Die Frage stellt sich mir zumindest, seit ich die aktuelle Kolumne des HU-Politikprofessors Herfried Münkler in der Frankfurter Rundschau gelesen habe. Münkler zufolge lassen sich nämlich die Netzsperren-Gegner quasi exklusiv genau diesen Personengruppen zuordnen.
Über die 134.014 Mitzeichner der Petition gegen die Sperrung von Internetseiten sowie zahlreiche weitere, aus allen sozialen Schichten und Berufsfeldern stammende Kritiker des im Internet heftig diskutierten Gesetzesentwurfs, schreibt Münkler heute tatsächlich dies:
Es ist eine eigentümliche Schar, die sich unter dem Banner der Netzfreiheit versammelt hat. Einerseits kriminelle Geschäftemacher, die das Internet benutzen, um verbotene Produkte an den Mann zu bringen, und andererseits ein Ensemble von Freiheitskämpfern, die ihre anarchistischen (kein Staat!) oder kommunistischen Ideen (kein Eigentum) in der virtuellen Welt des Internets realisieren wollen.
Alles Kriminelle, Anarchisten oder Kommunisten also – wobei letzteres schon ein seltsamer Vorwurf ist, wenn er ausgerechnet von einem früheren Mitglied der Jungsozialisten und heutigen Vorsitzendem der Leitungskommission zur Marx-Engels-Gesamtausgabe kommt.
Selbst wenn man einmal davon absieht, dass Münkler hier quasi in zwei Sätzen zigtausend Kritiker einer leider mit einigen Fehlern behafteten Gesetzesinitiative in die kriminelle Ecke stellt, kann man angesichts des restlichen Inhalts seines FR-Beitrags nur zu dem Schluss kommen, dass sich hier jemand zum Kommentator berufen fühlt, der sich mit der Materie nicht einmal ansatzweise beschäftigt hat.
So gelingt es Münkler die beiden Themenbereiche Urheberrecht und Kinderpornographie derartig durcheinanderzuwerfen, dass man am Ende kaum noch sagen kann, ob es dem Mann nun um den Schutz von Kindern oder doch eher um den Heidelberger Appell geht.
Wobei sich Passagen wie
Diese Position einer prinzipiellen Verbotsabwehr verbindet sich mit der Auffassung, in der virtuellen Welt des Internets hätten die Eigentumsansprüche, wie sie in der realen Welt erhoben werden, keine Geltung, sondern müssten einer kostenfreien Nutzung durch alle zugänglich sein. Davon ist vor allem der Anspruch auf geistiges Eigentum betroffen, weswegen diese Auseinandersetzung vor allem von Autoren und Verlagen geführt wird, da hier die Gemeingutpraxis existenzgefährdend ist.
im Grunde kaum auf die kinderpornographischen Inhalte beziehen können, um die es ja eigentlich gehen sollte. Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass Herr Münkler die mit Sicherheit notwendige Diskussion um die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet – wie leider auch einige Politiker – nur als eine Art von “Türöffner” versteht, mit dem die juristische, technische und personelle Infrastruktur für weitere Sperrungen geschaffen werden soll.*
Wer darüber hinaus noch unsinnige Sätze wie
Das Gesetzesvorhaben sollte bloß sicherstellen, dass das, was für Printmedien gilt, auch im Internet gelten soll: dass der Erwerb von Kinderpornografie unter Strafe steht.
zu Papier bringt, beweist außerdem deutlich genug, dass er dem eigentlichen Thema höchstwahrscheinlich noch keine fünf Minuten Aufmerksamkeit geschenkt hat, denn natürlich ist der Erwerb von Kinderpornographie auch über das Internet in unserem Land bereits heute strafbar. So viel Unkenntnis gepaart mit der pauschalen Kriminalisierung abweichender Positionen ist eine ziemliche Blamage, die eigentlich einen ausführlichen Verriß verdient hätte, zu dem mir heute aber leider die Zeit fehlt.
Andere können das zum Glück ohnehin besser, weshalb ich zum Thema “Herfried Münkler” an dieser Stelle einfach mal auf Markus Beckedahl von netzpolitik.org verweisen möchte.
Mich hat die Lektüre des Münklerschen Artikels heute jedenfalls wieder daran erinnert, dass ein ausführliches Posting über den (inzwischen glücklicherweise um die Strafbarkeit des Stoppseiten-Aufrufs entschärften) Netzsperren-Gesetzesentwurf für den “Frischen Wind” eigentlich schon seit langem fällig ist. Vielleicht reicht die Zeit ja nächste Woche…
Vorher erkundige ich mich natürlich noch bei Herrn Münkler, ob ich nun eigentlich ein Anarchist, ein Kommunist oder vielleicht doch einfach nur kriminell bin…
*Das mag sich – zugegebenermaßen – ein wenig wie eine halbgare Verschwörungstheorie anhören, kann aber leider nicht als eine solche abgetan werden, wenn man sich vor Augen führt, welche Ideen bereits im politischen Raum kursieren – so hat immerhin erst vor einer Woche der Bundestagsabgeordnete Thomas Strobl auf abgeordnetenwatch.de verkündet, dass er sich die Ausweitung der Sperrlisten auf Webseiten mit “Killerspiel”-Inhalten durchaus vorstellen kann.
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