Eine kuriose Gerichtsposse spielt sich derzeit in den USA ab: Eine Familie aus Baden-Württemberg erhält im Bundesstaat Tennessee politisches Asyl – unter anderem deshalb, weil an deutschen Schulen die Evolutionstheorie unterrichtet wird.

Bereits vor einem Jahr berichtete der Stern über Familie Romeike aus Baden-Württemberg, die aufgrund ihrer religiös begründeten Schulverweigerung in einer Art Dauerkonflikt mit den Behörden lebt.

Bei den Romeikes werden christliche Werte groß geschrieben – und genau die werden ihrer Ansicht nach durch das deutsche Schulsystem nicht vermittelt. Im Gegenteil. Mit Hexen, Vampiren und der Evolutionstheorie würden unsere Schulen stattdessen einen antichristlichen Unterricht fördern. Für Hannelore und Uwe Romeike war das Grund genug, ihre Kinder von der Schule zu nehmen – und sie fortan von zu Hause aus zu unterrichten.

Als man der Familie damit drohte, ihnen die Kinder zu entziehen, flüchtete sie in die USA und beantragte dort Asyl. Ein US-Einwanderungsrichter gab diesem Antrag gestern statt:

Der Fall der Familie Romeike hat am Dienstag eine weitere Wendung genommen. Richter Lawrence Burman in Memphis gab seine Entscheidung bekannt: Die aus Baden-Württemberg stammenden Eheleute Uwe und Hannelore Romeike dürfen im US-Bundesstaat Tennessee bleiben und ihre fünf Kinder wie gewünscht weiterhin selbst zu Hause unterrichten.

Die Begründung liest sich mehr als abenteuerlich:

Homeschoolers are a particular social group that the German government is trying to suppress. This family has a well-founded fear of persecution, therefore, they are eligible for asylum – and the court will grant asylum.

Im Grunde ist es einfach unglaublich: Die Vereinigten Staaten gewähren tatsächlich einer deutschen Familie Asyl, weil die das Schulsystem nicht christlich genug finden. Darüber musste ich heute früh beim Lesen des SPIEGEL-Artikels erst mal wegkommen. Auch und gerade als Protestant, der um die Vielfalt des konfessionellen Schulwesens in Deutschland weiß. Wobei die diesbezüglichen nicht-kreationistischen Angebote der Familie ja offenbar nicht genehm waren…

Mein persönliches Highlight ist übrigens dieser Satz:

We can not expect every country to follow our constitution. The world might be a better place if it did. However, the rights being violated here are basic human rights that no country has a right to violate.

Für die Bundesregierung könnte der Affront nun zu einem Problem werden – denn immerhin kann es ja “politisch Verfolgte” prinzipiell nur in einem Unrechtsstaat geben. Noch hätte es die US-Regierung in der Hand, das Urteil des Einwanderungsgerichts zu kippen – fechtet die Obama-Administration die Entscheidung nicht an, wäre ein Präzedenzfall mit weitgehend unklaren Folgen geschaffen…

Vielleicht erfreut uns Ali ja noch mit einer Analyse aus Experten-Sicht…

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Schulwegweiser in Lüneburg
(Foto: Joachim Müllerchen, gefunden in der Wikipedia)


Weiterführende Links:

Deutsche Welle: US judge grants German homeschooling family asylum
Telegraph: German homeschoolers granted political asylum in US
pro: Homeschooler erhalten Asyl in den USA
evangelisch.de: Schulpflichtgegner finden “politisches Asyl” in den USA

Kommentare (118)

  1. #1 Lars Fischer
    28. Januar 2010

    Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der erste Autobahnraser Asyl beantragt, weil er wegen der Ausübung seiner persönlichen PS-Religion dauernd Strafzettel bekommt…

  2. #2 Christian Reinboth
    28. Januar 2010

    @Lars: Da hätte er aber in den USA Pech – immerhin gilt da ein Tempolimit…

    Ich bin ja der Ansicht, wir sollten im Gegenzug jedem jugendlichen Ami politisches Asyl gewähren, der sich nicht an die “Alkohol-erst-ab-21”-Regeln hält und deshalb vom System verfolgt und unterdrückt wird.

  3. #3 Ludmila
    28. Januar 2010

    Super. Da schirmen diese Eltern ihre Kinder vor allen Ansichten außer den elterlichen ab, damit die Kinder ja nicht auf andere Ideen kommen als die Eltern selbst.

    Bin ich die einzige, der bei so einer Gesinnung die kalte Wut hochsteigt? Wie erbärmlich ist es, wenn die Eltern die Geisteswelt ihrer Kinder als ihr persönliches Eigentum ansehen? Immer wird auf das Recht der Eltern gepocht. Aber was ist mit den Kindern? Was ist denn bitte mit deren Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit? Und was passiert, wenn es zu Hause Missbrauch und Misshandlung gibt? Es ist jetzt schon schwer genug, herauszufinden ob in Familien was schief läuft. Aber wenn Eltern das Recht zugeschrieben bekommen, ihre Kinder völlig abzuschotten, dann wird es völlig unmöglich. Dann werden solche Kinder effektiv Sklaven ihrer Eltern und der Staat schützt das auch noch, weil es halt “deren Recht” ist.

    Ich bin daher ein absoluter Gegner von Homeschooling. Eltern haben nicht das Recht, Ihre Kinder gefangen zu halten.

  4. #4 Christian Reinboth
    28. Januar 2010

    @Ludmila: Das Problem ist, dass es – wenn man so etwas wie Homeschooling gestattet – strenge Auflagen und irgendeine Form der Kontrolle geben muss. Die Vorstellung, dass religiöse Sektierer oder auch politische Extremisten ein grundsätzliches Anrecht darauf haben, dass ihre Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ausschließlich mit dem ihnen genehmen Gedankengut in Kontakt kommen, scheint mir ganz grundsätzlich nicht demokratiekonform zu sein, da es die Entwicklung der Kinder zu mündigen Bürgern klar unterbindet. Nun gibt es ja aber auch “normale” Eltern, die beim Homeschooling unter Umständen einen wirklich guten Job machen würden – wie würdest Du das beurteilen? Ich sehe das Hauptproblem darin, dass man letzteres kaum gestatten kann, ohne damit gleichzeitig den totalen Wildwuchs zu fördern…

  5. #5 Carl
    28. Januar 2010

    “We can not expect every country to follow our constitution. The world might be a better place if it did. However, the rights being violated here are basic human rights that no country has a right to violate.”
    Oho. Der Satz hat es in sich.
    “Artikel 26
    1. Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.
    2. Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.
    3. Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.”
    “Artikel 30
    Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat.”
    Das hätten die Richter mal lesen sollen. Artikel 26 3. darf wohl nicht so ausgelegt werden, dass er Artikel 26 1-2 beseitigt. Unterricht von Personen, die die Bibel wörtlich auslegen und die Evolution abstreiten, kann man wohl kaum als Bildung bezeichnen…

  6. #6 schlappohr
    28. Januar 2010

    Was wird nur aus den lieben Purzeln, wenn sie mal erwachsen sind und raus müssen in die Antichristenwelt, wo die Realität mit erbarmungsloser Härte zuschlägt. Ob die Glaubensprogrammierung mit diesem Input klarkommt? Wie reagieren sie, wenn sie erkennen, dass die Realität außerhalb der Bibel stattfindet?

  7. #7 Hans
    28. Januar 2010

    Da hab’ ich überhaupt kein Problem mit, dass die nicht mehr in Deutschland wohnen…

  8. #8 gerry
    28. Januar 2010

    “Wie reagieren sie, wenn sie erkennen, dass die Realität außerhalb der Bibel stattfindet?”

    Ignorieren werden sie diese Realität.

    Kenne aus meiner persönlichen Umgebung genug – glücklicherweise nicht ganz so radikale – Evangelikale.

    Eine vernünftige Diskussion über Messergebnisse, bestätigte wissenschaftliche Theorien, Unstimmigkeiten in der Bibel, etc.. wird von solchen Leute mit “Wenn man daran glauben will…” abgetan.

    Dieser Menschenschlag ist so verbohrt und in seinem eigenen festgefügten Weltbild gefangen dass jede Bemühung auf Alternativen zu verweisen vergeblich ist.

    Daraus kann man auch schließen dass die Wissenschaftskommunikation schon bei den Kindern anfangen muss (um auf ein anderes bei SB häufig diskutiertes Thema zu kommen).
    Wenn man Kindern mit ständiger Gehirnwäsche das eigene Denken abgewöhnen kann, müsste es doch auch möglich sein ihnen durch ständige Ermunterung und Anleitung das eigene, kritische Denken geradezu “einzuimpfen”…

  9. #9 Ludmila
    28. Januar 2010

    @Christian:

    Ich sehe das Hauptproblem darin, dass man letzteres kaum gestatten kann, ohne damit gleichzeitig den totalen Wildwuchs zu fördern…

    Genau das ist mein Problem. Mir geht es dabei zunächst mal gar nicht so sehr um den Erhalt der Demokratie, die eben durch den freien Austausch von Ideen lebt. Das ist für die meisten Menschen als Argument viel zu unkonkret.

    Mir geht es vor allem um die Kinder an sich, wenn man Eltern absolute Verfügungsgewalt zugesteht, die sich kaum kontrollieren lässt.

    Es gibt ja nicht nur religiöse Sektrierer und Extremisten. Es gibt auch schlicht komplett durchgeknallte Eltern, die ihre Kinder als ihr persönliches Eigentum betrachten. Wobei es da sicherlich eine Schnittmenge gibt.

    Die Kontrolle besteht z.B. in den USA wohl darin einmal im Jahr die Kinder einen Test machen zu lassen, damit man kontrollieren kann, ob das Wissen das erforderliche Niveau hat. Aber das ist ja wohl ziemlich lächerlich leicht zu umgehen und auszutricksen. Wie ja auch die Fälle der religiösen Sketrierer in den USA zeigen, die sich mal eben einen Harem an 16jährigen (Sexsklavinnen/Kindfrauen) zulegen und junge Männer als unliebsame Konkurrenten ausstoßen, die dann nicht wissen wohin, weil die “draußen” nicht zurecht kommen.

    So etwas kommt nun mal dabei raus, wenn man jemandem viel Macht zugesteht. Irgendjemand wird sie ganz sicherlich missbrauchen. Es ist jetzt bereits schwer genug Missbrauch der elterlichen Gewalt zu erkennen. Und selbst wenn die Eltern nur das Beste im Sinn haben…Irgendwann müssen diese Kinder raus ins reale Leben. Wie sollen die denn zurecht kommen, wenn die nie gelernt haben sich gegen Widerstände durchzusetzen und in einer Art “heile Welt”-Blase feststeckten?

    Oder wollen wir Parallelgesellschaften, die ohne Berührungspunkte nebeneinander leben? Das geht auf lange Sicht nie gut.

    Den Kindern und letztendlich unserer Gesellschaft zuliebe können wir homeschooling nicht dulden.

  10. #10 Christian W
    28. Januar 2010

    “We can not expect every country to follow our constitution. The world might be a better place if it did. However, the rights being violated here are basic human rights that no country has a right to violate.”
    Oho. Der Satz hat es in sich.

