Ich finde es persönlich immer großartig, wenn in einer Stadt oder Kommune etwas getan wird, um naturwissenschaftliches Interesse zu fördern. In Wernigerode gibt es zu diesem Zweck unter anderem einen Planetenweg – der leider regelmäßig von Vandalen besucht wird.

Als Planetenweg bezeichnet man in der Regel einen speziellen Wanderweg, bei dem entlang der Route ein maßstabsgerecht verkleinertes Modell des Sonnensystems zu finden ist. Wer am Ausgangspunkt – der Sonne – startet, erreicht beim üblicherweise verwendeten Maßstab von 1:1 Milliarde nach etwa 50 Metern bereits den Merkur. Bis zum Pluto sind dann etwa 6 Kilometer Strecke zurückzulegen, wobei der astronomisch vorgebildete Spaziergänger seit 2006 natürlich beim Neptun abbricht…

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Der Planetenweg in meiner Wahlheimat Wernigerode – dieser ebenfalls im Maßstab von 1:1 Milliarde – ist aus mehreren Gründen zu empfehlen. Erstens führt einen der Weg durch die äußerst sehenswerte, mittelalterliche Innenstadt sowie den wunderschönen Wildtierpark im Christianental. Zweitens endet der Gang am Harzplanetarium – dem einzigen Planetarium im gesamten Harz. Und drittens sind die einzelnen Planeten-Stationen wirklich nett gestaltet – inklusive astronomischer Informationen und Schautafel des Sonnensystems (für den “Sie befinden sich hier!”-Effekt). Alles in allem ein schönes Stück “Astronomie zum Anfassen”.

Leider gibt es auch einen Wehrmutstropfen, denn inzwischen sind viele der Stationen leider mit Schmierereien überzogen oder anderweitig beschädigt:

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Nicht einmal die “Sonne” blieb verschont:

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Bei mir stellt sich in solchen Situationen immer die Frage nach dem Warum. Was hat irgendwer davon, einen so nett gestalteten Wanderweg immer und immer wieder neu zu beschädigen? Warum ist es nicht möglich, dass ein Vater (oder eine Mutter) am Wochenende mit Sohn (oder Tochter) den Planetenweg abwandert und ein paar Weisheiten über das Universum verbreitet, ohne an jeder Station erklären zu müssen, was das “F*** D***” auf der Planetenkarte bedeutet? (Der Merkspruch: “Mein Vater erklärte mir jeden Sonntag unsere neun Planeten” ist zwar inzwischen überholt, sicher aber noch vielen im Gedächnis…)

In anderen Worten: Cui bono – wem nützt es?

10.000 Euro steckt unsere Stadt jedes Jahr in die Beseitigung solcher Schmierereien, ganz zu schweigen von den Aufwendungen durch Wohnbaugenossenschaften und Privatbesitzer, die ebenfalls regelmäßig in die Tasche greifen müssen, um irgendwelche selten dämlichen Sprüche und Parolen von den Wänden entfernen zu lassen. Wenn ich nur daran denke, wofür man so viel Geld alternativ ausgeben könnte, stellen sich mir glatt die Nackenhaare auf.

Was für eine Verschwendung…

Auf meinem Weg ins Büro begegnen mir inzwischen jeden Tag nicht nur beschädigte Planetenstelen, sondern auch umgetretene Baumpflanzungen vor der Grundschule, besprühtes Fachwerk aus vergangenen Jahrhunderten etc. pp. Immer öfter frage ich mich dann, warum es die Gesellschaft einfach so hinnimmt, dass all dies geschieht. Liegt es nur daran, dass es vielfach kein Privateigentum trifft? Oder ist es einfach das mangelnde Interesse, das für diese scheinbare Gleichgültigkeit sorgt? Sind den meisten von uns diese Dinge inzwischen schon so egal, dass ihre Zerstörung keinen Aufstand mehr wert ist?

Sehr schade, auch wenn es dank youTube zum Glück Alternativen gibt:


Andere Planetenwege in Deutschland:

Kommentare (16)

  1. #1 florian
    26. Februar 2009

    In Jena wird anläßlich des IYA auch gerade ein Planetenweg eingerichtet. Ich hoffe, dem ist ein besseres Schicksal beschieden – aber irgendwie bin ich da skeptisch…

  2. #2 Schmetter-Ling
    26. Februar 2009

    Als Hundebesitzer sehe ich eine starke Analogie zwischen derartigen Graffitis und dem Reviermarkieren eines Hundes. Allerdings sagt eine Hund in etwa folgendes:
    “Ich war hier, habe dies und das gegessen, bin gesund und läufig.” Ein “Graffitikünstler” äußert nur: “Ich gebe Geld aus, um alle wissen zu lassen, dass fremde Leistung mir völlig egal ist, nur ich zähle.” Narzisstisch bis zum Geht-nicht-mehr.

