Man ist bei “Fringe” schon fast versucht, “Anti-Wissenschafts-Serie” zu schreiben. Bereits der Trailer lässt Böses ahnen, geht es doch wieder einmal darum, wie irre und skrupellose Wissenschaftler ohne Rücksicht auf Verluste gentechnische Experimente durchführen.

“Wissenschaft und Technologie haben sich in den letzten Jahren geradezu exponentiell weiterentwickelt. Es liegt nun nicht mehr in unserer Hand, sie zu regulieren oder zu kontrollieren.”

Na, wenn das kein Aufmacher ist. Wie aus den diversen einschlägigen Webforen zu erfahren ist, geht es bei der Serie um medizinische Experimente und Gentechnik-Versuche, vermischt mit allerlei pseudowissenschaftlichen Elementen wie Hellseherei und Gedankenleserei. Die “bösen” Wissenschaftler führen im Auftrag eines skrupellosen Pharma(?)-Konzerns illegale Experimente überall auf der Welt durch und töten dabei unschuldige Menschen am laufenden Band – all das offenbar im Namen eines schrecklichen “wissenschaftlichen Fortschritts”.

Glaube ich, dass die Produzenten anti-wissenschaftliche Ängste schüren wollen? Nein – das sicher nicht. Was ich aber glaube ist, dass hier wieder mal ganz bewusst die diffusen Ängste vor wissenschaftlichen Entwicklungen als Backstory missbraucht werden, die sich eben nicht in 20 Sekunden erklären lassen.

Und wie man der Chicago Sun Times entnehmen kann, setzen die Entwickler auch gezielt darauf, dass das Gezeigte als echte “Wissenschaft” oder zumindest als der Wissenschaft zugehörige Grenzwissenschaft verstanden wird:

The show’s title comes from fringe science, a very real field of study that ignores traditional scientific theories in favor of speculative ones that can’t be tested and confirmed by current technology. There’s a thin line between science and science fiction, it seems. Both the atom and plate tectonics were considered theories of fringe science at one point and have subsequently been proven.

Allein über den ersten Satz könnte man sich aus wissenschaftstheoretischer Sicht geradezu ereifern. Er zeigt mehr als deutlich, dass die Schreiber offenbar nicht einmal den Begriff “Wissenschaft” richtig zu deuten verstehen…

Mal ehrlich: Gibt es denn in Hollywood keine neuen Ideen mehr? Müssen es immer die völlig skrupellosen, durchgeknallten Wissenschaftler sein, die über Leichen gehen um was genau zu erreichen? Die Weltherrschaft? Oder Ergebnisse, die nie irgendwo veröffentlicht werden düften? Für die es niemals Anerkennung in irgendwelcher Form geben könnte? Und was soll nur dieses ständige Vermischen von Forschungsgebieten wie der Gentechnik mit abstrusem Hokuspokus wie Gedankenleserei und Levitation?

Eine TV-Serie im Stil von Contact wäre vermutlich zuviel verlangt. Aber muss es denn immer der gleiche Mist mit Wissenschaftlern als verrückten Mördern sein? Welches Vorstellung von Wissenschaft wird durch solche TV-Serien bloß in der Öffentlichkeit propagiert?

Kommentare (6)

  1. #1 isnochys
    19. Dezember 2008

    Die erste Folge geht noch..was danach kommt ist ein wahrer Graus..
    Auf einmal ist die Wissenschaft zwar böse, kann aber alles für die Guten erreichen. Wirklich schräges Zeugs.
    Ich hab nach 9 Folgen aufgegeben..

  2. #2 Ludmila
    22. Dezember 2008

    Typischer J.J. Abrahams.

    *Uh* Wissenschaft könnte unsere Vorstellungskraft übersteigen?*Oh Gott, wie schrecklich!*

    *verächtlich schnaub*

    Nur mal so eine kurze Ansage. Genau das macht Wissenschaft aus. Dass sie Dinge erforscht und entdeckt, die wir bis dahin uns noch nicht mal vorstellen konnten.

    Wissenschaftler reagieren angesichts des Unbekannten mit einem “Faszinierend!”, um mal meine Lieblingsfigur aus einer anderen Fernsehserie zu zitieren. J.J. Abrahams reagiert anscheinend mit Panik und Paranoia. Auch ne Antwort, aber in meinen Augen eine ziemlich erbärmliche, kurzsichtige und extrem ungerechte. Wissenschaftler sind in diesem Weltbild keine Menschen. Sie sind bestenfalls böse Übermenschen.

  3. #3 Ronny
    30. Dezember 2008

    Ich frage mich nur immer wie das dann dazu passt, dass in den Hollywoodfilmen die ach so bösen Wissenschaftler dann meist von den netten Schurken alle erschossen werden 🙂 Oder vom Geheimdienst.