    Ist aber in den USA kein Zeichen von Provinzialität oder Unbildung. Aus US-Sicht ist Deutschland undemokratisch organisiert, da keine Trennung zwischen Legislative und Exekutive existiert. Die Regierung rekrutiert sich aus dem Bundestag, indem sie dessen Mehrheiten widerspiegelt. Auf diese Weise kann kein “Checks and Balances” stattfinden, da Gesetzgebung und Regierung automatisch in einer einzigen Gewalt vereint sind. Für die Amis ist Deutschland eine oligarchische Diktatur mit scheindemokratischem Anstrich und seitdem das deutsche Volk die Einheit der Demokratisierung vorgezogen hat, fühlen sie sich auch nicht mehr dafür zuständig.

    Auf der anderen Seite kann man obigem Satz natürlich auch jederzeit Liberia entgegenhalten.

  11. #11 Christian Reinboth
    28. Januar 2010

    @Christian W:

    Aus US-Sicht ist Deutschland undemokratisch organisiert, da keine Trennung zwischen Legislative und Exekutive existiert. […] Für die Amis ist Deutschland eine oligarchische Diktatur mit scheindemokratischem Anstrich…

    Angesichts der Rolle, die die USA beim Aufbau der Demokratie in Westdeutschland gespielt haben, kann ich mir das allerdings kaum vorstellen…

  12. #12 Christian Reinboth
    28. Januar 2010

    @Ludmila:

    So etwas kommt nun mal dabei raus, wenn man jemandem viel Macht zugesteht. Irgendjemand wird sie ganz sicherlich missbrauchen.

    Das ist natürlich richtig, wirft aber die fundamentale Frage auf, um welchen Grad man die Freiheiten aller beschneiden will, um dem Mißbrauch durch einzelne vorzubeugen…

    Und selbst wenn die Eltern nur das Beste im Sinn haben…Irgendwann müssen diese Kinder raus ins reale Leben.

    Aus meiner Sicht nach wie vor das beste Argument gegen Homeschooling. Selbst wenn die Eltern sich bestmöglich bemühen, kann ich mir kaum vorstellen, dass den Kindern hinsichtlich ihrer sozialen Fähigkeiten keine Nachteile entstehen. Wobei ich zugeben muss, mich mit dem Thema bislang nur kursorisch befasst zu haben. Und immerhin darf man ja z.B. in Österreich auch “homeschoolen” – und da sind mir diesbezüglich bislang keine negativen Schlagzeilen aufgefallen…

  13. #13 Christian W
    28. Januar 2010

    Christian, der US-Masterplan für den Demokratie-Aufbau in Deutschland hat weder Adenauer noch die Sowjets, den eisernen Vorhang oder die Wiedervereinigung vorgesehen. Das Grundgesetz war quasi als Lesson One gedacht, auf der aufbauend den obrigkeitshörigen und pathologisch rückfallgefährdeten militaristischen Deutschen eine “richtige” Demokratie beigebracht und schmackhaft gemacht werden sollte. War halt nötig, weil sie davor den Nerv hatten, ein “richtig” demokratisches System so spielend zu umgehen und im weiteren Verlauf ganz abzuschaffen, die Rindviecher.

    Dass der Alte dann so ein Dickkopf war, man die Demokratie-Ausbildung des besetzten Volkes der Russen und der prinzipiellen strategischen Weltsituation wegen abkürzen und 50 Jahre danach komplett abbrechen musste, konnten die Amis weder vorhersehen noch ändern. Darum ging es mir ja mit “seitdem das deutsche Volk die Einheit der Demokratisierung vorgezogen hat, fühlen sie sich auch nicht mehr dafür zuständig”.

  14. #14 Pawel
    28. Januar 2010

    Die Vereinigten Staaten gewähren tatsächlich einer deutschen Familie Asyl, weil die das Schulsystem nicht christlich genug finden.

    Das hat, glaube ich, nichts mit dem Urteil zu tun. Es ist in diesem Fall egal, ob die Familie, christlich, satanistisch, flacherdlich oder sonst wie gesinnt ist – der Asylgrund ist ein “Recht auf Schulverweigerung”. Ich finde es unangebracht, aber im Rahmen des US-Gesetzsystems (und insbesondere der liberalen Mentalität) ist das nur konsequent: Niemand soll gezwungen werden, etwas zu tun, was er nicht will; und für Kinder sind Eltern verantwortlich, nicht der Staat. Wir sollten aber auf jeden Fall abwarten, bis eine schriftliche Begründung des Urteils da ist, bevor wir die USA wieder als radikal christlich und fundamentalistisch abstempeln.

  15. #15 Christian Reinboth
    28. Januar 2010

    @Pawel

    Wir sollten aber auf jeden Fall abwarten, bis eine schriftliche Begründung des Urteils da ist, bevor wir die USA wieder als radikal christlich und fundamentalistisch abstempeln.

    Im Urteil wird sich zu den religiösen Hintergründen vermutlich nichts finden (das dürfte eher auf das Verbot von Homeschooling im Allgemeinen abzielen), meiner Ansicht nach sollte man die religiöse Komponente in diesem Fall trotzdem nicht ignorieren. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass z.B. der Asylantrag eines politisch extremen Ehepaars bewilligt worden wäre. Auf die Urteilsbegründung bin ich natürlich trotzdem gespannt – noch konnte ich aber außer einigen Ausschnitten im Netz nichts finden…

  16. #16 Florian Freistetter
    28. Januar 2010

    Was wäre wohl passiert, wenn eine Familie in den USA um Asyl ansucht, weil in die Kinder in deutschen Schulen kein kommunistisches Weltbild vermittelt bekommen und ihnen das homeschooling untersagt wird? Ich tu mir schwer damit zu glauben, dass sie dann auch Asyl bekommen würden…

  17. #17 Pawel
    28. Januar 2010

    @Christian, Florian:

    Es ist eine interessante Frage. Ich glaube durchaus, dass die Chancen auf Asyl für eine Familie, die die Kinder aus politischen Gründen nicht zur Schule schicken will, da wären. Andererseits: Ich glaube auch nicht, dass die Romeikes damit bei jedem Richter und in jedem Bundesstaat durchgekommen wären. Wie gesagt: Man sollte aus einem einzelnen Urteil, das auch noch nicht in schriftlicher Form vorliegt, nicht zu viel ableiten.

  18. #18 Christian W.
    28. Januar 2010

    …oder wenn sich die Asylbewerber Ali und Fatima Hamadinadschad in Deutschland verfolgt fühlen, weil ihre Kinder in deutschen Schulen kein islamisches Weltbild vermittelt bekommen und ihnen das homeschooling untersagt wird?

  19. #19 Thilo
    28. Januar 2010

    oder wenn sich die Asylbewerber Ali und Fatima

    Fatima ist ein katholisches Heiligtum, kein islamischer Vorname …

  20. #20 Jörg
    28. Januar 2010

    Fatima ist ein katholisches Heiligtum, kein islamischer Vorname …

    Natürlich ist er das. Fatima war die Tochter von Mohammed. Und Fatima ist auch kein Heiligtum, sondern ein Wallfahrtsort, von dem Leute sich Wunderheilungen erwarten. Der Ort ist angeblich nach der Tochter eines maurischen Fürsten benannt.

  21. #21 Christian Reinboth
    28. Januar 2010

    @Thilo, Jörg: Ist beides richtig. Natürlich ist Fatima (eigentlich Fátima) ein bekannter Wallfahrtsort, andererseits aber eben auch ein gebräuchlicher arabischer Name, siehe:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Fatima

  22. #22 leuchtmuschel
    28. Januar 2010

    Bei einen beruflichen Aufenthalt in Dallas (1995) bin ich mit Eltern in Kontakt gekommen, die ihre Kinder selbst unterrichten. Sie waren Angehörige von einer Baptisten-Gemeinde. Die Organisation ihres Privatunterrichts war ausgezeichnet und wurde von staatlichen Behörden regelmäßig geprüft. Wichtig war den Behörden der Nachweis, daß Auflagen von Behörden auch erfüllt wurden. Im Haus von einer Großfamilie war im ersten Obergeschoß ein richtiges Klassenzimmer mit der dafür nötigen Infrastruktur eingerichtet. Das Klassenzimmer konnte 10 Schülern Platz bieten. Die Hauptverantwortung und Hauptlast des Unterrichts übernahm die Mutter von dieser Großfamilie. Sie hatte die dafür nötige offizielle nachgewiesene Ausbildung. Die Unterrichtung der Nebenfächer fand gelegentlich durch andere Elternteile statt. Das Hin- und Zurückbringen der Kinder vom Schulunterricht war gut organisiert. Das war auch nötig, denn Bussverbindungen werden in den USA nicht so mit staatlichen Hilfen unterstützt wie in Deutschland. Der Schulweg mußte mit Autos organisiert werden. Das Niveau des Unterrichts war ausgesprochen gut (Ich war neugierig geworden und setzte mich wieder in eine Schulbank). Die Prüfungen/Klassenarbeiten fanden alle an staatlichen Schulen statt. Da war nichts privat. “We don’t want that our children becomes isolated from the world’s life. On the other hand, we must protect our childs from bad examples in social life, that will raise more and more in official schools.” Natürlich wurden die Kinder auch in Evolutionstheorie unterrichtet: “We teach our children evolution theory, but only that, we know that’s true. But, we don’t want teach evolution as one religion the offical schools do, replacing the lord as creator.”

  23. #23 Gluecypher
    28. Januar 2010

    @Pavel

    Ich glaube auch nicht, dass die Romeikes damit bei jedem Richter und in jedem Bundesstaat durchgekommen wären.

    Naja, in den USA ist die Rechtssprechung extrem auf Einzelfallentscheidungen aufgebaut. Wenn einmal ein Richter entschieden hat, dass Homeschooling (oder das Verbot desselben) ein Asylgrund ist, dann ist das mehr oder weniger für alle anderen bindend. Man muss nur behaupten, dass man die Kinder zuhause Unterrichten will und dass einem das in dem Staat, in dem man lebt, verboten wird. Der ideologische Hintergrund ist da eher egal.

    We can not expect every country to follow our constitution. The world might be a better place if it did.

    Genau, lasst uns alle wieder die Todesstrafe einführen und jeden, der mag, wieder eine Knarre mit sich rumschleppen lassen.

  24. #24 Anhaltiner
    28. Januar 2010

    @Thilo Fátima in Portugal wurde nach einer maurischen Prinzessin benannt. Ist wohl doch ein in der arabischen Welt verbreiteter Vorname (“Die, die sich entwöhnt”)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fatima_%28Vorname%29

  25. #25 Pawel
    28. Januar 2010

    @Gluecypher
    Ich kenne mich nicht so gut mit der US-Recht aus. Ich glaube aber eh, dass das Urteil nur für Gerichte gleicher Stufe bindend ist, dass ein Berufungsgericht also in einem anderen Fall anders entscheiden kann.

  26. #26 JV
    28. Januar 2010

    Was wird nur aus den lieben Purzeln, wenn sie mal erwachsen sind und raus müssen in die Antichristenwelt, wo die Realität mit erbarmungsloser Härte zuschlägt. Ob die Glaubensprogrammierung mit diesem Input klarkommt? Wie reagieren sie, wenn sie erkennen, dass die Realität außerhalb der Bibel stattfindet?