  3. #3 Florian Freistetter
    26. Februar 2009

    Hab mir grade nochmal das Sonnenbild angesehen: Kann man nicht die Graffiti-“Künstler” engagieren, dass sie die jeden Tag neu gelb ansprühen und dann die jeweils für den Tag passenden Sonnenflecken draufsprayen? So hätten sie was zu tun und lernen auch gleich noch ein bisschen Astronomie dabei 😉

  4. #4 Ronny
    26. Februar 2009

    Meine Theorie: Ich bin zu blöd etwas kreatives zu machen, also zerstöre ich.
    Oder die allgemeingültige Aussage: Wenn etwas zu klein ist muss ich versuchen es durch Taten größer scheinen zu lassen (für ‘klein’ kann man vieles einsetzen).

  5. #5 Christian Reinboth
    26. Februar 2009

    @Florian: Pädagogisch wertvoll, gefällt mir…

  6. #6 Ludmila Carone
    26. Februar 2009

    In New York haben sie das Problem in den Griff gekriegt, indem sie jede Schmiererei sobald möglichst aus den U-Bahnen entfernt haben. Ist anfangs nervig und teuer, weil man wirklich jeden Tag ausrücken muss, um das Gekrakel zu entfernen.

    Aber anscheinend vergeht den jugendlichen Vandalen irgendwann die Lust am “Verzieren”, wenn ihre Schmierereien kaum einer mehr sieht.

    Wie wäre es denn mit einem Bürgerclub aus Anwohnern und Interessierten, die jeden Tag nach dem Rechten sehen und bei Bedarf sauber machen?

    Wobei man dann hoffentlich die Jugendlichen nicht dazu übergehen, Zeichen ins Material zu ritzen. Das finde ich so richtig asozial, weil man dann wirklich alles austauschen darf.

    Zur Motivation: Das ist einfach typisches pubertäres Gehabe. Testen wie weit man gehen kann und eine gute Portion Langeweile. Wenn man die Jugendlichen nicht beschäftigt, dann braucht es einen nicht zu wundern, wenn die Mist bauen. Und da kaum einer einschreitet, wenn er in Aktion sieht, wenn mal was beschädigt wird… Geht einen nichts an und könnte ja gefährlich werden. Und wird es leider auch ab und an.

  7. #7 Shin
    26. Februar 2009

    iegt es nur daran, dass es vielfach kein Privateigentum trifft?

    Ja. Was allen gehört, gehört keinem, da fallen viele Skrupel weg. Oder aber die Vandalen sind irgendwelche Möchtegern-Anarchisten, wie offenbar bei dem ersten Bild, und haben ohnehin keinen Respekt vor anderer Leute Eigentum. Ich hatte mit 14-15 auch mal so eine Phase, das ging aber zum Glück recht schnell vorüber.

    Wie wäre es denn mit einem Bürgerclub aus Anwohnern und Interessierten, die jeden Tag nach dem Rechten sehen und bei Bedarf sauber machen?

    Finde ich eine gute Idee, aber hierzulande ist sowas vermutlich schwer auf die Beine zu stellen. Da erwarten die meisten, dass Papa Staat sich um darum kümmert.

  8. #8 Christian Reinboth
    26. Februar 2009

    @Shin: Passend zum Thema “Privateigentum” diese aktuelle Meldung aus unserer regionalen Tageszeitung:

    Durch einen aufmerksamen Bürger wurde der Polizei am Dienstag gegen 22. 25 Uhr gemeldet, dass Jugendliche in der Minslebener Straße Außenspiegel von Autos abtreten. Noch während des Telefonats mit dem Zeugen flüchteten die Randalierer in Richtung Kohlgartenstraße, wurden aber kurz darauf auf Höhe des Sportplatzes von Polizisten gefasst. Es handelte sich dabei um drei polizeibekannte Wernigeröder ( 17, 18 und 29 Jahre ). In der Minslebener Straße wurden drei beschädigte Autos festgestellt. Wer von den drei Tatverdächtigen zur Verantwortung gezogen wird, wird noch ermittelt.

