Über die vielfältigen negativen Auswirkungen von Lichtsmog habe ich in diesem Blog schon öfter berichtet. Welche spezifischen Schäden aber ergeben sich, wenn Straßenlampen an Flussufern aufgestellt werden?

Straßenlampen an Flussläufen, die sich durch besiedelte Areale ziehen, sind ja in naturnahen Gegenden wie dem Harz keine Seltenheit. Hier in Wernigerode werden zum Beispiel gleich mehrere Kilometer der Holtemme sowie des Zillierbachs während der Nacht teilbeleuchtet. Angesichts der vielfäligen ökologischen Negativ-Wirkungen von nächtlicher Beleuchtung lässt sich leicht vermuten, dass auch dicht am Ufer plazierte Straßenlampen Auswirkungen auf die aquatische Flora und Fauna haben könnten.

Besonders Insekten werden bekanntlich durch übermäßige Nachtbeleuchtung geschädigt: Bis zu 700m können manche Insektenarten durch eine einzige Lampe angelockt werden. Laut [1] werden im Sommer pro Nacht und pro Straßenlampe ungefähr 150 Insekten getötet, was sich alleine für Deutschland auf mehrere Billionen tote Insekten im Jahr hochrechnet, die in einer Vielzahl von Nahrungsketten und ökologischen Prozessen (Bestäubung) fehlen.

Für unsere Region – den Harz – ist die Frage nach den Auswirkungen von Nachtlicht auf aquatische Ökosysteme nicht unerheblich, da sich eine Vielzahl von Bächen und kleinen Flüssen durch das Mittelgebirge zieht, die aus dem Ostharz kommend in die Elbe, aus dem Westharz kommend in Leine, Aller und Weser münden. Der Grund für die für ein Mittelgebirge ungewöhnliche Anzahl an Gewässern sind die hohen Niederschläge (bis zu 1600mm in den Hochlagen) [2]. Viele dieser Flüsse verlaufen heute (wie eben auch die Holtemme und der Zillierbach) teilweise durch bewohntes und damit beleuchtetes Gebiet.

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Verschneiter Fischaufstieg am unbeleuchteten Abschnitt des Zillierbachs

Bedauerlicherweise existieren zur Auswirkung von Straßenbeleuchtung auf Fluss-Ökosysteme noch recht wenige Veröffentlichungen, einzig zur Wirkung von Straßenlampen auf aquatische Insekten finden sich zwei sehr interessante Publikationen von Mark Andreas Scheibe – seine Dissertation aus dem Jahr 2001[3] sowie ein längerer Artikel aus dem Jahr 2003, erschienen in der Zeitschrift “Natur und Landschaft”.

In beiden Veröffentlichungen geht es um ein spannendes Langzeitexperiment: Der Autor untersuchte über einen Zeitraum von drei Jahren den Zusammenhang zwischen Lichtfang und Schlupf, d.h. er beschäftigte sich mit der Frage, in welchem Ausmaß schlüpfende aquatische Insekten vom Licht einer Straßenlampe angelockt werden.

Verglichen wurde der Schlupf an unbeleuchteten Stellen mit dem Fang in der Nähe einer künstlichen Lichtquelle. Hierzu wurde eine OSRAM-Quecksilberdampflampe verwendet, d.h. die denkbar ineffizienteste und insektenschädlichste Form der Beleuchtung (die ja in vielen Städten und Kommunen durchaus noch eingesetzt wird, dank einer aktuellen Entscheidung der EU aber ab 2011 nicht mehr verwendet werden darf ).

Der Versuch ergab, dass manche Insektengruppen (darunter Eintagsfliegen, Steinfliegen und Kriebelmücken) vom Licht einer Straßenlampe kaum angezogen werden – in 24 Stunden schlüpften fanden sich am Standort der Lampe durchschnittlich gerade einmal so viele Insekten dieser Gruppen wie auf 3m Flussufer schlüpfen. Vollkommen andere Beobachtungen machte Scheibe jedoch für Köcherfliegen und Zuckmücken: hier schlüpften fanden sich in 24 Stunden am Standort der Lampe durchschnittlich so viele Insekten, wie sonst auf ganzen 1.300m(!) Flussufer schlüpfen.

