Entweder das, oder aber sie ist dort, wo man sie eigentlich vermuten würde, noch gar nicht richtig angekommen. Interessante Einblicke in den Arbeitsalltag der Investmentbanker im Frankfurter Bankenviertel liefert ein Bericht des ARD-Magazins “Report Mainz”.

Ist das nicht ein sehr polemischer Beitrag? Natürlich. Ist es fair, in einer Bar zu filmen und daraus Rückschlüsse auf einen ganzen Berufsstand zu ziehen? Natürlich nicht. Wäre die Sendezeit nicht besser angelegt gewesen, hätte man über die Hintergründe der Krise und die Gefahren von Spekulationsblasen berichtet, anstatt über Banker-Partys? Möglicherweise ja.

Trotzdem fand ich den Bericht in zweierlei Hinsicht erhellend. Erstens hat er mir mal wieder deutlich vor Augen geführt, dass man offenbar nicht in jeder Branche die Sorgen um die eigene finanzielle Existenz kennt, die in der Forschung allgegenwärtig sind. Zweitens zeigt er zwar auf polemische aber gerade dadurch überdeutliche Weise, was zumindest mit einem Teil der gigantischen Steuersummen geschieht, die nicht nur unser Staat zur Rettung des angeschlagenen Bankenwesens investiert hat. Und während hier auf den ScienceBlogs in der vergangenen Woche heftig diskutiert wurde, ob die bemannte Raumfahrt den Steuerzahler am Ende nicht doch zuviel kostet, werden eben jene Steuergelder kaum 30 Kilometer vom ESA-Hauptquartier entfernt in gesellschaftlich sehr viel irrelevantere Dinge investiert…

Kommentare (15)

  1. #1 chris
    27. Juli 2009

    Naja, man muss hier schon etwas abstrahieren. In einer kapitalisitischen Gesellschaft uebernehmen Spekulaten eine wichtige Rolle in der Wirtschaft. Der Fehler ist, den hart gescheiterten jetzt kompromisslos das Geld in den Arsch zu stopfen – die vielseits vermissten “Selbstheilungskraefte” des Marktes bedeuten nicht zwangslaeufig, dass ein voellig totkrankes Unternehmen (=Bank in diesem Fall) wieder gesund wird, sondern von einem besseren, staerkeren Mitbewerber moeglicherweise abgeloest wird. Gerade diese Kompontente fehlt ein bischen. Wie dekadent Banker leben ist doch voellig irrelevant – selbst mit Millionenverlusten – denn sie bekommen das Geld von Anlegern, die zumindest (ggf. fahrlaessigerweise) unterschrieben haben, dass sie die Risiken kennen und die Anlagemethoden verstehen. Wenn sich spaeter beispielsweise herausstellt, das 50% der Fondsbesitzer nicht mal wissen was ein Fonds ist, dann haben sie eigentlich jedes Recht sich zu beschweren voellig verspielt.

  2. #2 Christian Reinboth
    27. Juli 2009

    @chris: Vollkommen richtig, aber dass der Beitrag ein wenig polemisch und damit eben auch oberflächlich ist, hatte ich ja bereits geschrieben. Angesichts der teils doch sehr hitzigen Debatten über die Kosten der bemannten Raumfahrt in den letzten Tagen fand ich es aber einfach interessant, mal einen exemplarischen Blick darauf zu werfen, wofür sonst noch Steuergelder ausgegeben werden…

    In einer kapitalisitischen Gesellschaft uebernehmen Spekulaten eine wichtige Rolle in der Wirtschaft. Der Fehler ist, den hart gescheiterten jetzt kompromisslos das Geld in den Arsch zu stopfen – die vielseits vermissten “Selbstheilungskraefte” des Marktes bedeuten nicht zwangslaeufig, dass ein voellig totkrankes Unternehmen (=Bank in diesem Fall) wieder gesund wird, sondern von einem besseren, staerkeren Mitbewerber moeglicherweise abgeloest wird.

