bio-Stunde schon fast 10 Jahre zurückliegt, musste ich mich bezüglich der Ursachen und Konsequenzen der Eutrophierung erst einmal kundig machen. Man versteht darunter die starke Anreicherung eines Gewässers mit Nährstoffen, vor allem Phosphaten und Stickstoffverbindungen, was beispielsweise bei der absichtlichen oder versehentlichen Einbringung von Düngemitteln geschehen kann. Die starke Zunahme an Nährstoffen führt – nicht überraschend – zu einem enormen Wachstum von Algen. Bereits nach kurzer Zeit bilden diese eine dicke Schicht an der Wasseroberfläche und werden (in fließenden Gewässern) durch die Strömung zu regelrechten „Inselchen” aufgetürmt.

Hier setzen nun die Probleme ein: Da durch die dicke Schicht nur noch wenig oder gar kein Licht dringt, kann bald nur noch an der Wasseroberfläche eine Photosynthese stattfinden während die Pflanzen unterhalb der Oberflächenschicht absterben. Durch die Zersetzungsprozesse werden große Mengen an Sauerstoff verbraucht, der dann wiederum den aeroben Bakterien fehlt. Diese beginnen nun ebenfalls abzusterben, weshalb keine organischen Verunreinigungen mehr abgebaut werden können – und innerhalb kürzester Zeit wird aus dem Gewässer eine stinkende Dreckbrühe (Ammoniak, Methan…). Die Fische sterben ab, die Wasservögel verziehen sich – das Gewässer ist „umgekippt” (hypertoniert).

Wie schon erwähnt bin ich natürlich kein Experte, doch scheint mir zumindest der visuelle Eindruck darauf hinzudeuten, dass uns dieses unerfreuliche Ereignis durchaus noch bevorstehen könnte (sicher ist es allerdings nicht, denn nicht jede Eutrophierung führt zwangsweise zu einer Hypertonie):

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Am Wochenende haben ein paar Kollegen aus der JU (ja, die interessieren sich trotz anderslautender Gerüchte auch für die Umwelt) und ich eine kleine Begehung durchgeführt und haben etwa 2km des Zillierbachs sporadisch fotografisch dokumentiert. Ergebnis dieser Begehung war die Feststellung, dass sich die Eutrophierungserscheinungen nicht nur an der kleinen Flussecke zeigen, an der ich wohne, sondern dass sie über die ganze Länge des Bachs erkennbar sind. Eine weitere Erkenntnis dieser Begehung war leider auch, dass es in unserer Stadt etliche Idioten weniger umweltbewusste Mitbürger geben muss, die vom Kinderwagen über den alten Küchenstuhl bis hin zu den ausgetretenen Turnschuhen allen möglich Abfall im Fluss versenken – zumindest da, wo es keiner sieht.

Was tun? Diejenigen Leute vom Fach, denen wir die Bilder bis jetzt vorgelegt haben, schlagen eine Reinigungsaktion vor – und natürlich eine Ursachenanalyse, denn fehlgeleitete Düngemittel sind nicht der einzige mögliche Auslöser für eine solche Entwicklung. Vermutlich läuft es also auf ein manuelles „Entkrauten” des Zillierbachs hinaus, was bei einem Stubenhocker mit zwei linken Händen wie mir natürlich für erheblichen Alpdruck sorgt – aber nachdem man lautstark auf das Problem hingewiesen hat kann man sich natürlich schlecht aus der Verantwortung stehlen, wenn es ans Aufräumen geht.

Zunächst steht aber eine weitere Begehung an, diesmal mit einem Experten der Kreisverwaltung und (eventuell) sogar unserer Landtagsabgeordneten. Diesen Sonntag soll das Event stattfinden, wobei wir im wesentlichen eine weitere, gründlichere Bestandsaufnahme mit anschließender Diskussion über Lösungsmaßnahmen geplant haben. Ich bin jedenfalls schon mal gespannt, was bei der Sache herauskommt – und werde natürlich in der nächsten Woche weiter darüber berichten (wobei sämtliche Bilder von mir im Bach watend natürlich unterschlagen werden).

Ein Fazit kann ich auf jeden Fall bereits jetzt ziehen: Es besteht ein großer Unterschied in der Wahrnehmung von ökologischen Problemen, über die man nur liest, verglichen mit solchen, die einem jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit ins Gesicht springen. Obwohl es rational gesehen natürlich keinen Unterschied macht, ob nun hier ein Bach umkippt oder irgendwo in der Lausitzer Heide – es „packt” einen einfach mehr, wenn man tatsächlich mit ansehen kann, wie sich der Zustand dieses kleinen Ökosystems von Woche zu Woche verschlechtert. Da kann ich nur hoffen, dass sich am Wochenende eine vernünftige Lösung findet und ich demnächst von einer gelungenen „Rettungsaktion” berichten kann.

Kommentare (4)

  1. #1 Klima-Fraktal
    3. Juni 2008

    Vielleicht sollten noch weitere Events, Ursachenanalysen und Diskussionsveranstaltungen durchgeführt werden, bis mit dem nächsten Regenguss und sinkenden Temperaturen sich das Problem von allein geklärt hat (sind praktische Erfahrungen vom Gartenteich).

  2. #2 Christian Reinboth
    3. Juni 2008

    @Klima-Fraktal: Wäre schön wenn es so einfach wäre, aber bei der Menge an Biomasse die sich da auf über 5km Bach angesammelt hat, halte ich es leider für äußerst unwahrscheinlich, dass sich das Problem von selbst löst….

  3. #3 knorke
    4. Juni 2008

    Oder wie mein Bruder immer zu sagen pflegt:
    Braun und stinken – kannste noch trinken.
    Schwarz vor Dreck – schütt`s weg.

  4. #4 Lampen
    18. Mai 2010

    sehr schöner text gefällt mir gut der blog