    Gar nichts werden die. Die werden ein evangelikales Predigerseminar besuchen und Missionare oder Prediger werden. Die kommen nie wieder mit der normalen Welt in Kontakt.

  27. #27 JV
    28. Januar 2010

    PS: Der Wegweiser hat mich überrascht. Bin als Schüler oft genug an ihm vorbeigeradelt…. 😉

  28. #28 schulze
    28. Januar 2010

    auf freiewelt.net läuft gerade eine abstimmung zum homeschooling: https://www.freiewelt.net/poll.php?id=31

  29. #29 itz
    28. Januar 2010

    Laut Uno Kinderrechtskonvention und laut Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besteht ein Recht auf Homeschooling.
    Beide Verträge hat Deutschland unterzeichnet, und die UNO hat vor drei Jahren schon mal auf dieses Problem aufmerksam gemacht:
    „Es sollen alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, damit das so genannte “homeschooling” vom Staat ordnungsgemäß überwacht und das Recht der Väter und Mütter gewährleistet wird, diese Schulform unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes weiterzuentwickeln, wenn dies notwendig oder angemessen erscheint.“

    Außerdem ist Homeschooling eine durchaus erfolgreiche Schulform. In den USA schneiden die Homeschooler in allen Bereichen (auch sozialer Kompetenz) im Durchschnitt besser ab als die Schüler öffentlicher oder privater Schulen.

  30. #30 YeRainbow
    28. Januar 2010

    Kann ja alles sein.
    Aber andere Asylbewerber werden nicht anerkannt, und diese lassen dann mitunter ihr leben – gewaltsam durch Fremdeinwirkung, was sie als Asylgrund angaben.

    Verhältnismäßigkeit?

  31. #31 Egozentrum
    28. Januar 2010

    Warum gehen die nicht einfach nach in die Schweiz, oder in ein EU-Land. Da ist es ja nicht verboten, warum muss es grade nach Amerika gehen?

  32. #32 Becky
    28. Januar 2010

    Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich war immer USA-Fan, aber mit der Zeit hat sich das immer mehr abgekühlt. Das setzt dem ganzen die Krone auf. Grundlegende Menschenrechtsverletzung? Was fällt dem Kerl ein? Nur weil sein Land nicht in der Lage ist Kinder zu schützen wird er stinkig und arrogant und ist sauer, dass Kinder in Deutschland tatsächlich Rechte haben und man sie nicht mit dem Gürtel prügeln und sozial abschirmen kann? Ich warte noch auf den Tag, an dem wirklich auch noch jemand Asyl beantragt, weil hier körperliche Züchtigung verboten ist. In Amerika kann er seine kranken Erziehungsmethoden dann ja ausleben, ohne “politisch verfolgt” zu werden. Ich bin einfach angewidert von diesem Urteil und erwarte klare Worte dazu von unsere Kanzlerin.

  33. #33 JKatins
    28. Januar 2010

    Ich bin erschüttert, wenn ich mir die Kommentare hier durchlese. Es ist erschreckend, mit welcher Ignoranz die meisten Kommentar-Schreiber das Recht der Eltern verneinen, die Erziehung ihrer eigenen Kinder bestimmen zu dürfen. Hier herrscht offensichtlich die Meinung vor, allein der Staat sei legitimiert zu bestimmen, welche Erziehung für die Kinder richtig sei und welche nicht. Eine solche Ansicht führt uns jedoch direkt in den Toralitarismus, solche Vorstellungen sind grundlegend für faschistische oder sozialistische Gesellschaftsformen.

    Auch finde ich es immer wieder erstaunlich, wie nonchalant man Kindern Sachen zumutet, die Erwachsene nie im Leben mit sich machen lassen würden. In Zusammenhang mit Schule muss man sich doch einmal ganz klar vergegenwärtigen:

    Schule ist staatliche Freiheitsberaubung!

    Dort werden Menschen gezwungen, zehn Jahre ihres Lebens abzusitzen.
    Das Argument des Kindeswohls wird dabei zwar immer bemüht, es interessiert aber in Wirklichkeit überhaupt nicht. Selbst wenn die Eltern in der Lage sind, den Kindern eine bessere Bldung, bessere Kompetenzen zu vermitteln (das ist bei der Qualität unseres öffentlichen Schulsystems nicht weiter schwierig), dürfen sie es aus Prinzip nicht. Und das Prinzip heißt: Der Staat hat immer Recht! (Die Partei hat immer Recht, oder der Führer oder die Kirche oder …)

    Wir leben zwar in einer demokratischen Gesellschaftsform, doch auch hier gibt es totalitäre Tendenzen. Staatliche Institutionen haben nun mal das Bestreben, ihren Einflussbereich immer weiter auszudehnen. Man kann dies besonders schön am öffentlichen Schulwesen beobachten. Immer wenn ein gesellschaftliches Problem in den Medien auftaucht, kommt ganz schnell die Forderung auf, dieses Problem durch das Wirken der öffentlichen Schule zumindest für die zukünftige Generation zu beseitigen. Ist die Umwelt zu verschmutzt, muss dringend eine Umwelterziehung in der Schule vermittelt werden. Schmeißt irgend jemand auf einem jüdischen Friedhof Steine um, muss verstärkt der Nationalsozialismus unterrichtet werden. Machen zu wenige Kinder aus Arbeiterfamilien Abitur, muss die öffentliche Schule das irgendwie ausgleichen.
    Die Aufgaben der öffentlichen Schulen ufern dabei immer mehr aus, der Staat zieht immer mehr Verantwortung von den Eltern auf sich. Die Eltern, und damit zwangsläufig auch die Kinder, werden immer mehr in ihren Rechten beschnitten.

    Um solchen totalitären Tendenzen zu entgehen, gäbe es mehrere Möglichkeiten. Dazu gehören etwa die demokratische Wahl des Schuldirektors oder das Recht auf Privatschulen oder eben das Recht auf Home-Schooling.

  34. #34 Thilo Kuessner
    28. Januar 2010

    @ JKatins
    Es ist wohl eher umgekehrt: in einer öffentlichen Schule werden sich positive und negative Einflüsse, unterschiedliche politische und weltanschauliche Ausrichtungen etc.pp. in der Summe mehr oder weniger ausgleichen (mal mehr, mal weniger).
    In einer Schule (egal, ob privat, staatlich oder religiös) werden nicht alle Lehrer dieselben Ansichten vertreten und die Schüler werden auf jeden Fall mit unterschiedlichen Sichtweisen konfrontiert.
    Totalitäre Tendenzen befördert eher das Home-Schooling, denn dort kann (muß natürlich nicht) die Ausrichtung u.U. schon sehr einseitig sein.

    Und zu ihrer Kritik an Umwelterziehung, Unterricht zum Nationalsozialismus etc.: was hat das mit der Frage der Schulträgerschaft zu tun? Warum glauben Sie, daß Eltern, die ihre Kinder zuhause unterrichten, diese nicht (im positiven oder negativen) politisch indoktrinieren könnten? Oder anders gefragt: was wäre, wenn irgendwelche RAF-Sympathisanten oder militante AKW-Gegner (oder z.B. NPD-Mitglieder u.ä.) ihre Kinder zuhause unterrichten wollten, damit diese die richtige politische Prägung bekommen? Sollte man das dann auch tolerieren?

  35. #35 JV
    29. Januar 2010

    Die Aufgaben der öffentlichen Schulen ufern dabei immer mehr aus, der Staat zieht immer mehr Verantwortung von den Eltern auf sich. Die Eltern, und damit zwangsläufig auch die Kinder, werden immer mehr in ihren Rechten beschnitten.

    Zum Beispiel?

  36. #36 Kristin
    29. Januar 2010

    “Schule ist staatliche Freiheitsberaubung! Dort werden Menschen gezwungen, zehn Jahre ihres Lebens abzusitzen.”

    Schule ist ja wohl kaum pures Absitzen. Ich will gar nicht wissen, wo Deutschland landen würde, wenn es nur nach den Eltern der Kinder geht und diese den Kindern nur das beibringen, was sie für richtig und wichtig erachten.

    “Selbst wenn die Eltern in der Lage sind, den Kindern eine bessere Bldung, bessere Kompetenzen zu vermitteln (das ist bei der Qualität unseres öffentlichen Schulsystems nicht weiter schwierig), dürfen sie es aus Prinzip nicht. Und das Prinzip heißt: Der Staat hat immer Recht! (Die Partei hat immer Recht, oder der Führer oder die Kirche oder …)”

    Oh, der Rundumschlag. Ich bin froh, daß Eltern wie Sie nicht über alles im Leben Ihrer Kinder entscheiden dürfen.

  37. #37 tatjana
    29. Januar 2010

    Vieles, was ich hier gelesen habe ist erwähnenswert. Jedoch wird jeder hier zugeben müssen, dass das deutsche Schulsystem versagt hat. Dies zeigen einige Studien, denen mag man glauben oder nicht. In meinem Freundeskreis macht sich die Hilflosigkeit breit und das unter Lehrern und Eltern. Die Gesellschaft hat sich in den letzten 30 Jahren sehr stark verändert. Die Politik hat es versäumt dieser neuen gesellschaftlichen Entwicklung einen Schritt voraus zu sein und ein passenederes Schulsystem zu etablieren, was auch keine einfache Aufgabe ist. Denn die multi-kulturelle Gesellschaft verlangt nach genauem Wissen über die unterschiedlichen Kulturen und einer geistigen Aufgeschlossenheit von beiden Seiten. Über das genaue Wissen verfügt ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung und mit der Aufgeschlossnheit verhält es sich ähnlich.
    Die “multi-kulti Geschichte” ist noch das kleinste Problem. Die ganze westliche Gesellschaft verfällt dem Konsumrausch und einem Medienwahn und die Schule soll eine neue Generation von Menschen erziehen, welche besser sind? Wie soll das gehen? Vielleicht war die Welt schon immer von Äußerlichkeiten geprägt, nur habe ich es in meiner Schulzeit nicht gemerkt. Ich bin zur Schule gegangen, doch haben meine Eltern noch viel mehr in meine Bildung investiert. Ich finde man sollte sich schon ein Paar Gedanken dafür machen, wohin das alles führt. Die Bürokratie in diesem Land macht Reformen unmöglich. Reformen für heute und jetzt, weil morgen der Zug schon abgefahren ist.
    Und an die angebliche Fürsorge des Staates, welche die Schulpflicht ausdrücken soll
    glaube ich nicht. Es gibt keine ideale Regel für alle, da kann der Staat unendlich viele Gesetzbücher schreiben. Es kann auch nicht jeder Bürger kontrolliert werden, aber vielleicht kann der Staat dafür sorgen, dass die Gesetzauslegung den Ausnahmefall berücksichtigt.
    Wir haben schon längst den Überblick verloren. Bald dauert ein Rechtsstudium 10 Jahre und wenn man fertig ist, kann man gleich wieder von vorne anfangen, damit man auf dem letzten Stand ist. Ich übertreibe, aber ist es nicht so?!
    Ich bin keine fanatische Anhängerin der Evangeliker. Vielleicht steht in der Bibel nichts über die Evolutionstheorie (THEORIE!!!), aber vielleicht steht dort etwas anderes, etwas ebenfalls wichtiges. Etwas, was dem Beamten dieses Staates hilft eine solche Entscheidung zu fällen, welche eine Familie schützt und nicht bedroht und zerstört.
    Das alles kann man sich fragen, oder???
    Dass eine deutsche Familie, deren Bildung vielleicht etwas einseitig geprägt ist, aber sicher über dem Bundesdurchschnitt liegt (so scheint es mir, ich möchte darüber eigentlich nicht urteilen) Asyl in einem anderen land beantragt ist alarmierend.

