Der Australische Magenbrüterfrosch ist eine der zahlreichen Arten, die während der vergangenen Jahrzehnte – auch durch das Tun des Menschen – vernichtet wurden – ein Verlust, den nicht nur Naturschützer, sondern vor allem auch Mediziner bedauern.
Es ist eine ungewöhnliche Kulisse, vor der die deutsche Bundeskanzlerin gestern über das Jahr der biologischen Vielfalt sprach: Vor Saurierskeletten im Berliner Naturkundemuseum ging es um den Klimawandel, die Zerstörung der Korallenriffe – und um den Australischen Magenbrüterfrosch (Rheobatrachus silus). Was aber macht eine eher wenig bekannte Froschart zu einem besseren Kronzeugen für das Artensterben als beispielsweise den Eisbären oder den Schneeleoparden?
Die Australischen Magenbrüterfrösche zeichnen sich – wie der Name bereits andeutet – vor allem dadurch aus, dass sie ihre Nachkommen im Magen austragen. Das Froschweibchen verschluckt dabei die eben gelegten Eier*, die Kaulquappen schlüpfen dann im Magen, wo sie sich zu Fröschen entwickeln, die anschließend aus dem Maul der Mutter schlüpfen. Damit die Kaulquappen nicht von der Magensäure der Mutter zersetzt werden, sondern sie einen ganz speziellen Säurehemmer ab, der für die medizinische Forschung als Grundstoff für Mittel gegen Magengeschwüre und Sodbrennen grundsätzlich von großem Interesse ist.
Die beiden einzigen Magenbrüter-Arten (Südlicher und Nördlicher Magenbrüterfrosch) verschwanden jedoch bedauerlicherweise Mitte der 80er Jahre, so dass die entsprechenden Forschungen leider wieder eingestellt werden mussten. Da das Aussterben primär auf eine Pilzerkrankung (Chytridiomykose) zurückgeführt wird, die ausschließlich Amphibien befällt, wird das Verschwinden des Magenbrüters vielfach als natürliches Aussterben abgetan. Das ist jedoch falsch, denn wie Laurance, McDonald & Speare bereits 1996 vermuteten**, ist das Auftreten dieser Krankheit in Australien mit großer Wahrscheinlichkeit eine direkte Folge des internationalen Handels – unter anderem mit Aquarienfischen:
The extreme virulence of putative frog pathogen suggests it is likely exotic to Australian rain forests. We propose that exotic pathogens may be responsible for some recent declines of amphibian populations on other continents and that the intercontinental spread of such pathogens is greatly facilitated by human activities such as the thriving international trade in aquarium fish.
Somit ist der Australische Magenbrüterfrosch in der Tat ein gutes Beispiel für den Verlust, den der vom Menschen mitverursachte Rückgang der Biodiversität für uns bedeutet – ganz abgesehen davon, welches erstaunliche Wunder der Natur da für immer verschwunden ist: Ein Lebewesen (das einzig bekannte überhaupt), das seine eigenen Eier frisst, damit die Nachkommen im Magen aufwachsen können! Wie viele noch unentdeckte Tier- und Pflanzenarten verschwinden wohl jeden Tag vom Antlitz des Planeten – und welches medizinische und sonstige Potenzial geht dabei verloren? 20? 40? 100? 130?
Die natürliche Aussterberate ist durch die vielfältigen Eingriffe des Menschen in seine natürliche Umwelt enorm angestiegen – so sind bereits knapp 50% aller Amphibienarten zumindest mittelbar vom Aussterben bedroht. Und jeder Tag könnte der Tag sein, an dem eine Möglichkeit Diabetes, Asthma oder sogar Krebs zu heilen für immer verschwindet, ohne dass wir es überhaupt bemerken…
Mehr zum UN-Jahr der biologischen Vielfalt beim BMU und beim NABU.
* Alternativ wird auch vermutet, dass die Kaulquappen erst schlüpfen und danach vom Weibchen verschluckt werden – eine Frage, die bedauerlicherweise nie wirklich geklärt werden wird…
**William F. Laurance, Keith R. McDonald and Richard Speare: Epidemic Disease and the Catastrophic Decline of Australian Rain Forest Frogs; Conservation Biology, Vol. 10, No. 2 (Apr., 1996), pp. 406-413.
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