(Nach berechtigter Beschwerde über die von mir gewählte Formulierung in den Kommentaren hier nochmal zur Klärung: Am Standort der Lampe schlüpfen nicht mehr Zuckmücken, die frisch geschlupften Zuckmücken von etwa 1.300m Uferlänge begeben sich aber nach dem Schlüpfen zum Standort der Lampe. Das Licht wirkt sich also natürlich nicht auf den Vorgang des Schlüpfens aus, auch wenn das letztendlich im Ergebnis keinen Unterschied macht: Der Schlupf von 1.300m Ufer wird von der einzelnen Lampe in Ufernähe sozusagen “abgegriffen”.)

Interessanterweise sind aber gerade die Zuckmücken von besonderer Bedeutung für viele aquatische Ökosysteme, denn sie stellen die mit Abstand zahlenmäßig größte Gruppe unter den aquatischen Insekten dar. Scheibe kritisiert zu Recht, dass sich viele der größeren Untersuchungen aquatischen Insektenlebens eher auf Eintagsfliegen oder Köcherfliegen konzentrieren, die heute weitaus besser erforscht sind als die Zuckmücken, obwohl ihr Anteil an der Biomasse deutlich geringer ist.

Neben Steinfliegen und Köcherfliegen sind es dann auch die Zuckmücken, die sich in besonders hohem Maße in den oft stark versauerten Bächen des Ober- und Hochharzes finden. Eintagsfliegen sind dagegen wenig säuretolerant und sind daher in den meisten Harzgewässern kaum vertreten [2].

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Zuckmücke (Quelle: https://www.entomart.de)

Zuckmücken stellen aufgrund ihres Anteils an der Biomasse eine wichtige Nahrungsquelle nicht nur für viele Vögel [4] sondern auch für die berühmte „Harzer Bachforelle” dar [5], bei der es sich eigentlich um die Steinforelle, eine Kümmerform der Bachforelle handelt. Neben der Groppe, der Elritze und der Schmerle, ist die Bachforelle einer der dominanten Fische in vielen Harzer Gewässern [2]. Die Bedeutung der Bachforelle für den Harz kann unter anderem daran ermessen werden, dass etliche Orte deren Silhouette im Wappen führen, darunter auch meine Wahl-Heimatstadt Wernigerode, wo sich ein eigens gegründeter Wildfisch- und Gewässerschutzverein dem Schutz des Wappentieres verpflichtet hat.

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Gut getarnte Bachforelle, aufgenommen von Stefan Weigel (Quelle: Wikipedia)

Die Zuckmücken gehören übrigens nicht zu den „blutsaugenden” Mücken – sie ernähren sich vorwiegend von Nektar und Honigtau. Als „Zuck”mücken (der wissenschaftliche Name lautet Chironomidae) werden sie wegen ihrer ständig zuckenden Vorderbeine bezeichnet. Die Bedeutung dieser Zuckungen ist – laut Wikipedia-Artikel – übrigens noch ungeklärt.

Bezüglich der Beeinflussung der Zuckmückenpopulation durch künstliches Licht kommt Scheibe zu dem Schluss, dass die…

„…gewonnenen Ergebnisse […] deutliche Trends [aufweisen], die durch die hohen Fangzahlen und den über drei Jahre hinweg durchgeführten (wöchentlichen) Fang unterstrichen werden. Es wird deutlich erwiesen, dass künstliche Lichtquellen in Fließgewässernähe einen erheblichen Eingriff in die aquatische Insektenfauna darstellen. Nach den durchgeführten Tests ist davon auszugehen, dass das Aufstellen von Straßenbeleuchtungen in Gewässernähe zu einer katastrophalen Artenverschiebung zu Ungunsten lichtempfindlicher Arten und damit zu einer Artenverarmung führen kann”.