  38. #38 Kristin
    29. Januar 2010

    Wieder jemand, der nicht verstanden hat, was eine Theorie (THEORIE!!!!) ist.

    Was mich interessiert ist, ob die Eltern der Kinder in eine normale Schule gegangen sind.

  39. #39 JV
    29. Januar 2010

    “aber vielleicht steht dort etwas anderes, etwas ebenfalls wichtiges.”

    Wird im Religionsunterricht behandelt. So what?

  40. #40 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @Egozentrum:

    Warum gehen die nicht einfach nach in die Schweiz, oder in ein EU-Land. Da ist es ja nicht verboten, warum muss es grade nach Amerika gehen?

    Darüber habe ich mich auch gewundert. Im Grunde hätten die ja nur nach Österreich ziehen müssen, wo Homeschooling erlaubt ist. Gleiche Sprache, EU-Staat, kein Antrag auf Asyl notwendig. Wäre viel einfacher gewesen, hätte aber vermutlich nicht den gleichen dramatischen Effekt gehabt – die Familie sagt ja selbst, dass sie mit dem Antrag auf Asyl “die deutschen Behörden aufrütteln” will. Woraus man natürlich ableiten könnte, dass das Kindeswohl für die Eltern in diesem Fall vielleicht doch eher sekundär ist…

  41. #41 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @JKatins:

    Hier herrscht offensichtlich die Meinung vor, allein der Staat sei legitimiert zu bestimmen, welche Erziehung für die Kinder richtig sei und welche nicht. Eine solche Ansicht führt uns jedoch direkt in den Toralitarismus, solche Vorstellungen sind grundlegend für faschistische oder sozialistische Gesellschaftsformen.

    Allein die Tatsache, dass es eine Schulpflicht gibt, spricht den Eltern noch nicht das Recht zur Erziehung ab. Erstens soll Schule ohnehin mehr bilden als erziehen, zweitens beginnt der Schulbesuch ja erst mit 6 oder 7 Jahren – bis dahin bestimmen ohnehin ganz allein die Eltern. Die für die spätere Entwicklung des Kindes besonders entscheidende erste Lebensphase ist also nicht berührt. Davon abgesehen gibt es die Schulpflicht in der BRD bereits seit 1949 – und bis dato gab es weder einen Rückfall in den Faschismus noch in den Sozialismus…

    Schule ist staatliche Freiheitsberaubung!

    Das kann man zwar durchaus so sehen, mit der gleichen Logik könnte ich aber auch behaupten, dass Steuerzahlen = Diebstahl und Verkehrsregeln = Entmündigung.

    Und das Prinzip heißt: Der Staat hat immer Recht! (Die Partei hat immer Recht, oder der Führer oder die Kirche oder …)

    Falsch. Die allgemeine Schulpflicht ist in Deutschland demokratisch legitimiert. Es könnte sich jederzeit eine Partei zu ihrer Abschaffung bekennen – würde diese dann einen klaren Wahlsieg erringen und eine Mehrheit für eine Abschaffung auf die Beine stellen können, wäre die Schulpflicht schnell Geschichte. Aus der Tatsache, dass es keine bundespolitisch bedeutende Partei gibt, die so etwas fordert, schließe ich, dass die meisten Bürger mit der Schulpflicht vermutlich ganz zufrieden sind.

    Immer wenn ein gesellschaftliches Problem in den Medien auftaucht, kommt ganz schnell die Forderung auf, dieses Problem durch das Wirken der öffentlichen Schule zumindest für die zukünftige Generation zu beseitigen.

    Das stimmt zwar, ist aber eher ein Problem der Medien als des Staates.

    Die Eltern, und damit zwangsläufig auch die Kinder, werden immer mehr in ihren Rechten beschnitten.

    Beispiele für Rechte, die in den letzten sagen wir mal 20 Jahren weggefallen sind?

    Dazu gehören etwa die demokratische Wahl des Schuldirektors oder das Recht auf Privatschulen oder eben das Recht auf Home-Schooling.

    Privatschulen haben in der Bundesrepublik eine lange und traditionsreiche Geschichte – und heute gibt es vermutlich mehr als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den letzten 60 Jahren. Diesbezüglich gibt es also keinen Grund zur Klage. In manchen privaten Einrichtungen wird sogar der Schuldirektor gewählt. Mit dem Homeschooling sind dagegen zahlreiche Befürchtungen verbunden, die in den vorangegangenen Kommentaren mehrfach angesprochen wurden, wie beispielsweise die Gefahr einer sozialen Isolation oder einer politisch oder religiös so einseitigen Erziehung, die die gesellschaftliche Integration der Kinder und Jugendlichen massiv behindern würde. Solange es keinen “Masterplan” gibt, wie man diese negativen Begleiterscheinungen ausräumen kann, wird sich vermutlich keine Mehrheit für ein Homeschooling-Recht finden – Mängel im staatlichen Schulsystem unbenommen.

  42. #42 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Endlich noch ein Hetz-Blog mehr, der sich “aufgeklärt” gibt. Ich bin nicht christlich aber kann die Werte von anderen Menschen respektieren. Peinlich, dass nicht jeder Respekt und Toleranz in der Schule gelernt hat.

  43. #43 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Vielleicht hilft euch hier ein kleiner Film weiter:
    https://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/907704/Homeschooling-Unterricht-am-Kuechentisch

    Dort wird auch eine christliche Homeschooler-Familie portraitiert – ebenfalls “angeblich” verfolgt.

  44. #44 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Habe mal in Ihren Blog geschaut – soweit ich das überblicken kann, hat hier niemand die Hoffnung geäußert, dass die Familie wieder ausgewiesen wird. Gerne kann die Familie in die USA oder ein anderes Land auswandern – verwunderlich ist nur der Antrag auf Asyl und die Begründung mit einer staatlich organisierten Verfolgung. Wenn der deutsche Staat geltendes und demokratisch legitimiertes Schulrecht durchsetzt konstituiert dies ebensowenig eine Verfolgung wie beispielsweise die Durchsetzung des Verkehrsrechts.

  45. #45 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Verstehe ich dann diesen Satz falsch? :
    “Noch hätte es die US-Regierung in der Hand, das Urteil des Einwanderungsgerichts zu kippen – fechtet die Obama-Administration die Entscheidung nicht an, wäre ein Präzedenzfall mit weitgehend unklaren Folgen geschaffen…”

    Zudem stimmt die Aussage, dass das Schulrecht demokratisch legitimiert sei nicht. Die Schulzwangparagraphen wurden aus dunklen deutschen Zeiten übernommen – und steht heftig in internationaler Kritik (die Romeikes sind nicht die ersten – in mehreren deutschen Nachbarländern haben sich an den Grenzen Schwämme von Flüchtlingsfamilien gebildet. Die meisten davon sind nicht religiös. Die Behauptung Deutschland sei in dieser Hinsicht ein Unrechtsstaat ist nicht untertrieben)
    Außerdem – und das halte ich persönlich für wichtig – müssen wir darauf achten, dass wir nicht wieder die Zeit der Religionskriege bekommen. Toleranz und Pluralismus waren die Antwort auf Jahrzehnte des Krieges. Da will ich nicht wieder zurück.

  46. #46 1000Sunny
    29. Januar 2010

    PS: Letztes oder vorletztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht ein bahnbrechendes Urteil erlassen, in dem vom Erziehungsauftrag und Recht des Staates die Rede ist.

    Und hier noch die Vision eines Regierungsberaters kommentiert:
    https://freiebildung.wordpress.com/2009/10/17/brave-new-school/

    So eindeutig ist die ganze Sachlage nicht.

  47. #47 klauszwingenberge
    29. Januar 2010

    Bevor hier weiter auf der Institution staatlicher Schulen und der Schulpflicht herumgehackt wird, erlaube ich mir einmal als Ehemann einer Grundschullehrerin eine Anmerkung:

    Das vordringliche Problem der Kinder ist nicht, dass Elternrechte niedergewalzt würden, sondern dass Elternpflichten nicht erfüllt werden. Wer wider die allgemeine Schulpflicht wettert, verkennt, dass eine Vielzahl von Eltern ihre Erziehungsaufgaben komplett auf den Schulen ablädt. Wären die nicht im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht als Lückenbüßer da, dann gäbe es für eine erstaunliche Zahl von KIndern gar keine Ausbildung oder sinnvolle Erziehung. Qualifiziertes Homeschooling kann nur geleistet werden von Menschen, die selbst ohnehin überdurchschnittliche erzieherische und didaktische Fähigkeiten haben, also von einer sehr kleinen Gruppe. Der Nachwuchs der anderen bekäme ohne die obligatorische Starthilfe staatlicher Schulen gar kein Bein mehr auf den Boden. Das gesellschaftliche Ergebnis hiervon kann sich niemand wünschen.

    Staatliche Schulen können zumindest ein Mindestmaß an weltanschaulicher Neutralität vermitteln. Sie wirken damit im Ergebnis ausgleichend. Beim Homeschooling, zumal von einschlägig interessierter Elternschaft, ist der Gehirnwäsche Tür und Tor geöffnet, sie wirken tendenziell polarisierend. Es mache sich doch niemand Illusionen über den Zustand der Familien!

  48. #48 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Verstehe ich dann diesen Satz falsch?

    Ja. Wenn die Familie in den USA eine neue Heimat gefunden hat und dort glücklicher ist, stört es mich nicht, wenn sie dorthin immigieren – die Möglichkeit haben sie ja im Prinzip jederzeit. Genauso wenig wie es mich stören würde, wenn die Familie nach Österreich oder ein anderes EU-Land auswandern würde, in dem Homeschooling erlaubt ist (das wäre ja dank EU-Gesetzgebung auch sehr einfach). Was mich stört ist der Asylantrag mit der expliziten Begründung, die Familie werde hier “vom Staat verfolgt”, was definitiv nicht so ist.

  49. #49 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @klauszwingenberger: Problem perfekt zusammengefasst. Als Ehemann einer Erzieherin kann ich das nur unterstreichen. Erziehung sollte primär zu Hause stattfinden. Dass dies heute in vielen Familien anders läuft, ist aus vielerlei Gründen ein Riesenproblem…

  50. #50 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Es stimmt aber leider, Homeschooler werden hier vom Staat gezielt verfolgt. Besonders in Deutschland sollte man vorsichtig sein mit der Aussage, dass systematische Verfolgung von Dissidenten und Minderheiten nicht existiert.

    Das Problem der sich zurückziehenden Eltern wurde schon recht früh erkannt, so schrieb Wilhelm von Humboldt, dass je mehr der Staat die Erziehung der Kinder zu Untertanen den Eltern enteignet, desto mehr werden diese sich zurückziehen und andere sich lohnendere Tätigkeiten suchen. Er wollte den Staatsanteil auf ein Minimum senken. Dies wird auch in den meisten Ländern auch so praktiziert (z.B. hoher Anteil von Privatschulen, optionale Lehrpläne, dass man sich auch selber bilden kann usw.) Nur hier in Deutschland ist eine Art Gehirnmonopol errichtet worden.

