Der designierte Obama-Vize hat vor einer Gruppe Wahlkampfspender in Sheraton-Hotel in Seattle darüber gesprochen, was den USA in den nächsten Jahren bevorsteht: Ein Sieg von Obama bei den Präsidentschaftswahlen, eine künstlich herbeigeführte internationale Krise(!), die den neuen Präsidenten auf die Probe stellen wird, unpopuläre und harte Entscheidungen – und massiv abstürzende Umfragewerte.
Da ich aus Bidens Rede nicht schlau werde, gebe ich die interessantesten Passagen – wie sie von Matthew Jaffee von ABC News aufgeschnappt wurden – mal unkommentiert wieder:
“Mark my words – it will not be six months before the world tests Barack Obama like they did John Kennedy. The world is looking. We’re about to elect a brilliant 47-year-old senator president of the United States of America. Remember I said it standing here if you don’t remember anything else I said. Watch, we’re gonna have an international crisis, a generated crisis, to test the mettle of this guy.”
“And he’s gonna need help. And the kind of help he’s gonna need is, he’s gonna need you – not financially to help him – we’re gonna need you to use your influence, your influence within the community, to stand with him. Because it’s not gonna be apparent initially, it’s not gonna be apparent that we’re right.“
“I promise you, you all are gonna be sitting here a year from now going, ‘Oh my God, why are they there in the polls? Why is the polling so down? Why is this thing so tough?’ We’re gonna have to make some incredibly tough decisions in the first two years. So I’m asking you now, I’m asking you now, be prepared to stick with us. Remember the faith you had at this point because you’re going to have to reinforce us.”
“There are gonna be a lot of you who want to go, ‘Whoa, wait a minute, yo, whoa, whoa, I don’t know about that decision’. Because if you think the decision is sound when they’re made, which I believe you will when they’re made, they’re not likely to be as popular as they are sound. Because if they’re popular, they’re probably not sound.”
Was genau will Biden uns hier sagen? Dass Barack Obama seiner Ansicht nach die Wahl gewinnen wird – soweit klar. Dass es in den ersten sechs Monaten seiner Präsidentschaft eine künstlich herbeigeführte, internationale Krise geben wird, mit der die Obama-Biden-Administration auf die Probe gestellt werden soll? Dass der Kurs der Regierung in dieser Krise anfangs falsch erscheinen wird, sich später aber als richtig herausstellt? Dass extrem harte und unpopuläre Entscheidungen getroffen werden müssen, die dazu führen werden, dass Obama und die Demokraten in den Umfragewerten massiv abstürzen? Entscheidungen, die sogar von den eigenen Unterstützern kritisiert und in Frage gestellt werden?
Im bundesdeutschen Wahlkampf würden mich solche Aussagen – egal von welcher Partei – durchaus beunruhigen, vor allem, da die Krise zwar angekündigt, aber nicht benannt wird (Biden erging sich offenbar nur in vagen Andeutungen über Pakistan, Russland und ein strukturelles Problem in der US-Wirtschaft). Im US-Wahlkampf ist “fearmongering” ja nicht unbekannt (insbesondere beim Reizthema “Terrorismus” geht), aber dass so konkrete und zugleich unklare Aussagen über die nahe Zukunft gemacht werden, das scheint mir doch etwas neues zu sein…
Womit um alles in der Welt rechnet Biden in den ersten sechs Monaten nach der Wahl – und welche extrem unpopulären Entscheidungen werde da bereits vorbereitet?
Update: Wer den Wahlkampf mitverfolgt, dem ist sicher nicht entgangen, dass Colin Powell, Republikaner und Mitglied der ersten Administration des zweiten Bush, sich inzwischen hinter die Kandidatur von Barack Obama gestellt hat. In dem Interview mit Tom Brokaw von MSNBC scheint er zudem ebenfalls anzudeuten, was auch Joe Biden angedeutet hat: Dass eine heute noch unbekannte Krise bereits recht kurz nach Obamas (inzwischen ja sehr wahrscheinlicher) Amtseinführung die öffentliche Aufmerksamkeit beanspruchen wird. Er nennt sogar ein Datum – den 21. oder 22. Januar 2009 (zwei Tage nach Amtseinführung):
Die entscheidenden Sätze fallen bei 2:35:
“The problems will always be there and there’s going to be a crisis which will come along on the 21st, 22nd of January that we don’t even know about right now. So I think what the President has to start to do is to start using the power of the Oval Office and the power of his personality to convince the American people and convince the world that America is solid, that America is going to move forward, we are going to fix our economic problems, we’re going to meet out overseas obligations.”
Wenn das nicht hervorragendes Futter für alle professionellen Verschwörungstheoretiker ist: Sowohl Biden als auch Powell deuten hier ganz klar an, dass eine schwere Krise noch in der ersten Jahreshälfte (Biden: “first six months of presidency”) die USA erschüttern wird (nicht könnte) – und während Powell sogar ein konkretes Datum nennt, ergeht sich Biden in Andeutungen über Pakistan und Entscheidungen, die vielen falsch vorkommen werden.
Wie passt das zusammen – was sagen die Leser? Stimmt ihr Ali zu, dass Biden sich hier bloss ungeschickt ausdrückt und rhetorisch “in den Fuß schießt”? Oder könnte es sein, dass beide auf eine tatsächliche und von ihnen erwartete Krise anspielen (beispielsweise das Platzen der Kleinkredite-Blase)? Ich bin jedenfalls nach wie vor verwirrt von diesen Aussagen.
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