    Allerdings. Und solange Spekulanten eigenständig bzw. mit dem Geld der Anleger Gewinne erzielen, spricht auch nichts dagegen, dass sie es wieder verschleudern. Problematisch wird es allerdings dann, wenn der Staat eingreift bzw. eingreifen muss, um bestimmte Instititionen vor dem Aus zu retten und sich dies nicht auf die Art und Weise auswirkt, wie dort mit Geld umgegangen wird. Die Krise, in der wir momentan stecken und die für viele Menschen real existenzbedrohend ist, verdanken wir immerhin teilweise dem unverantwortlichen Spekulationshype. Und genau dieses Problem des mangelnden Verantwortungsbewußtseins wird durch solche Grausamkeiten, wie sie der ARD-Bericht zeigt, nochmal unterstrichen.

    Wie dekadent Banker leben ist doch voellig irrelevant – selbst mit Millionenverlusten – denn sie bekommen das Geld von Anlegern, die zumindest (ggf. fahrlaessigerweise) unterschrieben haben, dass sie die Risiken kennen und die Anlagemethoden verstehen. Wenn sich spaeter beispielsweise herausstellt, das 50% der Fondsbesitzer nicht mal wissen was ein Fonds ist, dann haben sie eigentlich jedes Recht sich zu beschweren voellig verspielt.

    Ich bin mir nicht sicher, dass den Anlegern die Funktionsmechanismen oder gar die Risiken wirklich immer auf nachvollziehbare Art und Weise erläutert werden. So mancher Rentenfonds wird sicher auch verkauft, ohne dass den Anlegern genau erklärt wird, was genau mit seiner Einlage geschieht… Klar kann man sich auf die Stufe stellen, dass sich der Kunde schon selbst informieren muss. Beim Arzt verlasse ich mich ja aber auch darauf, dass das verschriebene Medikament etwas taugt, ohne selbst in der Roten Liste nachzuschauen. Natürlich kann man das nicht miteinander vergleichen, ich halte es aber für übertrieben von jedem, der eine fondsgebundene Rentenversicherung abschließt, Kenntnisse des Spekulationsmarktes zu erwarten.

    Hier stehen eben letztendlich doch die Banker in der Verantwortung. Und genau mit der scheint es leider manchmal nicht ganz so weit her zu sein…

  3. #3 Shin
    27. Juli 2009

    Ich kann mich chris hier nur 100%ig anschließen, dieser ARD-Beitrag ist nichts als plumpe antikapitalistische Propaganda. Durch das demonstrative Zeigen des “dekadenten” (was für ein schrecklich konservatives Wort) Lebensstils der Banker wird Neid und damit Hass geschürt. Sogar die von den Nazis erdachte Unterteilung zwischen “raffendem” Finanzkapital und “schaffendem” Unternehmerkapital wird verwendet, wenngleich natürlich nicht wörtlich sondern subtil (und bevor mich der erste hier eines “Godwins” bezichtigt: Wenn’s zutrifft ist es keiner). So etwas möchte ich mit meinen GEZ-Gebühren nicht bezahlen.

  4. #4 chris
    28. Juli 2009

    [quote]
    Ich bin mir nicht sicher, dass den Anlegern die Funktionsmechanismen oder gar die Risiken wirklich immer auf nachvollziehbare Art und Weise erläutert werden. So mancher Rentenfonds wird sicher auch verkauft, ohne dass den Anlegern genau erklärt wird, was genau mit seiner Einlage geschieht…
    [/quote]

    Jein. Bei einer Depoteroeffnung muss man sich selbst in eine Risikoklasse einordnen und das unterschreiben. Dabei unterschreibt man auch, dass man die entsprechende Risikoaufklaerung gelesen hat. Meist sind das weit mehr als 10 Seiten, die man von der Bank bekommt. Ob man die natuerlich liest, oder einfach nur unterschreibt, ist Privatsache. Ich finde es immer nur unfair, wenn sich die Menschen danach beschweren.