  51. #51 Andrea N.D.
    29. Januar 2010

    @Christian Reinboth:
    Hm, und was ist mit den berufstätigen Eltern? Soll dann die Erziehung einmal schnell zwischen 19.00 und 20.00 Uhr stattfinden oder wie stellst Du Dir das vor? Eine sehr praxisferne Aussage.
    Selbstverständlich nehme ich beispielsweise meinen Erziehungsauftrag ernst. Den Spruch: Hast ja schließlich Kinder kriegen müssen habe ich mir bereits auf die Fahnen geschrieben – also kann ich mich auch gefälligst darum kümmern. Nur als kleines Beispiel: Es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit die Essmanieren, die sich einer meiner Söhne im Hort abguckt, ihm beim Abendessen oder am Wochenende wieder abzugewöhnen. Von den anderen Dingen wollen wir gar nicht reden.
    Wenn Erziehung primär zu Hause stattfinden soll, muss ein Elternteil zu Hause bleiben. Ich weiß, dass das ein Bestreben der C-Partei ist/war, aber aus wirtschaftlichen Gründen kannst Du das kaum wollen? Also ich würde dann zumindest vorschlagen, dass wir uns die Ausbildungskosten für den Elternteil sparen, der zu Hause bleibt. Stattdessen würde ich eine Erzieher/-innenausbildung und eine Ausbildung in Hauswirtschaft vorschlagen, damit die Mamis und Papis für ihren Erziehung zu Hause gerüstet sind. Ich überlege noch, wie man dies mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbaren kann, aber das ist ja nicht so wichtig, oder?

    Sinnvoller fände ich (aber seltsamerweise politisch nicht durchsetzbar), dass ein bis zwei Vorschulklassen zur Sozialisation eingeführt werden; den Stoff an den Grundschulen kann man auch in zwei bis drei Jahren durchbekommen. Sinnvoller wäre es mehr Gesamtschulen einzuführen, damit der Druck in der vierten Klasse wegfällt. Sinnvoller wäre es Ganztagesschulen einzuführen, damit auch leistungs- und sozial schwache Kinder einen guten Start bekommen. Immer an den Eltern herumzumeckern, die Ihrem Erziehungsauftrag angeblich nicht nachkommen, halte ich für verfehlt. Vielleicht sollten diejenigen, die das tun, endlich in der Realität ankommen: Viele Mütter/Eltern arbeiten, viele sind Alleinerziehend, viele Kinder kommen aus sozial schwachen Familien, viele Mütter sind Alkoholikerinnen, psychisch krank, überfordert. Wir haben nicht mehr die 50iger-heile-Welt der Clementine. Vielleicht sollten wir darauf reagieren.

  52. #52 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @klauszwingenberger
    ein paar kleine Fehler in der Argumentation:
    1.) Homeschooling kann von allen durchgeführt werden (hier sind Studien zusammengefasst und Ängste beantwortet: https://bildungspolitik2punkt0.wordpress.com/2010/01/05/homeschooling-unschooling/ )
    2.) In anderen Ländern finden Kontrollen statt, die die Entwicklungsstände der Kinder abprüfen. Außerdem betreiben sie rohes Elterngebashe und wollen dadurch legitimieren, dass der Staat ein Erziehungsmonopol bekommt (natürlich nur zum Schutze der Kinder)
    3.) staatliche Schulen sind nicht “neutral in der Weltanschauung” – dort wird die Weltanschauung des allgemeinen Konsens gemischt mit einer starken Prise Kultusministerbeamtentumsdenken vermittelt. Deswegen ist es auch Ländersache, denn im einen Land regieren die Linken, denen ist die Rekapitulationstheorie und das Anti-Kirchen-Bollwerk wichtig. Im anderen Land die Rechten, denen ist die Erbsünde und ähnliches wichtig. Allen ist aber gleich wichtig, dass Vollbeschäftigung und unendliches BIP-Wachstum der einzige Schlüssel zum Paradies ist.

  53. #53 klauszwingenberger
    29. Januar 2010

    @ Andrea N.D.:
    Wir sind einander wohl näher, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Mein Petitum ist es nicht, die Elternschaft in Grund und Boden zu trampeln; mir geht es um die Verteidigung der allgemeinen Schulpflicht, denn:

    Soll dann die Erziehung einmal schnell zwischen 19.00 und 20.00 Uhr stattfinden

    und

    Viele Mütter/Eltern arbeiten, viele sind Alleinerziehend, viele Kinder kommen aus sozial schwachen Familien, viele Mütter sind Alkoholikerinnen, psychisch krank, überfordert.

    Das also wäre das Umfeld, in dem auf die allgemeine Schulpflicht zu Gunsten des Homeschooling verzichtet werden sollte? Nie und nimmer!

  54. #54 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Es stimmt aber leider, Homeschooler werden hier vom Staat gezielt verfolgt. Besonders in Deutschland sollte man vorsichtig sein mit der Aussage, dass systematische Verfolgung von Dissidenten und Minderheiten nicht existiert.

    Besonders in Deutschland sollte man auch mit dumpfen Andeutungen hinsichtlich der Nazi-Gewaltherrschaft vorsichtig sein, die mir schon in der Pressemitteilung des US-Homeschool-Verbands sauer aufgestoßen ist. Eine Gleichsetzung der Schulpflicht mit der systematischen Verfolgung von Minderheiten im Dritten Reich ist in keinster Weise angebracht.

  55. #55 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Das sind ihre Geschichtskenntnisse aber nicht auf dem neuesten Stand.
    Es ist auch keine Gleichsetzung, sondern die absolute Staats-Schulpflicht ist ein Relikt aus der Nazi-Herrschaft (1938 wurde das Reichsschulpflicht Gesetz erlassen).
    Das ist auch keine dumpfe Andeutung – sondern ein Fakt.
    Und auch die anderen Vorurteile, dass die Ersetzung der Schulpflicht die Emanzipation rückgängig machen würde sind falsch. Ist das hier ein Science-Blog oder ein Vorurteils-Blog?
    Bitte vorher mal ein bisschen recherchieren.
    Oder einfach einen Fragen der Experte ist:
    https://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/Schule-Heimunterricht;art304,2805788

  56. #56 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @Andrea: Jetzt diskutieren wir schon in zwei Threads parallel. Spannend. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass Du das Grundanliegen meines Posts nicht teilst – die Unverständnis gegenüber dem Urteil eines US-Richters, der eine evangelikale Familie in Deutschland “vom Staat verfolgt” sieht, weil die ihre Kinder nicht der Evolutionslehre an deutschen Schulen aussetzen wollten. Ich denke, in dem Punkt sind wir uns tatsächlich ausnahmsweise mal vollkommen einig.

    Was das von Dir angesprochene Problem der fehlenden Zeit für die Erziehung angeht, stimme ich Dir zu. In der Regel sind heute beide Elternteile berufstätig – und da kommt es natürlich zu Problemen. Dass “meine” C-Partei ein anderes Familienbild bevorzugt, finde ich zwar prinzipiell nicht verkehrt, weiß aber, dass es an der Realität vieler Menschen vorbeigeht, da ein Job heute meist nicht mehr reicht – meiner Frau und mir geht es da nicht anders. Gerade unter diesen erschwerten Umständen bietet doch aber ausgerechnet das Homeschooling überhaupt keine Perspektive…

    Übrigens: Auf das Familienbild der C-Partei kann man ja schimpfen – aber wäre es nicht im Prinzip schön, wenn man eine Familie auch mit einem Job ernähren könnte? Wenn nicht beide Elternteile zwei bis drei Jobs zum Überleben bräuchten und mehr Zeit für die Kinder hätten? Wenn es weniger Eltern mit Alkohol- oder psychischen Problemen geben würde? Ich weiß schon, dass die Realität anders aussieht, aber als Ideal- bzw. Zielvorstellung (und die sollte es ja in einer Partei auch geben) taugt es meiner Ansicht nach schon.

    Was die Sozialisation angeht bin ich ja der Ansicht, dass zumindest das letzte Jahr im Kindergarten kostenfrei angeboten werden sollte, damit gerade Kinder aus Familien mit Sozialisationsproblemen vor Eintritt in die Schule die Chance haben, soziales Verhalten zumindest in Grundzügen zu erlernen.

  57. #57 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Das ist auch keine dumpfe Andeutung – sondern ein Fakt.

    Dass es zu NS-Zeiten eine Schulpflicht gab ist mir durchaus bekannt – es erschließt sich mir aber nicht, warum deshalb die Durchsetzung der Schulpflicht heute gleich mit den Verfolgungen im Dritten Reich zu vergleichen ist. Wie Ihnen sicher bekannt ist, haben die Nationalsozialisten auch die erste Variante des Kindergeldes eingeführt und zahlreiche Autobahnen gebaut – und auch diesbezüglich wird ja bei Diskussionen um aktuelle Zustände nicht gleich das Dritte Reich beschworen. Das Argument “weil es das auch im Dritten Reich gab” ist nun wirklich nur bedingt sinnvoll – und die Grenzen sind spätestens da erreicht, wo man sich als Verfolgter einer Nazi-Diktatur wähnt, nur weil das eigene Kind zur Schule gehen soll und dort eventuell das Wort “Evolution” fällt.

  58. #58 S.S.T.
    29. Januar 2010

    @1000Sunny

    Die Wurzeln der Schulpflicht lassen sich bis Martin Luther zurückverfolgen.

    In dem verlinkten Artikel wird angegeben, dass Dänemark die Schulpflicht vor 150 Jahren abschaffte. Herrschten dort bis kurz davor die Nazis?

  59. #59 w
    29. Januar 2010

    also mit der Kinderrechtskonvention kann man in der USA nicht argumentieren, da die USA und Somalia diese nicht ratifiziert haben.

  60. #60 itz
    29. Januar 2010

    „Erstens soll Schule ohnehin mehr bilden als erziehen (…)“

    Soll sie das? Das BVG: „Die Pflicht zum Besuch der staatlichen Grundschule dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich. Dieser Auftrag richtet sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen, sondern auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, (…)“

    „Falsch. Die allgemeine Schulpflicht ist in Deutschland demokratisch legitimiert.“

    Sicher, aber ist das ein Grund Minderheitenrechte zu verletzen?

    „Mit dem Homeschooling sind dagegen zahlreiche Befürchtungen verbunden, die in den vorangegangenen Kommentaren mehrfach angesprochen wurden, wie beispielsweise die Gefahr einer sozialen Isolation oder einer politisch oder religiös so einseitigen Erziehung, die die gesellschaftliche Integration der Kinder und Jugendlichen massiv behindern würde.“

    Befürchtungen sind noch keine Fakten. Die große Mehrheit der demokratischen Staaten erlaubt Homeschooling, und Studien stellen der Hausschule ein positives Zeugnis aus. Und auch mit staatlichen und privaten Schulen sind Befürchtungen verbunden.

    @YeRainbow
    Verhältnismäßigkeit? Punkt für Sie. Aber auch ein kleines Unrecht wird als solches empfunden. Und man kann nur hoffen, dass Homeschooler aus Nordkorea, China oder Afghanistan auch Asyl bekommen.