Bemerkenswert an Scheibes Beobachtungen fand ich vor allem, dass ausgerechnet die beiden Maßnahmen, die in der Fachwelt als „insektenfreundlich” gelten und zur Reduktion der Lichtverschmutzung beitragen sollen, sich im Hinblick auf die Schädigung aquatischer Insekten als relativ wirkungslos erwiesen haben: Die seitliche Abschirmung der Lampen und die Verwendung von Natriumdampflampen anstelle von Quecksilberdampflampen.

Die seitliche Abschirmung bewirkt zwar, dass das Licht vom Ufer aus weniger deutlich wahrgenommen werden kann, sie reduziert jedoch nicht die Reflexion des Kunstlichts auf der Straße oder an parkenden Autos. Dies wiederum führt offenbar dazu, dass aquatische Insekten ihre Eier dort statt im Wasser ablegen, wo sie natürlich verloren sind. Für diesen Effekt gibt es Scheibe zufolge noch eine zweite Quelle [6], die ich jedoch im Internet nicht als Volltext auffinden konnte.

Auch die Verwendung von Natriumdampflampen, die aufgrund des von ihnen abgegebenen Lichtspektrums viele nachtaktive Insekten weniger stark anziehen, als die veralteteten Quecksilberdampflampen, bringt den aquatischen Insekten offenbar keine Erleichterung, weshalb Scheibe zu dem sehr pragmatischen Schluss gelangt, dass es für den Schutz aquatischer Ökosysteme vor Lichtsmog nur eine Lösung geben kann – nämlich die, auf Beleuchtung möglichst ganz zu verzichten.

Im Hinblick auf unser aktuelles AuLED-Projekt würde mich natürlich brennend interessieren, welcher Einfluss von LED-Licht auf aquatische Insektenpopulationen ausgeht, hierzu liegen offenbar aber noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Dies ändert sich möglicherweise, sobald die im Feldversuch in Düsseldorf durch Prof. Eisenbeis gewonnenen Ergebnisse veröffentlicht werden, über die ich natürlich im „Frischen Wind” berichten werde…


Primärquelle:

Scheibe, M.A.: Über den Einfluss von Straßenbeleuchtung auf aquatische Insekten, Natur und Landschaft, 78. Jahrgang (2003), Ausgabe 6, Bonn, Seite 264 – 267.

Weitere Quellen:

[1] [1]o.V.: Empfehlungen zur Vermeidung von Lichtemissionen – Ausmass, Ursachen und Auswirkungen für die Umwelt, herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern, 2005.

[2] Heitkamp, U: Fließgewässer des Westharzes – Umweltbedingungen und Fauna, Beilage zu natur & kosmos, Ausgabe vom Dezember 2003, München, ISSN 0947-9503.

[3] Scheibe, M.A.: Quantitative Aspekte der Anziehungskraft von Straßenbeleuchtungen auf die Emergenz aus nahe gelegenen Gewässern unter Berücksichtigung der spektralen Emissionen verschiedener Lichtquellen, Dissertation an der Universität Mainz, 2001.

[4] Becker, N.; Glaser, P. & Magin, H.: Biologische Stechmückenbekämpfung am Oberrhein, Festschrift zum 20jährigen Bestehen der kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schakenplage, 1996, ISBN 3-00-000584-6.

[5] Orendt, C. & Reiff, N.: Rote Liste gefährdeter Zuckmücken Bayerns.

[6] Kriska, G. et al.: Why do mayflies lay their eggs en masse on dry asphalt roads? Water-imitating polarized light reflected from asphalt attracts Ephemeroptera; Journal of experimental Biology 201 (15), 1998, Seite 273 – 286.

Themenverwandte Blogposts:

ResearchBlogging.org

Mark Andreas Scheibe (2003). Über den Einfluss von Straßenbeleuchtung auf aquatische Insekten Natur und Landschaft (6), 264-267

Kommentare (11)

  1. #1 mex
    12. März 2009

    Scheibe M. A.: Es wird deutlich erwiesen, dass künstliche Lichtquellen in Fließgewässernähe einen erheblichen Eingriff in die aquatische Insektenfauna darstellen. Nach den durchgeführten Tests ist davon auszugehen, dass das Aufstellen von Straßenbeleuchtungen in Gewässernähe zu einer katastrophalen Artenverschiebung zu Ungunsten lichtempfindlicher Arten und damit zu einer Artenverarmung führen kann

