Ich bin verwirrt: Noch vor ein paar Tagen hieß es aus den Reihen der Grünen, man sei deshalb gegen die bemannte Raumfahrt, weil das Geld in der unbemannten Raumfahrt besser angelegt sei. Inzwischen wird jedoch auch die unbemannte Raumfahrt heftig kritisiert – und das mit teilweise hanebüchenen Argumenten.
Kurze Rekapitulation: Hier wurde in der letzten Woche heftig über Äußerungen von MdB Peter Hettlich von den Grünen und MdB Petra Sitte von der Linkspartei diskutiert, die in der Welt für einen Ausstieg aus der bemannten Raumfahrt plädiert hatten. Die Diskussion ging dann hier, hier, hier, hier, hier und hier weiter, wobei sich herauskristallisiert hat, dass zumindest aus Sicht der Grünen der Nutzen der unbemannten Raumfahrt größer als der der bemannten Raumfahrt ist, und man das knappe Geld lieber dort angelegt sehen möchte.
Heute dann die Kehrtwende: Nachdem sich während der letzten drei Tage verschiedene Politiker aus CDU, CSU und FDP für eine – wohlbemerkt unbemannte – Mondmission stark gemacht hatten, ist den Grünen nun offenbar auch dafür das Geld zu schade, wie die WELT heute berichtet:
Mit Hohn und Spott haben die Grünen auf die Ankündigung von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) reagiert, nach der Bundestagswahl ein deutsches Mondprogramm aufzulegen. An einer “Krisenbewältigung durch Abheben” werde man sich nicht beteiligen, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir am Montag in Berlin. “Wir wollen hier auf der Erde unsere Arbeit tun.”
Indes sei es, fügte Özdemir mit Blick auf FDP-Unterstützung für Schavans Vorstoß hinzu, den Grünen recht, wenn “sich Schwarz-Gelb auf den Mond oder den Mars konzentriert”. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin nannte es “absurd und makaber”, dass Schavan zum Mond wolle, aber als Forschungsministerin beim Atomlager Asse “versagt” habe.
Natürlich weiß auch Cem Özdemir, dass sich bei konsequenter Anwendung des Arguments, dass Projekt XYZ lohne sich nicht, solange es dringendere Probleme zu bewältigen gäbe bzw. das Land noch unter den Folgen der Wirtschaftskrise leidet, im Grunde jegliche Form der Grundlagenforschung erledigt hat. Nun bezweifle ich allerdings stark, dass Özdemir oder Trittin wirklich so denken. In jeder Hinsicht flache Argumente wie “Solange wir noch Probleme auf der Erde haben, haben wir auf dem Mond nichts verloren” deuten meiner Ansicht nach eher darauf hin, dass die Idee einer neuen Mondmission dabei ist, einem typisch deutschen Polit-Problem zum Opfer zu fallen: Wenn es vom politischen Gegner kommt, dann muss es einfach falsch sein.
Dieser Unsinn dürfte zur Politikverdrossenheit ebenso beitragen wie mediengerechte Skandale um Urlaubsreisen im Dienstwagen. Die schlechte Angewohnheit von Politikern aller Parteien (die Union sei hier ausdrücklich nicht ausgenommen), so gut wie jeden Vorschlag aus dem gegnerischen Lager unabhängig von dessen inhaltlichem Wert erst mal anzugreifen oder mit politischen Talking Points (in diesem Fall der Asse) zu verknüpfen, ist leider mehr als bestens dazu geeignet, das öffentliche Vertrauen in die Vernunft der Akteure nachhaltig zu erschüttern. Sie kann einem zudem die Freude an der Politik dauerhaft vermiesen – denn auch auf der kommunalen Ebene ist es nicht unüblich, dass im Grunde durchaus diskutable Vorschläge sofort niedergemacht werden, weil sie aus der gegnerischen Ecke kommen.
Manchmal frage ich mich, was in unserem Land alles besser laufen könnte, wenn es uns nur gelänge, diese dumme Angewohnheit zu überwinden. Angesichts der Tatsache, dass sie zum festen Repertiore aller Parteien gehört, dürfte dies leider eine müßige Überlegung sein…
Zusammenfassend bleibt leider festzustellen, dass es bei Regierungsbeteiligung der Grünen – zumindest nach eigener Aussage – weder eine Fortsetzung der ISS-Missionen noch andere bemannte Raumfahrt noch einen zweiten Anlauf in Richtung einer deutschen Mondmission geben wird – zumindest nicht, solange es auf der Erde noch Probleme zu lösen gibt. Das ist schade – und es dürfte die Diskussion um wissenschafts- und technikfeindliche Tendenzen bei den Grünen auf keinen Fall verstummen lassen…
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