    https://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/lokalausgaben/wernigerode/?em_cnt=1333279

    Drei Sachbeschädiger sofort gefasst. Aber da ging es eben auch um Autos. Glaube kaum, dass sich viele Leute die Mühe machen würden, zum Telefon zu greifen, wenn es um die Bepflanzung oder den Planetenweg geht. Das gehört eben allen und keinem…

    Wobei 17, 18 und 29(!) Jahre für gelangweilte Jugendliche jetzt schon ein recht hohes Alter ist. Da fragt man sich, auf welcher Entwicklungsstufe diese Menschen stehengeblieben sind, oder was in ihrem Leben schiegelaufen sein muss, dass sie mit ihrer Zeit nichts besseres anzufangen wissen…

  9. #9 Chris
    27. Februar 2009

    Hm, mal ganz dezent gefragt, bist Du wirklich der Meinung, die würden ihre Tags nicht drauf schmieren, weil es was “Wissenschaftliches” ist? Es wird alles markiert, AUCH ein Planetenpfad. Wieso sollte der einen Sonderstatus haben?

    Wenn man die Jugendlichen nicht beschäftigt
    sagte Ludmila richtig. Denn wenn die Politik immer weiter die Mittel kürzt, suchen sich die Jugendlichen ihre Beschäftigungen selbst, und das kommt dabei raus.

  10. #10 Christian Reinboth
    27. Februar 2009

    @Chris:

    Hm, mal ganz dezent gefragt, bist Du wirklich der Meinung, die würden ihre Tags nicht drauf schmieren, weil es was “Wissenschaftliches” ist?

    Nein, so naiv bin nicht mal ich. Ich vermute aber, dass der soziale und öffentliche Druck geringer ausfällt, wenn es was “wissenschaftliches” trifft. Es interessiert wohl leider einfach weniger Leute…

    Denn wenn die Politik immer weiter die Mittel kürzt, suchen sich die Jugendlichen ihre Beschäftigungen selbst, und das kommt dabei raus.

    Das würde ich nun wieder nicht unterschreiben, auch wenn mir schon klar ist, was Ludmilla damit ausdrücken wollte. Die meisten Vandalen hier sind aber nicht 12 oder 14, sondern 18, 20 oder noch älter – und in dem Alter sollte man sich schon so weit unter Kontrolle haben, dass man nicht mehr aus lauter Langeweile Dinge zerstört.

    Ich befürchte, dass hier grundlegende soziale und erzieherische Dinge schieflaufen, die man nicht einfach mit “mehr Geld” wieder ausbügeln kann. Nebenbei bemerkt gibt es in Wernigerode durchaus interessante Freizeitangebote für Jugendliche, die ja aber von dieser speziellen Zielgruppe offenbar nicht angenommen werden. Vielleicht könnte man denen ja noch etwas anderes anbieten, ich bin aber nicht der Ansicht, dass man junge Erwachsene permanent “bespaßen” und unterhalten muss, bloss damit sie sich nicht am Eigentum Dritter oder der Allgemeinheit vergreifen…

  11. #11 Chris
    27. Februar 2009

    ich bin aber nicht der Ansicht, dass man junge Erwachsene permanent “bespaßen” und unterhalten muss, bloss damit sie sich nicht am Eigentum Dritter oder der Allgemeinheit vergreifen…
    Es geht weniger um das Beschäftigen, sondern um das Vermitteln von Werten. Die Beschäftigung ist nur ein Aspekt. Wenn das Elternhaus versagt und keine Vereine, Pfadfinder & Co. den Kindern Werte vermitteln (können), dann machen sie es selbst, oder versuchen es.

  12. #12 Ludmila Carone
    27. Februar 2009

    Na ja, das Alter 18, 20 und älter ist schon wieder eines, wo eigentlich junge Erwachsene in der Ausbildung bzw. im Berufsleben stehen sollten. Damit ist man normalerweise zu ausgelastet, um solchen Mist zu bauen.

    Da tut sich dann auch ein gut Teil Perspektivlosigkeit auf, die dann natürlich auch in Aggression umschlägt. Mit Bespaßung ist es dann schon nicht mehr getan, andererseits kann man nun nicht jeden zu seinem Glück tragen. Und es kann und darf nicht Aufgabe des Staates sein, Erziehungsmaßnahmen zu übernehmen.