    Ist die Androhung eines Sorgerechtsentzugs keine staatliche Verfolgung?

  61. #61 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @itz:

    Ist die Androhung eines Sorgerechtsentzugs keine staatliche Verfolgung?

    Es kommt darauf an wofür. Wenn jemand das Sorgerecht entzogen bekommt, weil er seine Kinder prügelt, ist das keine staatliche Verfolgung. Wenn jemand das Sorgerecht entzogen bekommt, weil er jüdischer Abstammung ist, ist das staatliche Verfolgung. Im vorliegenden Fall wurde der Sorgerechtsentzug angedroht, weil die Eltern ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen sind, die Kinder in die Schule zu schicken. Ich persönlich würde das nicht als staatliche Verfolgung werten.

    Die große Mehrheit der demokratischen Staaten erlaubt Homeschooling, und Studien stellen der Hausschule ein positives Zeugnis aus.

    Das wäre ein gutes Argument wenn es um die Frage ginge, ob es richtig ist, sich für die Einführung von Homeschooling einzusetzen, allerdings nicht wenn es um die Frage geht, ob es als staatliche Verfolgung zu werten ist, wenn der Staat geltendes Recht durchsetzt. Ich kann sagen “Studien zeigen, dass Homeschooling hervorrangend funktioniert, also setze ich mich dafür ein, dass es erlaubt wird.” Ich kann aber nicht sagen “Studien zeigen, dass Homeschooling hervorragend funktioniert, also brauche ich das diesbezügliche Verbot nicht zu beachten und kann handeln wie ich möchte.” Die Vorgehensweise muss in einem Rechtsstaat einfach eine andere sein.

  62. #62 JV
    29. Januar 2010

    Schulpflicht

    Herzogtum Pfalz: 1592
    Sachsen-Gotha: 1642
    Herzogtum Braunschweig: 1647
    Württemberg: 1649
    Preußen: 1717
    Bayern: 1802
    Sachsen: 1835

    Die Nazis sind ja ganz schön tief verwurzelt.
    Aber so ein Nazivergleich ist natürlich so hübsch einfach, schließlich kann man dann davon ausgehen, dass man sowieso Recht hat.

  63. #63 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @JV
    Klar, ich habe mir das mit dem Nazi-Vergleich ganz einfach gemacht. Ich stehe auch den ganzen Tag an der Ecke und zeige auf Passanten und schreie: Nazi, Nazi
    Der Autor oben war Dieter Lenzen und hier ist noch ein interessanter Autor: https://de.wikipedia.org/wiki/Reden_an_die_deutsche_Nation

    Der Punkt ist, wir haben in Deutschland aktuell eine große Auswanderungsbewegung von Homeschoolern. Da sind manche religiös, manche evangelikal, manche atheistisch, manche pädagogisch, manche schwarz und manche weiß. Sie haben aber alle ein gemeinsames Merkmal, sie stellen sich gegen ein ungerechtes Gesetz.
    Sie alle wollen dem Staat nicht ihre Kinder überweisen und sich lieber selbst um sie kümmern, so verschieden sie sind, sie werden doch alle wegen einem Merkmal verfolgt. Und deswegen ist der Ausdruck politische Verfolgung auch gerechtfertigt – z.B. gab es in den USA mal die Kommunistenverfolgung. Das war auch eine politische Verfolgung ohne Rasse oder Glaubenshintergrund.

    Und nur über gesellschaftliche Empörung kann Demokratie funktionieren und nicht über blinden Gehorsam, wie er hier propagiert wird – dazu müsste man aber etwas über Demokratie gelernt haben (aber eben außerhalb der Staats-Parteien-Schule und den Parteien-Lehrplänen; es genügt aber schon die Bibliothek John Locke, Tocqueville, Rousseau, Rawls, Nozick…)
    Und jetzt kommen wir zum Punkt, warum die staatliche Schulpflicht dem Staat immer schon wichtig war: Untertanenerziehung. Leute, die Gesetze befolgen, auch wenn sie das Leid, das damit verbunden ist (Auswanderung ist kein Zuckerschlecken) klar vor Augen haben. Und dieses Festhalten als legitim bezeichnen.
    Und ein bisschen Arbeiter-Bildung reingemischt, damit die Leute effizienter arbeiten.
    Echte Bildung ist doch in den Staats-Schulen noch nie zu finden gewesen…

  64. #64 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Vielleicht hier eine bessere Übersicht (bis ins Mittelalter), da muss man dann nicht immer mit dem drögen Adolf argumentieren:

    https://freiebildung.wordpress.com/2009/10/21/idolisator/

  65. #65 JV
    29. Januar 2010

    @JV
    Klar, ich habe mir das mit dem Nazi-Vergleich ganz einfach gemacht. Ich stehe auch den ganzen Tag an der Ecke und zeige auf Passanten und schreie: Nazi, Nazi

    Jeder Mensch braucht ein Hobby…
    Nazivergleiche sind immer die letzten Zuckungen in einer Argumentation. Da haben die Nazis etwas gemacht, also ist das heutige Pendant ebenfalls böse und ich habe Recht mit meiner Argumentation, egal was sie beinhaltet. Denn wenn du das verteidigst, was ich kritisiere, verteidigst du die Nazis und bist folglich ebenfalls einer. Das etwa ist das Muster des Nazivergleichs.

    Der Punkt ist, wir haben in Deutschland aktuell eine große Auswanderungsbewegung von Homeschoolern.

    Haben wir? Eine große AuswanderungsBEWEGUNG? Bezweifel ich.

    Sie haben aber alle ein gemeinsames Merkmal, sie stellen sich gegen ein ungerechtes Gesetz.

    Sie stellen sich nicht gegen ein Gesetz, sie entziehen sich höchstens einem Gesetz. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber man sollte es dann nicht so hinstellen, als würden sie gegen ein “ungerechtes Gesetz” kämpfen.

    Sie alle wollen dem Staat nicht ihre Kinder überweisen und sich lieber selbst um sie kümmern, so verschieden sie sind, sie werden doch alle wegen einem Merkmal verfolgt.

    Wenn ich gegen ein Gesetz verstoße, werde ich automatisch politisch “verfolgt”? Das ist Chuzpe, die muss man erstmal haben.

    Und deswegen ist der Ausdruck politische Verfolgung auch gerechtfertigt – z.B. gab es in den USA mal die Kommunistenverfolgung. Das war auch eine politische Verfolgung ohne Rasse oder Glaubenshintergrund.

    Und nur über gesellschaftliche Empörung kann Demokratie funktionieren

    Wie gesagt, man entzieht sich durch Auswanderung diesem demokratischen Prozess.

    Echte Bildung ist doch in den Staats-Schulen noch nie zu finden gewesen…

    Aber im Heimunterricht findet sich automatisch “echte” Bildung? Was soll das überhaupt sein?

  66. #66 Thilo Kuessner
    29. Januar 2010

    @1000 Sunny:
    ich habe mir gerade mal den von Ihnen verlinkten Blog angeschaut (ich nehme an, Sie sind der Autor/die Autorin?)
    Das ist ja schon starker Tobak, z.B. https://freiebildung.wordpress.com/2009/12/13/weihnachten-und-entwicklungshilfe/ :

    Die Schulen, die dort [in Afrika] gebaut werden haben auch einen Nachteil. Kindern wird westliche Konsummentalität beigebracht und der große Traum vom Arbeitsplatz.

    und

    Die Kinder, die nicht auf den Höfen mithelfen, sondern in der Schule büffeln lernen zum einen nicht die wirklich wichtigen Dinge und zum anderen fehlen sie bei der Arbeit (ja Schule an sich verursacht oft zusätzliche Arbeit in diesen Familien). Der Verlust des Hofes ist oft die Konsequenz, die Armut der Familie und die Prostitution die weiteren Folgen. Die beschulten Kinder kommt entfremdet zu einem Scherbenhaufen zurück – eine enteignete Familie und ein abhängiges Leben mit Minilohn erwarten es. Auch hier ist die Prostitution oft der einzige Ausweg.

    und

    Die Entfremdung ist ein weiterer schwerwiegender Punkt. Nach einer gewissen Zeit an West-Beschulung blickt das Kind auf seine eigenen Eltern herab, nimmt seine Traditionen (die nicht wissenschaftlich sind) als peinlich wahr und wendet sich dem westlichen Sozialisationsideal zu: Dem ultimativen Konsumismus. Für die Kinder, sowie für die Eltern ist dieses eine schwere Zerreißprobe die oft mit Drogenkonsum (beginnend mit Alkohol) ausgehalten wird.

    Ist das nur Ihr persönlicher Standpunkt oder steht diese Sichtweise repräsentativ für die Homeschooling-Bewegung?

  67. #67 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @Thilo
    Punkt 1 und 2 haben mittlerweile auch (soweit ich weiß) Unicef erkannt und machen nun vielmehr Schulungsarbeit auf den Höfen. So dass die Arbeit sich mit der Beschulung verträgt.
    Man kann es aber auch in diversen Geschichten Afrikas nachlesen (z.B. Ki Zerbo), dass traditionelles Wissen als “Collateral Damage” der westlichen Ideologie zerstört werden. Das Problem ist, da sie fast nichts niedergeschrieben haben, sondern nur tradieren sind Jahrtausende an Wissen verloren gegangen. Durch die Missionierung/später Schule wurde das nur systematisch gemacht.

    Punkt 3 können sie in Anita Woolfolk Pädagogische Psychologie nachlesen, dort geht es generell um den Brain-Drain aus den Unterschichten/rassischen Minderheiten

    Diese Meinung ist also unabhängig von meinen Standpunkt (ich lasse mich auch gerne durch neue Daten überzeugen), sondern eher eine Zusammenfassung.

    @JV
    Doch, in Eupen / Ostbelgien und Strassbourg /Frankreich – dort gehen die meisten hin. Dann noch Spanien usw. So toll ist die Schule hier einfach nicht und immer mehr Leute sind begeistert von den Alternativen.
    Dass Homeschooling automatisch gut ist, habe ich nie behauptet. Ich bezweifle nur, dass die Staatsschule jemals von politischen/wirtschaftlichen Interessen sich befreien kann und das gepriesene Land des individuellen Lernens erreichen kann. Es ist einfach zu verlockend, die Leute schon früh zu abhängigen Arbeitnehmern zu erziehen und nur einer kleinen Schicht auf den Universitäten auch die andere Welt des Unternehmers zu zeigen.
    Überzeugen könnte mich die Staats-Schule, wenn sie Einheitslehrpläne zugunsten persönlicher Entfaltung fallen lässt. Aber da schmunzeln wir wohl beide.
    Dennoch gibt es mittlerweile so viele Homeschooling-Netzwerke wo sich Eltern gegenseitig Hilfe leisten, dass man eine sehr gute Chance hat Bildung zu erlangen.

    Hier ist noch eine kleine Linksammlung:
    https://freiebildung.wordpress.com/2009/06/22/linksammlung/

    Hier ist auch ein ganz schönes Video, das zeigt, das Homeschooler nicht nur so verbissen argumentieren, wie ich es gerade tue 🙂

    Vielleicht schaffen wir in Deutschland ja auch irgendwann eine Bildungspflicht. Bis dahin bin ich ziemlich frustriert mit unserer “Freiheit” und “Demokratie”

  68. #68 tatjana
    29. Januar 2010

    Wenn die Familie wirklich kämpfen wollen würde, sollte Sie dann gegen das Gestez klagen?