    [quote]
    Problematisch wird es allerdings dann, wenn der Staat eingreift bzw. eingreifen muss, um bestimmte Instititionen vor dem Aus zu retten und sich dies nicht auf die Art und Weise auswirkt, wie dort mit Geld umgegangen wird. Die Krise, in der wir momentan stecken und die für viele Menschen real existenzbedrohend ist, verdanken wir immerhin teilweise dem unverantwortlichen Spekulationshype.
    [/quote]
    Richtig, und falsch, gleichzeitig eigentlich. Man kann sich drueber streiten, ob es nicht zuvorderst ein Fehler seitens des Staats ist, dass einzelne Banken, ggf. auch geclustert, derart bedrohliche Stellungen innerhalb des Systems erlangen, dass ihr Zusammenbruch so gefaehrlich wird? Andererseits muss man sich mal vor Augen fuehren, dass Spekulation ein Nullsummenspiel ist (abgesehen von Bankgebuehren jetzt =). Alle jetzigen Verluste haben auch “Gewinner”, moeglicherweise in Form von zahlungsunfaehigen Glaeubigern oder neuen/reicheren Millionaeren.
    Mir kommts so vor, als ob man nur die positiven Seiten von unserem System haben will, aber die negativen nicht. Die Realitaet ist halt doch irgendwie hart.

    [quote]
    Vollkommen richtig, aber dass der Beitrag ein wenig polemisch und damit eben auch oberflächlich ist, hatte ich ja bereits geschrieben.
    [/quote]
    Ja, ich wollte nur kurz einwerfen, dass nicht die Banker und Manager allein Schuild sind, sondern eher der sozialisierende Umgang mit deren Fehltritten, die sie eigentlich auch selbst Verantworten koennten.

    Ansonsten: Richtig, in anbetracht der Summen, die fuer andere Dinge rausfliegen, kommt die Wissenschaft siginifkant zu kurz, gerade im Hinblick auf den Status unserer Gesellschaft als “Wissensgesellschaft”, die momentan nichts nennenswertes bieten kann als “Veredlungswissen” im Ingenieursbereich.

  5. #5 Webbär
    28. Juli 2009

    Hat es denn bisher auch nur einmal einen Bericht zur Wirtschaftskrise in den GEZ-Programmen gegeben, der die Ursache beleuchtet hat, also die Hypothekenblase in den Staaten, für die der Community Reinvestment Act (in seiner clintonschen Anpassung) verantwortlich war? [1]
    Nö, “Managergier” verkauft sich besser, zudem sägt man ja am eigenen Ast, wenn staatliche Institutionen mitursächlich für die Krise waren.
    Nur so ist das Micky Maus-Niveau zu erklären.
    Die Abnehmerschaft scheint es allerdings genau so zu brauchen, LOL.

    [1] BTW, sogar in den Staaten wird gemieden Ross und Reiter zu benennen. Jedenfalls von demokratischer Seite. Allerdings hatte auch Bush nicht die Kraft die Auswüchse des CRA anzugehen, es sah ja lange Zeit so aus als ob man die gelddruckende Hausbausau erfunden hat, da kann man dann als Politiker kaum Bedenkenträger und Spielverderber sein.

  6. #6 Christian Reinboth
    28. Juli 2009

    @Shin:

    Ich kann mich chris hier nur 100%ig anschließen, dieser ARD-Beitrag ist nichts als plumpe antikapitalistische Propaganda. Durch das demonstrative Zeigen des “dekadenten” (was für ein schrecklich konservatives Wort) Lebensstils der Banker wird Neid und damit Hass geschürt. Sogar die von den Nazis erdachte Unterteilung zwischen “raffendem” Finanzkapital und “schaffendem” Unternehmerkapital wird verwendet, wenngleich natürlich nicht wörtlich sondern subtil (und bevor mich der erste hier eines “Godwins” bezichtigt: Wenn’s zutrifft ist es keiner). So etwas möchte ich mit meinen GEZ-Gebühren nicht bezahlen.

