Stellenausschreibung für den neuen Master-Studiengang Homöopathie an der Uni Magdeburg: Zum nächstmöglichen Zeitpunkt sucht man einen Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin mit Sozialwissenschafts-Background sowie Erfahrungen mit Homöopathie.

Eigentlich wollte ich mich aus der Diskussion um den Homöopathie-Master in den nächsten Wochen erst einmal raushalten und mich wieder auf meine Kernthemen konzentrieren. Diese Stellenausschreibung konnte ich dann aber doch nicht unkommentiert lassen:

Stellenausschreibung mit der Referenz-Nr. 182/2009

Im Rahmen eines geplanten gebührenpflichtigen Weiterbildungs-Masterstudiengangs
“Wissensentwicklung und Qualitätsförderung in homöopathischer Medizin
(Integrated Practice in Homeopathy) (M.A.)”
ist an der Otto-von-Guericke-Universität
die Stelle einer/ eines

wissenschaftlichen Mitarbeiterin / Mitarbeiters

zum nächstmöglichen Zeitpunkt für zunächst ein Jahr zu besetzen. Die Vergütung
erfolgt nach TV-L E13.

Aufgabengebiete:

  • Aufbau und Koordination des neuen Studiengangs
  • Erstellung der Studiendokumente
  • Beteiligung bei der Akquise von Fördergeldern
  • Beteiligung bei der Akquise von Teilnehmerinnen/Teilnehmer für den
    Studiengang

Anforderungen:

  • sehr gut abgeschlossenes universitäres Hochschulstudium der
    Sozialwissenschaften
  • Kenntnisse in wissenschaftlicher Arbeit und/oder im Projektmanagement
  • Erfahrungen in der Studienkoordination

Interesse und Erfahrungen an/mit Homöopathie sind erwünscht.

Nun bin ich zwar erstens gar kein Sozialwissenschaftler und hätte zweitens ohnehin den Ausschreibungstermin (22.09) knapp verpasst, trotzdem drängt sich mir bei der Lektüre dieser Stellenausschreibung eine Frage auf (neben der offensichtlichen Frage warum man explizit einen Sozialwissenschaftler und nicht etwa einen Naturwissenschaftler oder einen Mediziner sucht), die es sich möglicherweise im Blog zu diskutieren lohnt.

Denn was würde passieren, wenn sich ein Sozialwissenschaftler oder -wissenschaftlerin mit einem exzellenten Abschluss und allen geforderten Erfahrungen – inklusive denen mit der Homöopathie – auf die Stelle bewerben, dabei aber deutlich zum Ausdruck bringen würde, dass er oder sie die Homöopathie für eine reine Placebo- oder gar eine Pseudo-Medizin hält (Erfahrungen mit Homöopathie schließen eine negative Meinung ja keineswegs aus)?

Wäre eine solche Geisteshaltung ein Ausschlusskriterium – und dürfte es eines sein? Könnte man einen ansonsten vielversprechenden Bewerber mit dem Hinweis darauf ablehnen, dass die wissenschaftliche Mitarbeiterstelle nur an Kandidaten vergeben werden kann, die von der Wirksamkeit der Homöopathie überzeugt sind? Würden in einem solchen Fall die Anti-Diskriminierungs-Gesetze greifen oder könnte die Uni den “Glauben” an die Homöopathie zur Voraussetzung für die Stellenvergabe machen?

Mich zumindest beschäftigt diese Frage, seit ich die Stellenausschreibung gelesen habe – was meint die ScienceBlogs-Leserschaft dazu? Ganz unabhängig davon ob man in Sachen Homöopathie nun zur Pro- oder Contra-Fraktion gehört, halte ich das für eine durchaus diskussionswürdige Frage – schließlich ist es sicher nicht die letzte Stelle, die für diesen Studiengang ausgeschrieben wird. Kann die persönliche Meinung in Sachen Homöopathie – zumindest hypothetisch – als Lackmustest dienen oder nicht?

Kommentare (16)

  1. #1 inga
    23. Oktober 2009

    Interessante Frage. Nun, die kirchlichen Arbeitgeber lehnen bekanntlich Bewerber ab, die aus der Kirche ausgetreten sind und die Bundeswehruni stellt niemanden ein, der verweigert hat. Allerdings sind das ja jeweils schwarz auf weiß nachweisbare Fakten. Allerdings glaube ich, dass sich das Problem von alleine löst, denn wer baut denn allen ernstes einen HP-Studiengang auf, wenn er oder sie das für Humbug hält? Ich jedenfalls, und auf mich trifft die Stellenbeschreibung ziemlich gut zu, einschließlich jahrelanger HP-Erfahrung (leider), würde mich dafür nicht hergeben.

    Und warum die explizit eine/n Sozialwissenschaftler/in haben wollen, ist mir auch nicht klar. Denn auch Sozialwissenschaftler sollten wissen, wie man wissenschaftlich arbeitet und daher drauf kommen, dass HP Quatsch ist. Und andererseits gibt es genügend Ärzte (und damit Naturwissenschaftler), die auch HP anbieten, obwohl sie es besser wissen müssten.