    Ich hab im Betrieb meines Mannes nun schon ein paar junge Erwachsene erlebt, die ihr Leben trotz vielfältiger Fördermaßnahmen einfach nicht auf die Reihe kriegen und auch keinen Antrieb verspüren, da was zu ändern. Die stammen dann auch oft aus Familien, die schon über eine Generation am Tropf der Sozialhilfe hängen und es gar nicht anders kennen. Lass mal eine Sucht hinzukommen und dann ist es ganz vorbei.

    Glücklich sind die nicht, normale Fördermaßnahmen greifen nicht, weil die deren Unselbständigkeit nur noch weiter fördern. Was ist die Alternative? Wegsperren? das Risiko eingehen, dass die in der Gosse landen oder Schlimmeres? Wobei selbst das manchmal nicht zu helfen scheint. Und ich weiß, wovon ich rede. Einen unserer Azubis haben sie Heiligabend sturzbetrunken von der Straße geholt und zur Reha zwangsgeschickt. Nach einem Monat folgte der Rückfall in die Alkoholsucht.

    Zwei kleine Kinder hielten den Mann einer Mitarbeiterin nicht auf, das Geld für Strom und Gas zu unterschlagen, mit dem Ergebnis, dass die Familie fast ohne Strom Weihnachten hätte verbringen müssen. Die Frau hat sich von ihm getrennt, die Polizei fandet nach ihm, weil er die Bewährungsauflagen verletzt hat, kuriert ihn all das von seiner Spielsucht? Merkt er endlich, dass er so sein Leben nicht führen kann? Macht ihn das glücklich? Nein, nein und nein und dennoch schafft er es nicht, da rauszukommen. Und Therapieangebote hatte er schon beim letzten Knastaufenthalt.

    Ich weiß es doch auch nicht. Was bleibt, ist große Rat- und Hilflosigkeit.

  13. #13 Chris
    27. Februar 2009

    @Ludmila
    Jetzt kommen wir aber etwas vom Thema ab? Um was es mir ursprünglich ging, ist die “nachhaltige” Bedeutung der Jugendarbeit, von wem auch immer sie kommt. Wenn ich den Kindern keine Werte und Regeln beigebracht habe, dann kann man sich über letztlich auch Deine Beispiele nicht wundern. Das haben ja traurigerweise die Rechten erkannt und versuchen, sich an Schulen den Nachwuchs zu sichern. Aber das driftet jetzt wirklich zu sehr ab.

  14. #14 Bernhard Kletzenbauer
    5. Juli 2009

    Ich habe auf meiner Homepage “Zeitlichtung” in einer Deutschlandkarte alle mir bisher bekannten Planetenwege eingetragen. (In letzter Zeit komme ich nicht mehr dazu, die Karte zu aktualisieren.)
    Einige Planetenwege wurden schon dermaßen zerstört, daß man sie nicht mehr aufbaute. Vom Weg in Greetsiel fand ich bisher keine Darstellung wie er damals überhaupt aussah.
    Wenn man die Täter der Schmierereien fasst, sollten sie zur Strafe ihren eigenen Dreck-, und den von anderen Sprayern in der Umgebung, beseitigen müssen. Dann werden sie es sich später besser überlegen, ob sie noch mal sprühen.

  15. #15 Christian Reinboth
    6. Juli 2009

    @Bernhard Kletzenbauer: Vielen Dank für den Link auf die sehr hübsch gestaltete Karte. Hätte gar nicht vermutet, dass es in Deutschland so viele Planetenwege gibt – eine schöne Sache. Die Zerstörungen sind natürlich zu bedauern, wie man am besten dagegen vorgehen kann, ist ja aber auch hier in den Kommentaren ohne ein endgültiges Ergebnis recht kontrovers diskutiert worden. Die Ausgangslage gestaltet sich zumindest als schwierig, da ein juristisches Mittel, jemandem zur persönlichen Entfernung von ihm verursachter Schmierereien zu verpflichten, meines Wissens nach nicht existiert. Allenfalls kann eine professionelle Firma mit der Reinigung beauftragt und die Rechnung anschließend dem Verursacher zugestellt werden. Wenn es sich dabei aber um einen Minderjährigen handelt…

  16. #16 Bernhard Kletzenbauer
    8. Juli 2009

    @Christian
    Im Jugendstrafrecht gibt es öfters Urteile, bei denen die Täter zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert werden. Der Richter braucht nur “gemeinnützige Arbeit” etwas genauer zu beschreiben, und schon hat der Täter seine Schmierereien zu entfernen (zusammen mit einer Reinigungsfirma).