    In der Tat ein spannendes und vor allem komplexes Thema. Welche Bedeutung eine hierdurch mögliche qualitative und quantitative Änderung der Artenzusammensetzung auf ökosystemarer Ebene des Fließgewässers oder auch nur einem Teil bekommt, ist ein zeitfüllendes Betätigungsfeld. Wobei man hier wahrscheinlich eher sagen muss “bereits bekommen hat”, die anthropogen induzierten Lichtimmissionen gibt es nicht erst seit gestern.
    Sind Ergebnisse bekannt, ob eine Beeinflussung auch durch die photosynthetisch wirksame Strahlung künstlicher Lichtquellen, also Wirkung auf Algen als Nahrungsquelle der Larven, stattfindet?

  2. #2 Christian Reinboth
    12. März 2009

    @mex:

    Untersuchungen zur Wirkung auf Algen sind mir persönlich nicht bekannt, es gibt aber Erkenntnisse zur Wirkung auf Daphnien / Wasserflöhe:

    Diel vertical migration of Daphnia was significantly reduced in both amplitude (2 m lower) and magnitude (10-20% fewer individuals) by urban light pollution in a suburban lake. Reduced algal grazing by zooplankton at night in epilimnetic waters could potentially contribute to enhanced algal biomass in lakes and coastal waters near urban areas, thereby lowering water quality.

    Moore, M.; Pierce, S.; Walsh, H.; Kvalvik, S. & Lim, J.: Urban light pollution alters the diel vertical migration of Daphnia, Verh. Internat. Verein. Limnol. 27: 1-4, 2000.

    https://www.wellesley.edu/Biology/Faculty/Mmoore/Content/Moore_2000.pdf

  3. #3 Wolfgang Flamme
    12. März 2009

    Christian,

    die Methodik, die Du da beschreibst, kann ich in der Arbeit von Scheibe wirklich nicht finden.

    Ich habe die Arbeit so verstanden:
    Scheibe ermittelte durch Fangnetz-Stichproben, wieviele Wasserinsekten jeweils in der Uferzone schlüpften und verglich diese Zahl mit der Zahl der Insekten, die in diesem Zeitraum an der Lampe abgefangen wurden. So konnte er ungefähr abschätzen, wieviele laufende Meter Ufer(Schlupf-)zone diese Lampe durch ihre Anziehungskraft ‘abräumte’.

    Es geht bei dieser Methode also gerade nicht darum, daß im Umkreis der Lampe überdurchschnittlich viele Insekten geschlüpft wären – vielmehr wird davon ausgegangen, daß die Fangnetzergebnisse repräsentativ für das Schlüpfen entlang des gesamten Einzugsgebietes (und damit homogen verteilt) sind.

  4. #4 Christian Reinboth
    12. März 2009

    @Wolfgang Flamme:

    Die Methodik habe ich beim Lesen des Textes auch so verstanden, wie Du sie beschreibst. Wie aber die Abbildung 2 im Artikel zeigt, befinden sich die vier Emergenzzelte am Flussufer direkt neben der SITECO-Lampe, d.h. am gleichen Standort. Da es keinen Sinn ergeben würde, Zeltfänge und Lichtfänge am gleichen Standort parallel zu betreiben, habe ich die Methodik nach mehrfachem Lesen nun so verstanden, dass am gleichen Standort abwechselnd in den Zelten gefangen und dann “nach Leerung der Zelte” Lichtfang betrieben wurde.

    Korrekt ist, dass es nicht um das Schlüpfen an sich, sondern um das Anlocken der frisch geschlüpften Insekten geht, hier habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Natürlich schlüpfen in der Nähe der Lampe nicht mehr Insekten als anderswo, der frische Schlupf wird aber unmittelbar vom Licht der Lampe eingefangen und begibt sich zum Standort der Lampe. Das ist im Ergebnis natürlich das gleiche (der Schlupf von x Metern Bachufer landet sozusagen “in der Lampe”), der Ablauf ist natürlich aber ein anderer – erst schlüpfen die Insekten über das Ufer verteilt, danach erst begeben sie sich auf den Weg zur Lampe.

