Ein trauriges Schauspiel ereignet sich zur Zeit in Bräunlingen im Schwarzwald. Dort hat der Stadtrat die Betreiber privater Solaranlagen im Stadtkern aufgefordert, diese wieder von den Dächern zu entfernen. Die Begründung: Solaranlagen stören das Stadtbild.
Stadtverwaltung und Stadtrat stellen sich damit (leider) ein politisches Armutszeugnis aus. Wer sich angesichts beständig steigender Strompreise und explodierender Heizkosten dazu entschließt, auf seinem Gebäude und mit eigenen finanziellen Mitteln eine thermische oder photovoltaische Solaranlage zu errichten, sollte auf die volle Unterstützung seiner Kommune bauen können – und nicht befürchten müssen, für sein Engagement abgestraft zu werden.
Genau das erleben Solaranlagen-Betreiber aber zur Zeit in Bräunlingen. In (wohl aus gutem Grund) nicht-öffentlichen Sitzungen des BUSS-Ausschusses (Bauen, Umwelt, Sanierung und Stadtwerke) wurde jüngst beschlossen, dass solarthermische Anlagen im Stadtkern das historische Stadtbild stören und von den Betreibern entschädigungslos zurückgebaut werden sollen. Diese wiederum verweisen darauf, dass die Stadtbildverordnung, auf die sich der BUSS-Ausschuss beruft, erst im Jahr 2006 verabschiedet wurde – zu einem Zeitpunkt also, als die meisten der jetzt ins Visier geratenen Anlagen schon längst gebaut worden waren (die älteste stammt noch aus dem Jahr 1994).
Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Stadtverwaltung von Bräunlingen versucht, alle Solaranlagen im historischen Stadtkern rückwirkend(!) verbieten zu lassen, d.h. die Betreiber auf der Basis einer Verordnung zum Rückbau zu zwingen, die volle 12 Jahre nach dem Bau der ersten Solaranlage verabschiedet wurde. Die Betroffenen sollen nach meinem Kenntnisstand zudem weder eine Entschädigung für ihre Anlagen erhalten (deren Abbau sie offenbar ebenfalls bezahlen sollen), noch ist die Stadt bereit, ihnen den Teil der Heizkosten zu erstatten, um den ihre Abrechnungen zukünftig steigen dürften.
Sollte diese Maßnahme vor Gericht Bestand haben – wo die Angelegenheit letztendlich entschieden werden dürfte – wäre es dem Stadtrat von Bräunlingen gelungen, ein sicheres Mittel zur Abschreckung privater Solar-Investoren – auch in anderen Städten und Gemeinden – zu schaffen. Wenn an Photovoltaik und Solarthermie interessierten Bürgern das Gefühl vermittelt wird, ihre Stadt oder Gemeinde könnte es sich – auch nach Jahren – noch einmal „anders überlegen” und die teuren Anlagen vor Ablauf der Amortisationszeit wieder herunterreißen lassen, dann erreicht man damit vor allem eines: Verunsicherung.
Die Krönung der Affäre ist natürlich die alberne Begründung für das „Solar-Verbot”: der Schutz der historischen Innenstadt. Insbesondere drei Gründe sprechen dafür, dass hier ganz offensichtlich eine reine Schutzbehauptung ins Feld geführt wird, bzw. mit Argumenten für einen Rückbau geworben wird, die sich bei näherer Betrachtung als nichtig erweisen.
Zunächst einmal befindet sich der sichtbare Teil einer solarthermischen Anlage in der Regel auf dem Dach eines Gebäudes. Ein Tourist, der durch die Gassen der Stadt Bräunlingen schlendert, bekommt solche Anlagen daher gar nicht zu sehen, es sei denn, er reckt den Kopf in die Höhe und erhascht einen Blick auf den seitlichen Rand einer Kollektorfläche. Wirklich sehen kann man die Solaranlagen nur in der Draufsicht, d.h. von einem Kirchturm oder von einer Anhöhe in der Umgebung. Nun kenne ich die Topographie in und um Bräunlingen nicht, bezweifle doch aber, dass diese minimale „Störung” des Stadtbildes Grund genug für eine derartige Abstrafung umweltbewusster Einwohner sein kann.
