In Berlin bemüht sich die Politik gerade mal wieder darum, die Wahlmüdigkeit der Bürger zu steigern: Der FDP-Fraktionsvorsitzende will Hartz IV-Empfänger auf Rattenjagd schicken.
Immer wenn man denkt, es könnte einen nichts mehr überraschen:
Der Fraktionsvize der Berliner FDP hat mit der Forderung für Empörung gesorgt, arme Menschen sollten sich mit dem Töten von Ratten etwas dazu verdienen. “Vor allem Leute, die sonst auch Flaschen sammeln, könnten dann für jede tote Ratte einen Euro bekommen”, sagte der FDP-Chef des Berliner Bezirks Mitte und stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Henner Schmidt, dem “Berliner Kurier”. Einen entsprechenden Antrag will die FDP demnach am Donnerstag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Mitte einbringen.
Man fragt sich wirklich, was sich Henner Schmidt, dessen Name nun vermutlich auf ewig mit dem Begriff “Rattenjagd” verknüpft werden wird, während des Ideenfindungsprozesses bloss gedacht haben mag? Dass man es mit einem solchen Vorschlag garantiert in die Schlagzeilen schafft? Oder dass es für derartige Ideen tatsächlich Beifall geben könnte?
Bemerkenswert ist auch, wie Schmidt sich das Prozedere vorstellt:
„Ein paar Hundert Leute sollten einen engen Kreis bilden und gleichzeitig sollten die Nager aus den Blumenkisten und anderen Verstecken aufgescheucht werden.”
Wie es dann seiner Meinung nach weitergehen soll, sagt Schmidt leider nicht. Mit dem Fuß auf die Ratten treten oder sie mit der Gartenharke zur Strecke bringen? Seit wann werden denn Ratten von ganzen Hundertschaften durch die Straße getrieben? Rodentizide gibt es doch schon seit den 50er Jahren…
Wieder mal das eigentlich unsinnige Negativ-Image der kaltherzigen Manager-Partei zementiert. Mal ehrlich: “Hartz IV-Empfänger lesen Blinden Menschen für einen Euro die Tageszeitung vor.” Oder: “Hartz IV-Empfänger führen für einen Euro Artenzählungen im Stadtwald durch”. Es ist ja nicht so, dass es keine zumindest diskutablen Vorschläge gäbe, mit denen dem Gemeinwohl gedient wäre, ohne dass gleich auf der persönlichen Würde der Leistungsempfänger herumgetreten werden müsste. Aber: “Hartz IV-Empfänger gehen für einen Euro in Hundertschaften auf Rattenjagd”? Das muss doch wirklich nicht sein…
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Gegenvorschlag des Pressesprechers vom “Erwerbslosen Forum Deutschland”, Martin Behrsing, die Arbeitslosen sollten statt der Jagd nach Ratten lieber auf die Jagd nach FDP-Politikern geschickt werden, natürlich ebenso unterirdisch ist – auch wenn man Behrsing wohl zumindest zugute halten darf, dass es ihm damit nicht ernst ist.
Liest sich eigentlich in Berlin noch jemand die Pressemitteilungen durch, bevor sie in den Verteiler kommen, oder wird jedes unqualifizierte Statement gleich ungefiltert verbreitet?
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