  69. #69 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Bei einer Klage riskiert man die ganze Zeit die Zwangspsychiatrisierung der Kinder (z.B. Fall Dudek)

    Außerdem wurde das ganze von Homeschoolern schon durchgeklagt – bis zum Bundesverfassungsgericht. Ergebnis: “Staatliche Erziehungsauftrag hat Vorrang vor allem” – ab diesem Punkt hilft nur ziviler Widerstand (vgl. John Rawls – A theory of justice) und öffentliches Anprangern des Staates (wie aktuell bei Romeikes). Also sich an den Souverän direkt wenden.
    Eine Kehrtwende sehe ich aber nicht kommen. Die Schulpflicht ist hier zu tief in den Köpfen drinnen und es wird auf einfache Aussagen wie “die mögen die Evolution nicht, die Spinner” und “Geht doch” verkürzt.

    Außerdem wurde der §1666 BGB so abgeändert, dass das JA mit Polizei jetzt sofort zugreifen kann und keinen richterlichen Beschluss mehr braucht in dem elterliches Versagen nachgewiesen wird. Schulverweigerung ist automatisch Kindeswohlgefährdung in Deutschland.

  70. #70 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    ach einer gewissen Zeit an West-Beschulung blickt das Kind auf seine eigenen Eltern herab, nimmt seine Traditionen (die nicht wissenschaftlich sind) als peinlich wahr.

    Das kreativste Argument gegen Bildung, das ich je gelesen habe: Je mehr die Kinder in der Schule lernen, umso größer ist die Gefahr, dass der Respekt vor ihren Eltern sinkt, weil die keine Schulbildung genossen haben. Die einzige Lösung wäre dann wohl, das Bildungsniveau genau so zu lassen wie es ist, oder aber von Generation zu generation schrittweise zu erweitern, damit es nicht zu viel auf einmal ist, weil sonst alles in Prostitution und Drogensucht endet. Äußerst abenteuerlich.

  71. #71 1000Sunny
    29. Januar 2010

    PS: Das mit der Entfremdung der eigenen Kultur kann man (m.W.) auch bei Urie Bronfenbrenner nachvollziehen. Google-Suche Bronfenbrenner Alienation

  72. #72 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @CR
    Das ist eine ziemlich komische Schlussfolgerung.
    Wenn sie sich nur eine der Studien über Homeschooling und deren Erfolge angeschaut hätten (oder wenigstens das Video), dann wäre klar, dass Homeschooling nicht in niedrigerem Bildungsstand endet. (Vernachlässigung schon)
    Ich wage zu behaupten, dass der Bildungsstand den Staatsschulen weit überlegen ist. In Schweden war vor Einführung der Schulpflicht der Alphabetisierungsgrad bei knapp 100% und wurde danach nie wieder erreicht (siehe Harvey Graff).
    Auch wäre eine auf Büchern basierende Bildung in der 3.ten Welt effizienter und billiger (allerdings wurden dafür schon einige Reformpädagogen des Landes verwiesen (Freire z.B.)).
    Zusätzlich könnte man genug Zeit lassen, dass das tradierte Wissen weitergegeben werden können.

    Die meisten konservativen Homeschooler machen 2-3 Stunden Unterricht am Tag (reformpädagogisch orientierte Homeschooler setzen auf Konstruktivismus und die Zone der nächsten Entwicklung (Vygotskij)) und erreichen ungefähr bis Ostern den Jahresstoff der Lehrpläne.
    Im Gegensatz dazu sind im Classroom-Setting ungefähr 20 Minuten am Tag mit dem Stoff beschäftigt – der Rest ist Administration oder Nebenprodukte. Ca. 20 Minuten in der Woche bleibt dem Lehrer pro Kind für individuelle Förderung. Selbst bei einer Verdreifachung der Mittel für Schule wäre das immer noch eine schlechte Ausbeute.

    Hier ist ein FAQ zu Unschooling (die reformpädagogische Variante des Homeschoolings):
    https://freiebildung.wordpress.com/2009/04/30/faq-zu-unschooling/

    und hier noch ein kleines HowTo:

    https://freiebildung.wordpress.com/2009/05/10/wie-funktioniert-unschooling-faq/

    PS: Ich wollte hier niemandem vorwerfen, dass er ein Nazi sei, weil er die Schulpflicht unterstützt. Ich wollte einfach nur auf die Tatsache hinweisen, dass absolute Schulpflicht auf keinen Fall etwas demokratisches ist.

  73. #73 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Das ist eine ziemlich komische Schlussfolgerung. Wenn sie sich nur eine der Studien über Homeschooling und deren Erfolge angeschaut hätten (oder wenigstens das Video), dann wäre klar, dass Homeschooling nicht in niedrigerem Bildungsstand endet. (Vernachlässigung schon)

    Meine Schlussfolgerung bezog sich ja auch überhaupt nicht auf das Homeschooling an sich, sondern auf den von Thilo zitierten Text über Afrika. Und in dem wird schon recht deutlich impliziert, dass eine naturwissenschaftlich orientierte Bildung den Kindern eher schadet als nützt und daher – das wäre ja wohl die einzig logische Konsequenz – zu unterbleiben oder entsprechend angepasst zu werden hat.

  74. #74 tatjana
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:
    “Staatliche Erziehungsauftrag hat Vorrang vor allem”.
    Hart. Ich würde da auch auswandern. Warum sind die Deutschen denn so verbissen mit der Schulpflicht? Angst das die individuelle Freiheit ausufert? Befürchtungen…dass… Das war doch schon mal.
    @Christian Reinboth
    Woher nimmt sich der Staat das Recht zu urteilen was “gute” Bildung ist und was nicht? Ich empfand meine Schulzeit als ermüdend und das Wissen, welches man in der Schule eingeträllert bekommt ist SELEKTIV. Da könnte man mit dem Argument kommen:
    “außer der schulpflichtigen Zeit sich Wissen aneignen.” Nur wenn ich die Schüler von heute anschaue wie sie büffeln um den Numerus Clausus…Wo soll da noch Zeit sein? Die Kinder sind schon müde bevor Sie erwachsen sind. Ist das gut?
    Ich weiß nicht auf welcher Schule Sie waren. Vielleicht hatten Sie mehr Glück als ich. Ich war überfordert. Wenn die heutige Schule die natürliche Neugier eines jungen Menschen aufrecht erhalten könnte, dann wäre ich auch für die Schulpflicht. Nur leider ist es nicht der Fall. Ich finde man sollte jedem Bürger eine Chance geben seinem Kind etwas besseres zu bieten. Es scheitert doch nur daran, dass es dann mehr Arbeit für die Schulverwaltung geben würde. Es ist ja auch sooo bequem mit dem “Kästchen-Ankreuz-Wissen”. Traurig. Das Individuum gegen den Massenzwang, darum geht es doch.

  75. #75 Thilo Kuessner
    29. Januar 2010

    1000Sunny: Auch wäre eine auf Büchern basierende Bildung in der 3.ten Welt effizienter und billiger

    Klar, vor allem, wenn die Kinder den ganzen Tag in der Landwirtschaft arbeiten.
    Meinen Sie das eigentlich alles ernst, was Sie hier schreiben?

  76. #76 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Ah, OK. Dann haben wir uns hier falsch verstanden. Mein Appel ging eher in Richtung Gleichgewicht. Also die Traditionen weiter leben zu lassen und darauf eine zusätzliche, aber nicht entfremdende Bildung aufbauen. Beim Homeschooling hat man hier den Vorteil, das ungebildete Eltern mitlernen. Siehe in der FAQ.

    PS: Das Problem, das der Staat mit der Bildung hat sieht man z.B. bei der Erfindung des Buchdrucks. Die Druckerpresse wurde hier in Deutschland sofort verboten. Auch in anderen Ländern, da man die Buchgesellschaft fürchtete. Auch die Kirchen debattierte lange, ob nicht die Bibel/Koran das einzige Werk sein sollte das gelesen werden sollte.
    Am Schluss formten Kirche und Staat sogar ein Team und die Inquisition baute einen großen Index auf.
    Die indizierten Bücher konnte man weiter in den vom Papst für gut befundenen Jesuitenschulen diskutieren (prominentes Beispiel: Voltaire). Und schlussendlich kam das Zeitalter der großen sozialen Unruhen und Revolutionen.
    Darauf folgte die Reaktion (Napoleon, Fichte, Montgelas,…) und die Einführung einer radikalen staatlichen Schulpflicht und gleichzeitiges Verbot der Jesuitenschulen.
    (Siehe mein Link zum Idolisator)

    Auch heute (im 21.Jhd) lernen die meisten in den Schulen gerade so viel, dass sie Werbetexte, Zeitungen, Magazine, Harry Potter und Twilight konsumieren können. Die Auseinandersetzung mit echten Texten bleibt für die meisten Menschen ein unerreichbares Privileg. Das liegt aber nicht an den Lehrern, sondern dem ganz schnell fortschreitenden Schulsystem, das auf Bulimie und Konsum von Informationen ausgerichtet ist.

  77. #77 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @Thilo
    Klar, aber Kulturimperialisten können das nicht verstehen. Da müssen die Kinder in einem Agrarland, das reich an Rohstoffen ist und jeden Tag ausgeplündert wird schön brav an westlichen Schreibtischen sitzen und Stundenpläne durcheumeln. 1-2 Stunden zu Hause beschult /oder in dem jeweiligen noch existierenden Dorf wären effizienter und nicht-entfremdend.

    Beispiel: Hat es dann einer von denen wirklich an die Uni geschafft und ein Medizinstudium absolviert – was passiert dann? Er wandert in den Westen aus und wird dort Arzt. Die Ausbildung haben aber zum größten Teil die Landesleute bezahlt.
    Wir haben (m.W.) einen vom Nettowert größeren Import von “Gehirnen” in den Westen, als die gesamte Entwicklungshilfe jährlich ausmacht.
    Stichwort Brain-Drain/Brain-Gain

    Das Interesse an afrikanischen Schulen ist nicht ganz so altruistisch, wie es die Werbeplakate von “Brot für die Welt” uns weis machen wollen.

  78. #78 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @tatjana
    Ja, gut erfasst. Das Hauptaugenmerk liegt auf Selektion.
    Die Mittelschicht lernt zu Hause/Nachhilfe und tut so, als ob sie in den Schulen etwas lernen würde.
    Da mache ich nicht mit, dafür ist mir die Zeit und die Jugend meiner Kinder zu schade. Wenn sie sich selber mal entscheiden auf die Schule zu gehen (oder es dort auszuprobieren) halte ich sie nicht ab.
    Aber ansonsten ist die Kindheit die zweitschönste Sache. Die schönste ist Lernen und Bildung in Freiheit.