Zweitens stellt sich mir natürlich die Frage, wie „historisch” denn ein Stadtkern gehalten werden sollte. Ich vermute, dass Autos, Busse, Telefonzellen, Hydranten, Straßenlampen, Fahrräder, Skateboards und nervtötend laute Handy-Gespräche auch im historischen Stadtkern von Bräunlingen zu finden sind. Also warum der Aktionismus bei Solaranlagen?
Schlussendlich hätte sich der BUSS-Ausschuss vor einem derart hanebüchenen Beschluss meines Erachtens auf jeden Fall erst einmal Besucher der Stadt zur Problematik befragen müssen. Ich vermute stark, dass dabei herausgekommen wäre, dass die Mehrheit der Urlauber eine Solaranlage keineswegs als eine Störung des Stadtbildes oder überhaupt als Störung empfindet. Und warum auch? Ich jedenfalls freue mich immer, wenn ich irgendwo Kollektoren oder Solarzellen auf einem Dach entdecke. Glänzende Dächer sagen in der Regel einiges über das Umweltbewusstsein und das Initiativdenken der Bürgerinnen und Bürger eines Ortes aus und sind daher eher Symbol des Fortschritts als Stein des Anstoßes.
Genügend Gründe also, um eine derartig anachronistische Verordnung schnell wieder zu verwerfen, anstatt sie mit allen Mitteln durchzusetzen. Leider passiert in Bräunlingen momentan genau das Gegenteil. Schuld daran ist sicher keine Einzelperson, sondern eine Gruppe aus Stadträten und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die sich aus unerfindlichen Gründen dazu berufen fühlen, diese Kampagne gegen Solarenergie-Nutzer zu betreiben.
Aus reiner Neugier habe ich mir auf der impressumstechnisch verbesserungsfähigen Webseite der Stadt einmal die Mitgliederliste des BUSS-Ausschusses angesehen: Fünf CDU-Abgeordnete, zwei freie Abgeordnete und jeweils ein Abgeordneter von SPD und FDP.
Ärgerlich, dass ein so CDU-lastiger Ausschuss einen derartig lächerlichen Kleinkrieg mit den eigenen Bürgern führt (vor allem für mich als Mitglied). Dabei wurde erst vor einigen Tagen auf dem Dresdener Perspektiv-Kongress der CDU erneut festgestellt, dass der technische Vorsprung in den Bereichen Solarenergie und Windkraft zu den größten Pfunden gehört, mit denen der Standort Deutschland wuchern kann. Zwar ist mir nicht bekannt, wer im BUSS letztendlich für den Rückbau gestimmt hat, aber die Mehrheitsverhältnisse sowie die Tatsache, dass auch der Bräunlinger Bürgermeister zur CDU gehört, lassen mich vermuten, dass zumindest Teile der Bräunlinger Christdemokraten hinter dem Beschluss stehen.
Das ist unverständlich und falsch. Ich hoffe, dass im BUSS-Ausschuss, im OB-Büro oder in der Stadtverwaltung in den nächsten Wochen doch noch die Vernunft Einzug hält und die Bräunlinger Bürger nicht weiter für ihr Engagement bestraft werden. Juristisch mag dies zwar möglich sein (Stadtbild, Schwarzbauten…), ökologisch wie ökonomisch ist es jedoch blanker Unfug. Sollte der Rückbau erzwungen werden, wird damit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der private Solar-Interessenten deutlich abschrecken könnte.
Vielen Dank an Andy vom EnergyNet-Blog und Erhard Renz vom Ralos-Blog für die beiden Hinweise auf dieses wichtige Thema.
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