  2. #2 buchstaeblich
    23. Oktober 2009

    Ich könnte ja ein Gaubuli herstellen, dass ich an einem Sozialwissenschaftsdiplom reibe und dann herunterschlucke. Wenn es um Homöopathie geht, sollte das doch eigentlich reichen.

    Ja, und dann würde ich für mein Gemecker über Homöoschallalie wenigstens bezahlt …

  3. #3 Christian Reinboth
    23. Oktober 2009

    @inga: An die kirchlichen Arbeitgeber musste ich auch schon denken, aber da geht es ja auch explizit um den Glauben im religiösen Sinn – und eine solche Hürde kann es bei einem universitären und nicht weltanschaulichen Studiengang eigentlich kaum geben. Im Grunde ist es eine paradoxe Situation – im Grunde so ähnlich, wie als ob sich jemand auf eine Physikprofessur bewerben und zu Protokoll geben würde, er halte die Gravitation für Humbug. Ein solcher Bewerber wäre fachlich natürlich ebenso ungeeignet wie jemand, der sich auf die Homöopathie-Ausschreibung bewirbt aber nicht daran glaubt. Nur dass zwischen “Gravitations-Zweiflern” und “Homöopathie-Zweiflern” aber natürlich ein Unterschied besteht…

  4. #4 Jörg
    23. Oktober 2009

    Was ist denn Homöopathie-Erfahrung? Sich mal gewaschen zu haben?

    Ich glaub ich bewerb mich mal drauf 🙂

  5. #5 Florian Freistetter
    23. Oktober 2009

    @Christian: Sozialwissenchaft vielleicht deswegen, weil die ganze Homöopathie in Magdeburg je eh nicht bei den Medizinern oder Nawis sitzt, sondern an der Fakultät für Sozialwissenschaften. Was aber auch wieder so eine seltsame Entscheidung ist…

    Marc: bewirb dich doch bitte mal und erzähl uns dann deine Erfahrungen 😉

  6. #6 Christian Reinboth
    23. Oktober 2009

    @Florian: Möglich – wobei es aber sicher keine Regel gibt, dass an der Fakultät für Sozialwissenschaften auch nur Sozialwissenschaftler eingestellt werden dürfen. Haben erst kürzlich im Fachbereich Automatisierung einen BWLer eingestellt und mussten auch nicht nach einem Automatisierer suchen, der sich zufällig mit Marktforschung auskennt 🙂

  7. #7 Christian Reinboth
    23. Oktober 2009

    @Jörg:

    Was ist denn Homöopathie-Erfahrung? Sich mal gewaschen zu haben?

    Bei der Einstellung wird das nix mit der schönen TVL-13-Stelle…

  8. #8 Dr. Glukose
    23. Oktober 2009

    Sehr komisch…bin echt gespannt was dabei herauskommt. Ich denke mal aber, dass es ein Sozialwissenschaftler ist, weil der ja wissen müsste, wie man Homöopathie unter den Leuten dort integrieren könnte…vom fachlichen Wissen ist es aber ganz klar ein EPIC FAIL! Weiss eigentlich jemand, ob dieser ganze Homöopathie-Mist auch woanders so ausfürhlich diskutiert wurde/wird?

  9. #9 ali
    23. Oktober 2009

    Schon etwas seltsam, dass sie jemanden aus den Sozialwissenschaften suchen. Aber auch die Naturwissenschaften scheinen mir nicht nützlicher fürs ausgeschriebenen Profil: Abgesehen vom “Erstellen der Studiendokumente” hat es ja kaum mit dem Inhalt zu tun.

    Nur dass zwischen “Gravitations-Zweiflern” und “Homöopathie-Zweiflern” aber natürlich ein Unterschied besteht

    In gewissem Sinne sind die Verteidiger der Homöopathie Gravitationszweifler.

  10. #10 Till Westermayer
    23. Oktober 2009

    Das mit dem Sozialwissenschaftler/der Sozialwissenschaftlerin klärt sich doch eigentlich ein paar Zeilen weiter oben, wo die Arbeit beschrieben wird mit:

    * Aufbau und Koordination des neuen Studiengangs
    * Erstellung der Studiendokumente
    * Beteiligung bei der Akquise von Fördergeldern
    * Beteiligung bei der Akquise von Teilnehmerinnen/Teilnehmer für den Studiengang

    Und wenn’s doch um inhaltliches gehen sollte, müsste ja gerade für diejenigen, die Homöopathie für unwissenschaftlich halten, ein/e SozialwissenschaftlerIn hier deutlich sinnvoller erscheinen sein als ein/e NaturwissenschaftlerIn. Warum? Weil es im ersten Fall um kulturelle Wissenssysteme ginge, also sowas wie Religionssoziologie oder Wissenssoziologie, und im zweiten Fall um Homöopathie als naturwiss.-medizinische Praxis. Dass eine Beschäftigung mit Homöopathie in der erstgenannten Variante durchaus sinnvoll sein kann, zeigen zum Beispiel die Arbeiten von Prof. Degele (disclaimer: ist meine Promotionsbetreuerin), die sich damit beschäftigt hat, wie HomoöpathInnen moderne Informationstechnologie in ihre althergebrachten Wissensbestände und die damit verbundenen Praktiken einbauen.