    Meine Formulierung ist so gesehen natürlich in der Tat missverständlich.

  5. #5 Wolfgang Flamme
    12. März 2009

    Christian,

    soweit also alles klar, bis auf den ‘Wechselbetrieb’, in dem ich keinen Sinn sehen kann. Auch: “Da es keinen Sinn ergeben würde, Zeltfänge und Lichtfänge am gleichen Standort parallel zu betreiben (…)”

    Nun, den Sinn gibt es IMO – die ganze Anordnung ist auf Versorgung mit Netzstrom angewiesen (Leuchte, Saugereinsatz). Im Freien kann man das schlecht über größere Entfernungen ausdehnen. Ich denke mal, das ist der Grund, warum die Zelte nicht allzuweit von der Leuchte entfernt plaziert wurden.

    Ich habe aber eine Idee für eine vereinfachte Versuchsanordnung, muß ich mal testen.

  6. #6 Wolfgang Flamme
    13. März 2009
  7. #7 Eddy
    13. März 2009

    Hallo,

    Kennt ihr dir Studie der Stadt Düsseldorf?

    https://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/unkraut/unkraut-natur-und-tiere-lichtverschmutzung-ID1235740910025.xml

    “Im Langzeittest haben sich die LEDs als widerstandsfähig erwiesen. Sie sind sogar wartungsärmer als bisherige Straßenleuchten. Und noch etwas wollte man in Düsseldorf herausfinden: Wie wirken sich LEDs auf nachtaktive Insekten aus? Zusammen mit Zoologen um Dr. Gerd Eisenbeis von der Uni Mainz wurde eine große Insektenzählung veranstaltet.”

    Leider kann ich die Graphik der Auszählung nicht im Netz finden. Hier ist das Video mit Graphik :

    Liebe Grüsse
    Eddy

  8. #8 Wolfgang Flamme
    14. März 2009

    Danke für den Videolink, Eddy. Im April werden wir also mehr wissen, wenn die Düsseldorfer Ergebnisse veröffentlicht sind.

    Der Beitrag lehnt sich aber gegen Ende ziemlich weit aus dem Fenster: Ob nämlich Fledermäuse ebenfalls von der LED-Beleuchtung profitieren ist wirklich noch nicht raus. Ich vermute eher das Gegenteil – hier sieht/hört man jedenfalls kaum noch welche, seit in den Straßenzügen hier auf Na-Leuchten umgerüstet wurde. Das heißt nicht, daß es weniger Fledermäuse gibt, nur daß sie es offenbar vorteilhaft finden, wenn sie ihre Beute ‘vorkonzentriert’ vorfinden und dann dahin umziehen, wo das (noch) der Fall ist. Wenn allerdings erst in großem Maßstab auf weniger insektenattraktive Beleuchtung umgerüstet wird, dann haben sie es wohl insgesamt deutlich unbequemer bei der Nahrungssuche … das ist jedenfalls meine Vermutung.