    Natürlich ist der Beitrag plump, ich vermute stark, dass sollte er auch sein. Ob man ihn unter “antikapitalistisch” verbuchen kann bezweifle ich allerdings, da ich schon länger das Gefühl habe, dass manches was z.B. im Derivatenhandel läuft, mehr mit Zockerei als mit marktwirtschaftlichen Überlegungen zu tun hat.

    Diskussionen über den Lebensstil bestimmter Berufsgruppen halte ich in einer Demokratie für kein Tabu, zumal die diesen Lebensstil ermöglichenden Einrichtungen inzwischen von der öffentlichen Hand gestützt werden. Ohne jetzt hier eine dieser typischen Sozialneid-Diskussionen anfangen zu wollen, aber immerhin debattieren wir ja auch öffentlich darüber, ob z.B. Sozialhilfe-Empfänger ihr steuerfinanziertes Einkommen in Zigaretten investieren dürfen oder ob Lehrer für ihr ebenfalls steuerfinanziertes Einkommen genügend Arbeitsstunden ableisten. Vor diesem Hintergrund darf es kein Tabu sein, auch einmal darüber nachzudenken, ob nicht zumindest steuerteilfinanzierte Arbeitsplätze im Bankensektor eventuell zu hoch dotiert sein könnten. Natürlich kann man eine solche Diskussion auch weniger polemisch anstoßen, als dieser ARD-Beitrag das tut. Ich befürchte allerdings, dass es manchmal eben auch Polemik braucht, um eine Diskussion richtig in Gang zu bringen…

    Die Brücke zum Nazi-Gedankengut halte ich für ziemlich schmal, der einzige Hinweis auf die von Dir angedeutete Unterteilung in “raffendes und schaffendes Kapital” ist die nicht unberechtigte Andeutung, dass uns die Krise in vielen Branchen sehr viel mehr Arbeitsplätze kostet, als in der Finanzbranche verlorengehen, die immerhin erheblich zur Entstehung eben dieser Krise beigetragen hat. Das ist ziemlich schwer vermittelbar und beschädigt das Vertrauen in die Marktwirtschaft leider sehr viel nachhaltiger, als irgendein polemischer Beitrag im Fernsehn das jemals könnte…

  7. #7 Christian Reinboth
    28. Juli 2009

    @chris

    Mir kommts so vor, als ob man nur die positiven Seiten von unserem System haben will, aber die negativen nicht.

    Das stimmt nicht ganz, ich wünsche mir lediglich eine gewisse Verhältnismäßigkeit und Vernunft. Wenn man sich mal näher ansieht, auf welcher Basis beispielsweise viele Immobilienkredite in den USA vergeben worden sind, wird doch schnell klar, dass es sich hierbei um hoch riskante Kreditvergaben gehandelt hat, die in dieser Form in Deutschland vermutlich gar nicht zustande gekommen wären. Es ist erschreckend, in welchem Ausmaß die US-Finanzbranche ebenso wie die US-Politik solche Praktiken über Jahre hinweg geduldet hat, obwohl im Grunde feststand, dass viele mit solchen Krediten gespeisten Fonds über kurz oder lang einen Totalverlust erleiden könnten. Auch die deutsche Politik hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert, immerhin gab es auch in etlichen Landesbanken unverantwortliche Spekulationen.

    Mit rationalem Verhalten hat das nicht mehr viel zu tun, eher mit dem kurzfristigen Abgreifen von Gewinnen ohne Berücksichtigung zukünftiger Folgen oder aber – noch schlimmer – mit echter “Zockerei”. Beides passt nicht zum Homo oeconomicus, dem rational planenden und denkenden Mitglied einer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft. Meiner Ansicht nach täte es dem Finanzmarkt (und uns) wirklich gut, wenn wieder ein wenig vernunftorientierter gehandelt werden würde…

  8. #8 Christian Reinboth
    28. Juli 2009

    @Webbär:

    Hat es denn bisher auch nur einmal einen Bericht zur Wirtschaftskrise in den GEZ-Programmen gegeben, der die Ursache beleuchtet hat, also die Hypothekenblase in den Staaten, für die der Community Reinvestment Act (in seiner clintonschen Anpassung) verantwortlich war?

