Am Wochenende bin ich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „pro” über ein schönes Interview mit „Alpha Centauri”-Moderator Harald Lesch gestolpert, der sich als „Protestant vom Scheitel bis zur Sohle” outet und erklärt, warum wissenschaftliche Arbeit und Glaube sich nicht ausschließen.
„Alpha Centauri” und „abenteuer forschung” gehören bekanntlich zu den wenigen Sendungen im deutschen Fernsehen, die man wirklich uneingeschränkt empfehlen kann. Dies liegt nicht zuletzt an der Person von Harald Lesch, der wissenschaftliche Fragestellungen immer wieder spannend und anschaulich vermittelt. Umso mehr habe ich mich über das Lesch-Interview im Medienmagazin „pro” und sein klares Bekenntnis zur Vereinbarkeit von Wissenschaft und Glauben gefreut. Auf den drei Seiten finden sich einige spannende Aussagen, die ich hier nur zu gerne zitieren würde – da ich den Bogen des Urheberrechts aber nicht überspannen will, beschränke ich mich auf zwei Fragen und verweise ansonsten auf den wirklich lesenswerten Volltext auf der pro-Webseite (Seite 9-11 im verlinkten PDF).
Über die Frage, warum er sich öffentlich zum Protestantismus bekennt:
„Wenn ich mich da so klar bekenne und sage: Ich bin Protestant von Scheitel bis zur Sohle, dann, weil ich auf Leute treffe, die mich entweder für völlig naiv halten […] oder die sagen, ich als Naturwissenschaftler solle doch mal ganz deutlich auf die Pauke schlagen. […] Für mich war es nie eine Frage, und die atheistische Weltsicht hat sich nie so herangedrängt, dass ich von meinem fröhlichen Protestant-Sein auch nur eine Sekunde weggekommen wäre. Da habe ich Glück gehabt. Denn ich merke im täglichen Zusammen- leben, auch bei der Arbeit, fast in allen Lebenslagen, dass sich mein Christsein als außerordentlich positiv erweist.”
Über die Frage, ob er oft dazu aufgefordert wird, für den Atheismus zu werben:
„Ja, klar. Ich habe auch viele Kollegen, die da ziemlich deutlich sind, und ich sage nur: Macht ihr mal. Da bin ich ganz entspannt. […] Über persönliche Erfahrungen lässt sich schwer streiten und diskutieren, wenn sie mal wieder von irgendeiner Atheisten-Gesellschaft gefragt werden, ob man Mitglied werden will. Ich habe mich schon dabei ertappt, wie ich einem gesagt habe: Ach, wissen Sie, wir sind alle lauter arme kleine Würstchen unter anderen armen kleinen Würstchen.”
Bildquelle: Wikipedia
Zu meinem Erstaunen habe ich heute früh festgestellt, dass drei Bekannte, die alle ebenfalls im Forschungsbereich tätig sind, mir den Artikel am Wochenende unabhängig voneinander zugemailt haben. Dem entnehme ich, dass so klare Worte eine Art seelisches Balsam für viele Kollegen sein dürften, die sich aufgrund ihrer Kirchenzugehörigkeit einem gewissen Rechtfertigungsdruck seitens der eher vokaleren Vertreter des Nicht-Glaubens ausgesetzt sehen. Gerade wenn man in einem naturwissenschaftlichen Bereich tätig ist, schlägt einem ja gelegentlich Erstaunen entgegen, wenn man sich zu einer Glaubensgemeinschaft bekennt (wobei natürlich die Optik im Vergleich zu Disziplinen wie der Biologie glücklicherweise ein eher tretminen- und fettnäpfchenfreies Terrain ist).
Dabei gibt es im auch Wissenschaftsbetrieb durchaus gläubige Kollegen – einer meiner ehemaligen Professoren nimmt beispielsweise seit Jahren regelmäßig Auszeiten in einem katholischen Kloster – die sich in ihrem beruflichen Umfeld aber kaum zu ihrem Glauben äußern, weil dies – aus einigen richtigen aber eben auch einigen falschen Gründen – in der heutigen Hochschullandschaft eventuell einiges an negativer Resonnanz hervorbrächte. Die überaus freudige Reaktion der Kollegen auf das Lesch-Interview hat mich auf jeden Fall mal wieder in meiner Überzeugung bestärkt, dass ein entspannterer Umgang mit Glaubensfragen in den Naturwissenschaften eine enorm wünschenswerte Sache wäre.
Ein weiteres schönes Plädoyer von Harald Lesch für eine Aussöhnung des Wissens mit dem Glauben habe ich noch bei youTube gefunden.
Übrigens: Ab dem 1. Januar wird es im ZDF eine neue Astronomie-Sendung mit dem bezeichnenden Titel “Leschs Kosmos” geben. Wenn das keine erfreuliche Nachricht ist…
Disclaimer: Bevor noch jemand dieses Posting falsch versteht – das soll jetzt keinesfalls der Startschuss zu einem ScienceBlogs-internen Wettbewerb der Köpfe werden („Wir haben Harry Potter!” „Wir haben Harald Lesch!”) – der Wert einer Weltanschauung lässt sich bekanntlich ohnehin nur äußerst unzureichend an der Zahl ihrer Anhänger bemessen. Ich fand es lediglich sehr erfrischend, dass sich ein prominenter Vertreter der deutschen Wissenschaftsgemeinde so offen zu der Überzeugung bekennt, dass sich ein persönlicher Glauben und wissenschaftliche Arbeit nicht ausschließen müssen. Ein “Mehr” an diesbezüglichem Dialog wäre – zumindest meiner Ansicht nach – durchaus von vielen KollegInnen gewünscht.
Kommentare (98)