    @Ludmilla
    Du musst das so sehen, viele Menschen haben Angst vor Erklärungen weil du damit ihr liebgewonnenes und sicheres Weltbild zerstörst.

  4. #4 Wolfgang Flamme
    11. Januar 2009

    “Und wie man der Chicago Sun Times entnehmen kann, setzen die Entwickler auch gezielt darauf, dass das Gezeigte als echte “Wissenschaft” oder zumindest als der Wissenschaft zugehörige Grenzwissenschaft verstanden wird”

    Hör Dir doch mal an, wie ungemein kritisch man sich beim Wissenschaftsmagazin Nature zu den ‘X-Akten’ äußert:

    https://www.nature.com/nature/podcast/index-2008-08-07.html
    11:20 X Files: The Movie

  5. #5 andrejo
    16. Januar 2009

    Da ich kein Wissenschaftler bin und noch nicht einmal studiert habe (ja, sowas gibt es wirklich), ängstigen mich die Folgen, die der Umgang mit der Gentechnik durch große Konzerne zeitigt.
    Warum? Man bastelt nach Gutdünken an Lebewesen herum (egal ob Pflanze oder Tier) und kann deren Aus- und Verbreitung in der Natur nicht kontrollieren. Oder wie sonst kann es sein, dass Gentech-Rückstände beispielsweise in Honig nachweisbar sind, oder Gen-Raps und Gen-Mais sich trotz gegenteiliger Behauptungen auskreuzen. Passiert das, weil man es nicht beherrschen kann, oder einfach nicht will (wobei wir beim Thema skrupellose Konzerne und den bei ihnen arbeitenden Wissenschaftlern sind).
    Kann man wirklich alle Menschen, die sich um die Gesundheit künftiger Generationen sorgen, als einfältige Idioten hinstellen und tut man damit der Wissenschaft etwas gutes?
    Mag sein, dass die Filmemacher mit dem was sie da verbrechen nur Panik schüren wollen und letztlich bloß Geld verdienen. Richtiger wird es dadurch selbstverständlich nicht.
    Das wollen die Genkonzerne aber auch – Geld verdienen. Oder möchte hier in diesem erlauchten Kreis wirklich jemand behaupten, die Konzerne täten etwas nicht um des Gewinns oder des Shareholder Values willen? Ich mag zwar ein einfacher und relativ ungebildeter Mensch sein. Aber was auf meinem Teller landet und was ich esse, das möchte ich immer noch selber bestimmen, obwohl das in der heutigen Zeit schon schwer genug ist. Und wenn ich keinen Genfraß mag, dann erwarte ich, daß man meinen Wunsch enbtsprechend respektiert. Da stößt es mir schon ziemlich sauer auf wenn ich, obwohl ich es nicht will, eventuell doch mit gentechnisch verunreinigten Nahrungsmitteln “beglückt” werde, weil sich das eben nicht verhindern lässt und ja nur dem Wohle der Menschheit dient! Wer´s glaubt.
    Zwangsrettung der Menschheit sozusagen als Kollateralschaden der Gentechnik? Das ich nicht lache!

    liebe Grüße von andrejo

  6. #6 Christian Reinboth
    19. Januar 2009

    @andrejo: Es ist ja nicht delegitim, sich wegen der Gentechnik Sorgen zu machen oder über mögliche ethische Grenzen nachzudenken. Die Sorgen, die man sich macht, sollten aber schon auf einer einigermaßen vernünftigen Grundlage fußen und nicht bloss auf Angst und Mißtrauen vor etwas Neuem. Ich beispielsweise mache mir Sorgen, weil Konzerne wie Monsanto genverändertes Saatgut auf den Markt werfen, das jedes Jahr neu gekauft werden muss, weil man kein Saatgut mehr von der Ernte einbehalten kann. Das ist ein Problem, denn was passiert, wenn kein Geld mehr aufgebracht werden kann?

    Was ich dagegen nicht gut finde, ist billige Panikmache mit dem Image vom Wissenschaftler als bösem Dr. Frankenstein, der permanent gegen alle möglichen ethischen und moralischen Grenzen anrennt, weil es einfach in seiner Natur liegt. Wenn Abrahams eine Gentechnik-kritische Serie machen will, soll er sich ruhig der Monsanto-Problematik annehmen, oder sich von mir aus mit der Frage befassen, ob es moralisch vertretbar ist, Kinder mit Schäden am Erbgut gar nicht erst zur Welt kommen zu lassen. Das würde natürlich keine Ratings bringen, daher wird hier mal wieder das hinterletzte Klischee vom moralvergessenen Wissenschaftler bedient, der im Namen der Forschung über eine Leiche nach der anderen steigt…