    Vermutlich nicht, wobei gerade Kritik an den US-Demokraten in der deutschen Presselandschaft ohnehin selten ist. Einen erschreckend realitätsnahen Sketch zum Thema US-Immobilienblase gab es vor einiger Zeit im “zoon politikon”:

    https://www.scienceblogs.de/zoonpolitikon/2008/09/die-finanzkrise-erklart.php

  9. #9 Thilo
    28. Juli 2009

    Es ist natürlich alles richtig, was Chris schreibt. Und auch früher schon wurde den Banken gerne die Schuld für alle Probleme in die Schuhe geschoben. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, daß sich dort in letzter Zeit wirklich einiges zum negativen entwickelt.
    Wenn ich mich unter früheren Mitschülern etc. umschaue, dann sind es gerade die mit den schlechtesten Mathematik-Zensuren (und dem schlechtesten Charakter), die inzwischen Karriere im Investment Banking gemacht haben. Das ist jetzt natürlich nur eine persönliche Beobachtung und keine wissenschaftlich bewiesene Tatsache, aber trägt doch irgendwie zum Eindruck bei, daß da etwas grundsätzlich schief läuft.

  10. #10 chris
    28. Juli 2009

    Christian Reinboth: Der Homo oeconomicus ist hier ein interessanter Punkt. Es fragt sich naemlich, in welchem Rahmen rational gehandelt wird. Sicherlich legt nicht jeder Manager einen Blick fuer die volkswirtschaftlichen Zusammenhaenge an den Tag, vielleicht nicht mal fuer das Gesamtunternehmen. Allerdings werden doch immer ordentlich die Ziele fuer Bonizahlungen erreicht [was ich mal nicht als trivial ansehe, denn es waere ja sonst normalerweise ein zusaetzlicher Gewinn, der so als Aufwendung fuer Angestellte verloren geht und die Huerden dafuer werden schon entsprechend sein], der Gewinn kurzfristig maximiert. Und selbst die kurzfristige Gewinnmaximierung ist anscheinend im Sinne der Eigentuemer, denn sonst wuerden die Eigentuemer kein derartiges Management zulassen. So fuerchterlich wehrlos und einflussfrei sind die Eigentuemer eines boersennotierten Unternehmens doch gar nicht.

    Thilo: Was vielleicht interessant in diesem Kontext ist, ist die psychologische Komponente von spekulativem Handel. Ich weiss nicht, inwieweit du eigene Erfahrungen gesammelt hast, aber es ist doch immer ein von der Persoenlichkeit abhaengiger Unterschied zwischen Papertrading und echtem Handel. Insofern sind nicht primaer Mathematik und ueberragende Intelligenz gefragt, sondern die Ausdauer, bestaendig nach den eigenen Regeln handeln zu koennen, auch wenn es kurzfristig in die falsche Richtung geht, sich an vorgaben zu halten, selbst wenn es besser scheint. Man muss Ueberblick ueber viel Information behalten und nur das relevante Filtern koennen, Trends erkennen und ggf. richtig darauf regieren koennen. Was ich damit sagen will: Hier sind andere Werte viel ausschlaggebender als hohe Intelligenz, welche aber natuerlich zusaetzlich auch sehr hilfreich ist.

    Die Vernunftorientierung, die oft gefordert wird, ist eher eine langfristige gesellschaftsorientierte Perspektive, wobei ich mich Frage, inwiefern unser aktuelles System tatsaechlich ein derartiges Verhalten foerdert und belohnt?