  9. #9 Mark Scheibe
    19. November 2009

    Hallo,

    ich freue mich, daß meine Dissertation von 2001 “Quantitative Aspekte der Anziehungskraft von Straßenbeleuchtungen auf die Emergenz aus nahegelegenen Gewässern …” Eure Aufmerksamkeit gefunden hat. Tatsächlich ist die ökologische Wirkung von Kunstlicht katastrophal, insbesondere an Gewässern. Zugegeben, ich habe den Blog nur überfolgen, aber ich möchte an einer Stelle einhaken: Christian sprach oben im Blog davon, daß Quecksilberdampflampen die “denkbar ineffizienteste und insektenschädlichste Form der Beleuchtung” wäre. Dem möchte ich hier allerdings deutlich widersprechen. In meiner Arbeit komme ich nach langen Versuchsreihen mit Wechselbetrieb von gelbem (Natriumdampf-)licht und weißem (Quecksilberdampf-)licht zu dem deutlichen Ergebnis, daß letztendlich offenbar die Quantität des Lichtes die Insekten anlockt, weniger die Qualität (also die Zusammensetzung des Lichts aus verschiedenen Wellenlängen). Punktum: Tauscht man alle weißen Lampen durch gelbe aus, hat man in etwa die gleiche Anlockwirkung. Ich habe hier auch stark die früheren Arbeiten des Bodenökologen Eisenbeis kritisiert, da er Lichtfänge mit verschiedenen Lampen durchgeführt hat, obwohl es in der Umgebung Lichtkonkurrenz durch andere Lampen gab. Wie ich ausführlich dargestellt habe, werden viele Fluginsekten durch z.T. mehrere Kilometer entfernte Lampen angelockt. Besonders kritisiert habe ich auch weitere Untersuchungen, in denen unterschiedliche Lampen (=Lichtquellen mit unterschiedlicher Wellenlängenzusammensetzung) nebeneinander in einem Straßenzug auf ihre Anlockwirkung getestet wurden: Das hatte nämlich das Ergebnis, daß an das gelbe Licht deutlich weniger Insekten flogen, als an das weiße (Quecks.)-licht. Aber: Diese Ergebnisse (durch die das weiße Licht quasi “verdammt” wird) kommen nur dann zustande, wenn man diese unterschiedlichen Lampen in Lichtkonkurrenz zueinander testet !! Testet man sie am gleichen Ort jeweils wechselseitig – also eine Nacht weiß, die nächste Nacht gelb, dann wieder weiß etc. – gleichen sich die Fangergebnisse stark an. Es ist fast schon ironisch, daß man diese Versuche nicht schon von Anfang an gemacht hat. Klar – diese Versuche bedeuten einen ungleich höheren Aufwand, weil man über viele Wochen hinweg abwechselnd leuchten muß, um valide Ergebnisse zu haben. Da ist es doch einfacher, in einem Straßenzug einfach mal alle Leuchten mit unterschiedlichen Lampen zu bestücken und ein paar Tage zu leuchten.
    Fazit: Das städteweite Auswechseln von weiße auf gelbe Leuchtmittel hat nicht wirklich zu einer Verminderung des Insektenanflugs an die Lampen geführt. Es muß darüber auch berücksichtigt werden, daß diese früheren Studien mit dem Test von Lampen in Lichtkonkurrenz zueinander ganz im Sinne der Stromversorger/ Leuchtmittelanbieter waren: So war die Natriumdampflampe teurer als die Quecksilberdampflampe. Also ein gutes Geschäft für die Wirtschaft, aber kein Gewinn für die Umwelt.

  10. #10 herbert kleiner
    7. Dezember 2011

    Gut recherchiert. Bin an den Ergebnissen zum LED – Licht sehr interessiert.

  11. #11 Mark Scheibe
    7. Dezember 2011

    Hallo,
    der springende Punkt ist die Methodik der vergleichenden Lichtfänge (ob mit LED oder Natriumdampf etc.): Jedes Straßenlicht ist so hell, daß es – unabhängig von dem verwendeten Leuchtmittel – die Insekten in etwa gleicher Menge anlockt. Dieses Ergebnis erhält man NUR, wenn man in einem Gebiet OHNE Lichtkonkurrenz abwechselnd an einem Standort etwa gleich starke Leuchtmittel testet, also heute LED morgen Quecksilberdampflampe, am nächsten Tag wieder LED usw.
    Wenn es während des Tests Lichtkonkurrenz gibt, fliegen die meisten Insektenarten auf das für sie attraktivere Spektrum. Dadurch kam es in früheren Studien zu dem Ergebnis, daß z.B. Lampen mit viele UV-Anteil mehr Insekten anlocken. Bietet man nur eine Art Lichtquelle, wird diese angeflogen. Es geht für dämerungs- und nachtaktive Insekten nur um die Frage “Licht oder kein Licht”.
    LED hat lediglich den Vorteil, weniger Strom zu verbrauchen.
    Bitte entschuldigt diese Kurzfassung, ich möchte niemanden langweilen. Aber die ganze Problematik kann – im Groben – in wenigen Sätzen zusammengefaßt werden.
    Viele Grüße,
    Mark