    Aber ich schweife ab: Die Frage, die Christian stellt, finde ich halb-berechtigt. Berechtigt, weil (da geht’s dann aber um katholische Religion …) der Glaube an etwas keine Voraussetzung für die wissenschaftliche Beschäftigung damit sein sollte. Nicht oder nur teilweise berechtigt, weil es etablierte Praxis in der Wissenschaft ist, Schulen zu bilden, die nur teilweise rational erklärbar sind. Damit meine ich Sortierungen unterhalb von Disziplinen, die manchmal auch fast schon eher Glaubensfragen sind. Sagen wir als Beispiel mal: Keynes oder Friedman in der Wirtschaftswissenschaft …

  11. #11 Anka
    23. Oktober 2009

    Ich habe das Stellenangebot schon vor Wochen mal gesehen (und bin da erstmals auf den Homöophatie-Master aufmerksam geworden).

    Ich bin Sozialwissenschaftler, dachte mir aber, dass ich wohl spätestens im Vorstellungsgespräch rausfliegen würde, wenn ich meine Meinung zum Hokuspokus, äh, zur Homöophatie ausdrücken würde.

  12. #12 Sannah
    23. Oktober 2009

    Für mich als “alte Ärztin” (Approbation 1986) wird in der Ausschreibung vor allem eines deutlich: es geht nicht um die inhaltliche Gestaltung des Studienganges. Denn dazu wird keine Anforderung gestellt. Es geht um eine Positionierung, um Finanzierung, um Akquise – und das alles kann ich als “Projektmanagerin” ohne geringsten Bezug zum ethischen/wissenschaftlichen/realen Wert meines Objektes bearbeiten. Und werde im “negativen Fall” auch meine Einstellung zum Thema gut verkaufen können: “Ich kenne die Argumente der Gegner …”
    Welcher Studiengang – wenns denn überhaupt einer sein muss – für eine solche Position der richtige ist, weiß ich nicht. Es braucht aber sicher keinen, der dem Thema inhaltlich nahe kommt! Drum darf ich auch zweifeln…………. sollte das dann aber gut verkaufen können.

  13. #13 wolfgang
    26. Oktober 2009

    Interessant ist ja auch die Stellenbeschreibung- der/die Sozialwissenschaftlerin soll Drittmittel einwerben. So nach dem Motto “durch die Weltwirtschaftskrise haben sie 90% des Wertes ihre HypoReal Estate Aktien verloren investieren Sie den Rest, damit der dann auch futsch ist”.
    Der/die Bewerberin sollte unbedingt gute Hypnoseerfahrungen haben und zumindest einen Bachelor “in über den Tisch ziehen” haben

  14. #14 Christian Reinboth
    26. Oktober 2009

    @Till Westermayer:

    Da spricht vielleicht meine Unkenntnis sozialwissenschaftlicher Studiengänge, aber die wesentlichen Aufgaben – so wie Du sie auch zitierst – scheinen mir doch die Akquise von Fördermitteln und das Marketing, d.h. das Gewinnen von Studenten zu sein. Dafür würde ich eher einen BWLer einstellen, der sich auf Marketing spezialisiert hat – oder eben einen Akademiker gleich welcher Fachrichtung, der schon mal einen Studiengang erfolgreich mitaufgebaut hat. Warum hier die Sozialwissenschaften besonders gefragt sind, hat sich mir noch nicht erschlossen…

    Eine Beschäftigung mit der Homöopathie im Sinne von Religionssoziologie oder Wissenssoziologie würde ich übrigens auch für vernünftig – und sogar hochspannend – halten, denke aber nicht, dass in Magdeburg tatsächlich “Nabelschau” betrieben werden soll. Den Verweis auf Keynes vs. Friedmann finde ich interessant – wäre es denn zulässig, wenn eine Uni einen Wirtschaftswissenschaftler mit der Begründung ablehnen würde, er sein Keynesianer…?

  15. #15 Till Westermayer
    26. Oktober 2009

    @Christian: es passt jedenfalls zu aktuellen Debatten um die Berufskompetenz von Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen, vgl. typischesweise: https://www.manager-magazin.de/koepfe/karriere/0,2828,307554,00.html

    Keynes vs. Friedman: Ob die These wirklich zutrifft, wäre empirisch zu untersuchen. Aus dem Bauch raus halte ich das jedenfalls für sehr plausibel – selbst wenn’s nicht in den offiziellen Ausschreibungen steht, sondern sich jeweils aus Hochschultraditionen heraus ergibt. Soll heißen: die Kriterien, nach denen – bleiben wir bei den Wirtschaftswissenschaften – Eignung bestimmt wird, sehen in Bremen anders aus als in Köln oder Mannheim.

  16. #16 guckmal
    26. Oktober 2009

    Weiß jemand, wo dieser “Studiengang” akkreditiert wird? Ich finde nichts – und ohne Akkreditierung kein Studiengang…
    TV-L E13 – ich fass es nicht.