  11. #11 Christian Reinboth
    28. Juli 2009

    @chris: Die Fixierung auf kurzfristige Gewinne zu Lasten nachhaltiger Entwicklungschancen (oder sogar der nachhaltigen Existenz) scheint mir genau das zentrale Problem zu sein. Heute große Gewinne im vollen Bewußtsein einzufahren, dass dafür morgen alles zusammenbricht, ist meines Erachtens nach eine Strategie, die man nur sehr bedingt als “vernünftig” bezeichnen kann, da sie der Gewinnorientierung der Unternehmen langfristig betrachtet entgegensteht, auch wenn sie eine kurzfristige Maximierung verspricht. Es wäre sicher spannend, diese Fragestellung mal aus Sicht der Volkswirtschaft zu untersuchen. In der Umweltpolitik ist das Problem ja letztendlich ein sehr ähnliches: Kurzfristiger Konsum (über zwei oder drei Generationen), danach aber langfristige Probleme…

    @Thilo: Anekdoten sind ja bekanntlich keine Daten, aber mir ist zumindest aufgefallen, dass es die größten Schaumschläger aus meinem Bereich in die Beraterbranche zieht 🙂 Auch da zählen andere Eigenschaften (Selbstdarstellung, Überzeugungskraft, Auftreten) unter Umständen mehr als reines Fachkönnen. Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass es in der Trading-Branche ähnliche Effekte gibt. Auch der Umgang mit Druck dürfte wahrscheinlich von Bedeutung sein.

    Und ja, ich glaube auch, dass da ganz grundsätzlich etwas schief läuft – sogar gewaltig. Die Frage wäre nur, wie man diesen subjektiven Eindruck unabhängig von persönlichen Beobachtungen irgendwie (wenn möglich empirisch) überprüfen könnte.

  12. #12 Webbär
    28. Juli 2009

    Christian Reinboth: Der Homo oeconomicus ist hier ein interessanter Punkt. Es fragt sich naemlich, in welchem Rahmen rational gehandelt wird.

    Die Vernunftorientierung, die oft gefordert wird, ist eher eine langfristige gesellschaftsorientierte Perspektive, wobei ich mich Frage, inwiefern unser aktuelles System tatsaechlich ein derartiges Verhalten foerdert und belohnt?

    Vernunft ist relativ. Frag mal den Steinbrück, was der für vernünftig hält und dann mal mich, LOL.
    Am Rande eine neugierige Gegenfrage: Welches ´”derartige Verhalten” meinst Du genau und welche Anpassungen der Rahmenbedingungen ziehst Du in Betracht?

  13. #13 chris
    28. Juli 2009

    Christian Reinboth: In seiner Reinform ist das kapitalistische System ja ziemlich darwinistisch-evolutionaer gepraegt. Wenn sich langfristig orientiertes Wirtschaften mehr lohnt als kurzfristige Gewinnmaximierung, werden wir in einiger Zeit sehen, dass Unternehmen mit langfristiger Orientierung besser performen als der restlichen – ausser der Staat faengt die restlichen, schlechten Unternehmen gnaedigerweise auf.
    Leider betrifft nachaltiger Umweltschutz nur sehr wenige Unternehmen (im wirtschaftlichen Erfolg) direkt, so dass man von “ausserhalb” Druck machen muss, z.b. wir als Konsumenten, um die Mehrkosten im Umweltschutz die ja in den Produkten eingepreist sind, auch zu rechtfertigen. Scheint aber kaum jemanden zu interessieren. Umweltschutz ist deswegen ein schlechtes Beispiel fuer Nachhaltigkeit im Unternehmen – (wirtschaftlich) nachhaltige Investitionen die langfristig das Unternehmen staerken dagegen sollten sich bemerkbar machen.

