Der kürzliche, von der AStA der Uni Potsdam inszenierte, gewalttätige und zutiefst antidemokratische „Protest” gegen einen Vortrag der CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach hat mich zu einem offenen Brief an die Potsdamer Studentenvertreter inspiriert.
Liebe StudentInnen des Potsdamer AStA!
Was habt ihr euch bei dieser Aktion nur gedacht? Vermummte Störer? „Wasserbömbchen”, Pöbeleien und Gewalt gegen harmlose Bürgerinnen und Bürger, die sich an eurer Uni bloß einen Vortrag über Siedlungsbewegungen im 18. Jahrhundert anhören wollten? Ein Zuhörer mit einer abgebrochenen Glasflasche verletzt, 26 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und der feige, unverantwortliche Mißbrauch eines Kleinkindes als menschliches Schutzschild?
Prinzipiell habe ich ja vollstes Verständnis für jeden, der mit der einen oder anderen Position Erika Steinbachs seine Probleme hat, denn schließlich steht die Abgeordnete in ihrer Rolle als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen immer wieder im Mittelpunkt kontrovers geführter Diskussionen. Mich persönlich stört es beispielsweise schon seit Jahren, dass der BdV es für nötig hält, in schöner Regelmäßigkeit unnötige Streitereien mit unseren europäischen Nachbarn auszutragen. Da wir nun aber das große Privileg besitzen, in einer demokratischen Gesellschaft leben zu dürfen, steht es euch und jedem anderen glücklicherweise frei, die Ansichten von Frau Steinbach zu kritisieren und das öffentliche Forum zu nutzen, um ihre Positionen zu hinterfragen und sich im offenen und zivilisierten Diskurs mit ihr auseinanderzusetzen.
Der von euch und der lokalen „Antifa” inszenierte Krawall vom vergangenen Dienstag jedoch ist beschämend und einer angeblichen akademischen Nachwuchsgeneration unwürdig. Wer versucht, am kritischen Diskurs interessierte Zuhörer zu verängstigen und zu verjagen, wer sich mit den eigenen Professoren und der Polizei herumprügelt und Menschen verletzt, der sollte sich dafür schämen, eine solche Aktion auch noch als „antifaschistisch” und „demokratisch” hinzustellen. Vielmehr stellt jeder, der sich an einer solchen Peinlichkeit beteiligt – vor allem aber diejenigen, die so etwas inszenieren – sich selbst ein Armutszeugnis allererster Güteklasse aus.
Zum Wesen einer Demokratie gehört es, dass man auch unliebsame Meinungen erträgt und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt. Freiheit – und das sollten wir nie vergessen – ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden. Für politisch und historisch interessierte Studenten wäre es sicher kein Problem gewesen, sich vorab mit der Siedlungsgeschichte des 18. Jahrhunderts zu befassen und gut vorbereitet die Veranstaltung zu besuchen. Wäre an den Ausführungen von Frau Steinbach inhaltlich etwas auszusetzen gewesen, hätten intelligente Studenten die Gelegenheit hervorragend dazu nutzen können, eine sachliche Debatte zu führen. Pubertären Krawallmachern ohne Demokratieverständnis fällt dagegen nichts besseres ein, als diesen beschämenden Tumult anzuzetteln und für zukünftige Veranstaltungen indirekt mit weiterer Gewalt zu drohen.
Der Selbstbeweihräucherung Vita eures Referenten für Öffentlichkeitsarbeit entnehme ich, dass er nicht nur Politikwissenschaften studiert, sondern auch noch mit besonderem Stolz auf seine vielfältigen „antifaschistischen” Tätigkeiten verweist (Referent für Antifaschismus und Antirassismus etc. pp.). Von jemandem, für den dies hoffentlich nicht nur leere Worthülsen sind, die man sich zum eigenen Vorteil auf die Fahnen schreibt, erwarte ich zumindest ein wenig Grundwissen über den Aufstieg des Faschismus in diesem Land. Wäre dieses vorhanden, dann wäre eurem Pressereferenten und euch sicher auch die Vorgehensweise der SA in der Vorphase der Machtergreifung bekannt – oder auch die der so genannten „Betriebskampfgruppen” in ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR.
Das Niederschreien und Bewerfen von „missliebigen” politischen Sprechern, das Bedrängen und Verunsichern von Zuschauern und das Anzetteln von Gewalttätigkeiten – all dies sind Vorgehensweisen, die in einer demokratischen Gesellschaft nichts verloren haben. Für Studenten, die meinen, durch Krawallmacherei und durch Gewalt politische Ziele durchsetzen zu können – und die sich damit aus dem demokratischen Prozess verabschieden – für solche Studenten können zumindest die Studiengebühren für die Semester außerhalb der Regelstudienzeit eigentlich gar nicht hoch genug ausfallen. Eventuell würde das den einen oder anderen mal dazu ermuntern, sich mehr dem Studium und weniger dem intoleranten Durchprügeln der eigenen Ansichten zu widmen.
Zum Abschluss noch ein Wort zum Verhalten eurer Universitätsleitung, die euch immerhin „nachdrücklich dazu aufgefordert hat, zu einer Form inhaltlicher Auseinandersetzung zurückzukehren, die akademischen Ansprüchen gerecht wird.” Es ist schlichtweg erschreckend, dass ganz offenbar keinerlei Sanktionen gegen irgendeinen von euch zu erwarten sind, bloß weil die Gewalt aus derselben politischen Richtung kommt, aus der in der Region gerade der allgemeine Wind weht. Stellt euch doch bitte einfach einmal vor, eine Gruppe von RCDS’lern hätte gemeinsam mit den örtlichen Skinheads die Rede eines grünen Abgeordneten an eurer Uni durch Krawall und Tumult verhindert – würdet ihr da nicht am lautesten nach Sanktionen und Konsequenzen rufen?
Falls nicht, dann hättet ihr eure Berufung als studentische Vertreter meilenweit verfehlt – und falls doch, dann solltet ihr die Konsequenzen nun auch selber ziehen und sowohl der Universität als auch euren Mitstudenten weitere Peinlichkeiten ersparen. Wer von euch immer noch nicht begriffen haben sollte, dass das Niederschreien und Unterdrücken anderer Meinungen in etwa so „antifaschistisch” ist wie der „antifaschistische Schutzwall” dies war, dem fehlt leider die charakterliche Eignung, um als StudentenvertreterIn tätig zu sein.
Wo die Faust regiert, schweigt der Verstand. Die Universität aber sollte stets ein Ort des Verstandes sein und auch bleiben – sogar angesichts intoleranter Studentenvertreter, die ihre Kompetenzen maßlos überschreiten und glauben, im Besitz der einzigen, unfehlbaren Wahrheit zu sein.
Droh-E-Mails und wüste Beschimpfungen nehme ich gerne per E-Mail entgegen.
Mehr zu dem beschämenden Vorfall lässt sich hier nachlesen:
n-tv: Steinbach sagt Vorträge ab
Märkische Allgemeine: Meinungspolizisten
Welt Online: Vertriebenen-Chefin vertrieben
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