    Webbär: Ich werf erstmal mit ein paar Schlagworten um mich, um die “Vernunftorientierung” unter verschiedenen Rahmenbedingungen zu erklaeren: Neo-Institutionalismus+Rationalitaetsmythen.
    Die gleiche Handlung kann aus verschiedenen Perspektiven einmal rational sein, einmal nicht. Z.B. machen Manager sehr viele Dinge, die eigentlich nicht, in einem absoluten Sinne betrachtet, rational sind, sondern z.b. die Effizienz senken. Betrachtet man aber die naeheren Umstaende, so sieht man, dass die Manager z.b. durch die Erwartungen der Gesellschaft, Tradition, Kultur, Gesetze oder sonstwas dazu gezwungen werden und anderenfalls mit Sanktionen zu rechnen haben. Dadurch wird eine nicht-rationale Handlung zu einer im Kontext betrachtet durchaus rationalen Handlung.
    Mit “derartigem Verhalten” meinte ich in meinem fruehren Beitrag langfristiges, vernuenftiges Wirtschaften als Gegenpol zur kurzfristigen Gewinnmaximierung/-orientierung, insbesondere die derzeit vielkritisierten hochspekulativen Geschaefte der Banker. Die “Rahmenbedingungen” sind einfach nur unser aktuelles Wirtschaftssystem+Steuergesetze+Wettbewerbssituation+Konsumentenverhalten+…. Was spricht fuer kurzfristige Gewinne, was fuer langfrisitige, vorsichtige Planung? [zB. machst du was brachial falsch, wirst du eh gerettet, weil es gerade im Superwahljahr gut ankommt, ein paar 100 Arbeitsplaetze zu retten] Was spricht fuer Dividendenzahlung, was fuer eine langfristige Investition? Betrachtet man Manager als Black-Box, nur auf Input-Output-Verhalten, dann ist das aktuelle Verhalten doch unter den gegebenen Umstaenden das bestmoegliche?

  14. #14 Shin
    29. Juli 2009

    aber immerhin debattieren wir ja auch öffentlich darüber, ob z.B. Sozialhilfe-Empfänger ihr steuerfinanziertes Einkommen in Zigaretten investieren dürfen oder ob Lehrer für ihr ebenfalls steuerfinanziertes Einkommen genügend Arbeitsstunden ableisten.

    Diese Diskussion halte ich für ebenso verlogen und falsch wie die um “dekadente” Manager und deren vermeintlich überzogene Gehälter. Wenn der Staat darüber entscheidet, was wir mit unserem Geld anfangen, nur weil wir es von ihm bekommen haben, dann gute Nacht Freiheit. Das ganze ist auch allein deshalb widersinnig, weil der Staat uns das Geld ja schließlich vorher in Form von Steuern schon weggenommen hat, ohne einen konkreten Verwendungszweck zu benennen. Es ist also nur recht und billig, wenn wir mit staatlichen Transferleistungen ebenfalls verfahren, wie es uns beliebt.

  15. #15 Dieter
    30. Juli 2009

    Ich habe den Beitrag nicht gesehen, vermute aber mal, dass dort gezeigt wird, wie jemand viel Geld für wenig ausgibt.
    Dabei sollte man bedenken, dass das Ausgeben gut für alle ist. Wer 250.000 EUR für ein Auto ausgibt, sichert damit vielen Menschen Arbeit, der Wagen hat einen hohen Handarbeitsanteil. Wer 1000 EUR für einen Wein/Champagner ausgibt, sichert damit dem Restaurantbesitzer und dem Winzer Arbeit und dürfte der Ökologie in der Anbauregion guttun.
    Wer zwei Millionen für die Wohnung ausgibt, sichert damit Architekten, Bauarbeitern und Inneneinrichtern Arbeit.
    Darüber hinaus werden all diese Ausgaben mit 19% MwSt belastet – wer Geld ausgibt, ist gut für uns alle.

    Zum Problem werden diejenigen Reichen, die soviel Geld akkumuliert haben, dass sie es eben nicht mehr ausgeben bzw. gar nicht mehr ausgeben können. Wer 2 Mio hat, hats nicht sonderlich schwer, sie auszugeben. Wer 20 hat, muss schon viel Luxus kaufen. Wer 200 hat, muss dekatent leben, um sie auszugeben. Wer 2 Mrd hat, der wirds schwer haben, dieses Geld jemals loszuwerden.
    Blöderweise gibts inzwischen viele mit 20, 200, 2000 oder mehr Mio, die dem Wirtschaftskreislauf das Geld entziehen.