  79. #79 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Hier ist noch ein sehr gutes Interview mit Urie Bronfenbrenner:

    https://www.ascd.org/ASCD/pdf/journals/ed_lead/el_197904_brandt.pdf
    – on Families and Schools

  80. #80 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Klar, aber Kulturimperialisten können das nicht verstehen. Da müssen die Kinder in einem Agrarland, das reich an Rohstoffen ist und jeden Tag ausgeplündert wird schön brav an westlichen Schreibtischen sitzen und Stundenpläne durcheumeln…

    Das ist wirklich ernst gemeint? Kindern in einem afrikanischen Land die Möglichkeit zu geben, sich naturwissenschaftliche Kenntnisse beispielsweise in Mathematik oder Biologie anzueignen, entfremdet sie von ihren Familien und führt am Ende sowieso zu nichts, weil es bei der Arbeit auf dem Feld nicht weiterhilft? Und Hilfsorganisationen, die sowas finanzieren, haben keine primär altruistischen Motive, sondern wollen nur erreichen, dass die jeweils Besten nach Europa kommen, weil wir hier so dringend Ärzte und Ingenieure brauchen?

    Das bringt mich auf Thilos Frage von vorhin zurück: Ist diese Einstellung typisch für die “Homeschool-Szene” (in Ermangelung eines besseren Begriffs) oder einfach nur Ihre persönliche Meinung?

  81. #81 1000Sunny
    29. Januar 2010

    Du und Dein Freund Thilo verstehen es nicht. Es geht um ein Gleichgewicht – sieht man auch daran, wo Du das Zitat abgeschnitten hast. Ich habe die Quellen schon angegeben – und das waren keine “Homeschool-Quellen”, sondern ganz normale wissenschaftliche Untersuchungen, wie sie an jeder Uni gelehrt werden.
    Du suchst aktuell einen Punkt, an dem Du die “Homeschool-Szene” ethisch verurteilen kannst (weil wir ja alle homogen sind, wie ich auch schon 10 mal verneint habe) und den glaubst Du jetzt auch unter den 650 Posts auf meinem Blog gefunden zu haben. Bravo.

    Der Witz an der Sache ist, dass Du auf die Fernuni-Hagen gegangen bist und dort wahrscheinlich neben der Arbeit studiert hast.
    Diese Szenarien, die ich dort aufgezählt habe sind übrigens real. Viele Familien sind dort auf die Hilfe der Kinder angewiesen (auch wenn mir das ebenfalls nicht passt und ich es auch nicht schön finde).

    Und Du klammerst Dich zu schnell an Verschwörungstheorien. Die Hilfsorganisationen beabsichtigen das bestimmt nicht, und manche sind ganz verzweifelt, wenn sie die Effekte sehen, die ihre Arbeit oft anrichtet. Diese Effekte sind aber nicht von einem gemeinen Denker von Anfang an geplant. Und, wie ich auch schon geschrieben habe, fangen immer mehr Hilfsorganisationen umzustellen und die Kinder nicht in die Schule zu bringen, sondern die Schule zu den Kindern – oder gar zu den ganzen Familien.

  82. #82 1000Sunny
    29. Januar 2010

    PS: Dazu muss man natürlich wissen, dass 1-2 Stunden individuelle Bildung einen höheren Effekt haben wie ein Ganztagsschultag in einer vermassten “Bildung”

  83. #83 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Du suchst aktuell einen Punkt, an dem Du die “Homeschool-Szene” ethisch verurteilen kannst (weil wir ja alle homogen sind, wie ich auch schon 10 mal verneint habe) und den glaubst Du jetzt auch unter den 650 Posts auf meinem Blog gefunden zu haben. Bravo.

    Eigentlich suche ich nach gar nichts. Ich bin nur erstaunt ob des vernichtenden Urteils über organisiertes Schulwesen in Entwicklungsländern und wollte wissen, ob das eine persönliche Meinung oder ein generelles Meinungsbild innerhalb der “Homeschool-Bewegung” ist (dass es eine solche gibt, haben Sie ja geschrieben).

    Der Witz an der Sache ist, dass Du auf die Fernuni-Hagen gegangen bist und dort wahrscheinlich neben der Arbeit studiert hast.

    Neben der Arbeit studieren ist etwas anderes als neben der (Feld-)Arbeit Lesen und Schreiben lernen. Ich denke, die Unterschiede liegen auf der Hand.

    Und Du klammerst Dich zu schnell an Verschwörungstheorien. Die Hilfsorganisationen beabsichtigen das bestimmt nicht, und manche sind ganz verzweifelt, wenn sie die Effekte sehen, die ihre Arbeit oft anrichtet.

    Mein diesbezüglicher Kommentar bezog sich auf diese Aussage:

    Das Interesse an afrikanischen Schulen ist nicht ganz so altruistisch, wie es die Werbeplakate von “Brot für die Welt” uns weis machen wollen.

    Was interpretiere ich denn daran falsch?

  84. #84 Christian Reinboth
    29. Januar 2010

    @1000Sunny:

    Dazu muss man natürlich wissen, dass 1-2 Stunden individuelle Bildung einen höheren Effekt haben wie ein Ganztagsschultag in einer vermassten “Bildung”

    Nur so aus Neugier: Gibt es repräsentative Erhebungen, die diese Aussage belegen?

  85. #85 Thilo Kuessner
    29. Januar 2010

    Grundsätzlich wird es sicher zutreffen, daß jemand, der etwas freiwillig und aus einer individuellen Motivation heraus lernt, in 1-2 Stunden mehr lernen kann als Schüler an einem Tag.
    Bei der Schulpflicht geht es ja aber weniger darum, Kinder vom individuellen Lernen abzuhalten, sondern es geht zugespitzt formuliert darum, daß Eltern verpflichtet sind, ihre Kinder zur Schule zu schicken statt sie zuhause auf dem Hof arbeiten zu lassen.
    Das Problem mit 1000Sunny’s Thesen ist, daß dort ständig völlig unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen werden.

  86. #86 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @CB
    Nun, jede Spende rentiert sich am Ende doch (in finanzieller Hinsicht) – wie ich oben beschrieben habe. Auch wenn es von den einzelnen Personen altruistisch gedacht ist, so hat man dennoch einen positiven Netto-Effekt. Damit wir uns nicht falsch verstehen – ich denke Bildung ist ein Menschenrecht, aber ich denke, dass Schulen der falsche Weg sind um uns zu helfen, und insbesondere um anderen Kulturen zu helfen.

    Zum anderen: Ob es da repräsentative Erhebungen gibt. Sie können ja bei jeder beliebigen Nachhilfe-Organisation anrufen 🙂 Die werden ihnen schon erzählen, wie viel die Schüler nach dem Schultag können und dann noch, wie viel sie nach der Nachhilfe können (und vor allem, wie das Selbstwertgefühl sich verändert).

    Ansonsten – wenn sie Homeschooler-Ergebnisse interessieren (was es eigentlich sollte, da sie die einzige Vergleichsgruppe zur Schule sind) – sehen Sie sich doch unter den Studien um, die ich Ihnen gepostet habe oder unter http://www.Netzwerk-Bildungsfreiheit.de (Dort sind auch Studien, wenn Ihnen meine Links nicht reichen).

    Ansonsten einfach bei Amazon den Begriff Homeschooling eingeben. Oder Blogs oder Mailinglisten.
    Oder Home Education in Deutschland von Thomas Spiegler.

  87. #87 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @Thilo
    Nein, das ist das Problem mit der Schulpflicht. Ob Kinder etwas lernen, das schaffen mittlerweile alle demokratischen Länder auch ohne Schulpflicht zu kontrollieren.
    Ob Kinder arbeiten *müssen*, das kann man auch kontrollieren ohne Schulpflicht (wobei die Schulpflicht das ja nicht wirklich kontrolliert).
    Ob Kinder genug Sozialkontakte haben lässt sich auch sicherstellen – ohne Schulpflicht.
    Es gibt keinen wirklichen ehrbaren Grund für die Schulpflicht – für alle die genannten Gründe genügt eine Bildungspflicht. Beispiel: Alle anderen demokratischen Länder.

    Die Schulpflichtbefürworter hier in Deutschland werfen aber alles in einen Topf und behaupten, ohne den Blick in andere Länder ehrlich zu wagen, dass es nur die Schulpflicht sei, die das alles garantiere.
    Ich versuche nur alles auseinander zu nehmen. Und es einzeln zu widerlegen. Damit beschäftige ich mich seit 3 Jahren auf meinem Blog.

    Und es fuchst mich, wenn alles auf die Evangelikalen reduziert wird und auf Darwin (dessen Buch ganz nett ist, aber ohne Mendel eher eine Vermutung darstellt) oder Vampire.

    Das Zauberwort heißt wirklich freiwillige Motivation – dann lernen die Kinder in 1-2 Stunden, was sie an einem Schultag lernen würden. Aber sie hören nach den 1-2 Stunden eben nicht auf. Und wer ein wirklich freilernendes Kind einmal gesehen hat, den lässt das nicht mehr los.

  88. #88 tatjana
    29. Januar 2010

    “freilernendes Kind” super! “…Ein frisches deutsches Kind aus freilernender Schulhaltung Klasse-A” 🙂

  89. #89 1000Sunny
    29. Januar 2010

    @All
    Hier ist noch ein Nicht-Christ (da ja Religionsfreiheit in Deutschland kein Argument mehr zu sein scheint): https://www.stern.de/panorama/deutsche-homeschooling-eltern-wir-werden-in-deutschland-verfolgt-1539312.html

    @tatjana
    🙂 Klingt auf jeden Fall besser als lauter Eier aus Käfighaltung – Danke

  90. #90 1000Sunny
    29. Januar 2010

    PS: Ich würde mich freuen, wenn noch ein gut recherchierter Artikel folgt, der das Ganze nicht als Gerichtsposse bezeichnet. Hier geht es um viel mehr.

  91. #92 Michel
    31. Januar 2010

    Na Donnerwetter …….
    Warum ist es denn so falsch wenn Christen nicht an DARVIN glauben?
    Müsste denn nicht jeder Christ im grunde die Lehren Drarvin`s ablehnen?

    Ich weigere mich zu glauben, dass alles was auf der Erde existiert nur zufällig existiert.
    Nicht nur weil ich Christ bin und somit an die Schöpfung glaube. Wer als Christ an etwas anderes als an die Schöpfung glaubt, dem wurde sicherlich in der Schule das falsche vermittelt. Im Grunde müsste jeder Christ sich mal zu einer Sache bekennen. Entweder, oder.
    Es kann nur eine Wahrheit geben.

  92. #93 rolak
    31. Januar 2010

    in der Schule das falsche vermittelt

    Ja, diese Erkenntnis über Deine Laufbahn hast Du in Deinem post eindeutig belegt, Truth-Highlander.

  93. #94 Ludmila
    31. Januar 2010

    Gutes Homeschooling kann sich im Grunde nur der leisten, der den Willen, die Bildung und das entsprechende Einkommen hat. Und wenn man die Kinder privilegierter Eltern mit allen anderen vergleicht, dann kriegt die erste Gruppe bessere Ergebnisse. *Oh Wunder* Neben dem Problem, dass man einen Deckmantel für Eltern hat, die ihre Kinder kontrollieren und wegsperren wollen, kriegen wir ein Mehrklassen-Bildungssystem, weil dann konsequenterweise in den staatlichen Schulen vor allem die Kinder gehen, die nicht das Glück hatten, mit so tollen Eltern geboren worden zu sein, die Zeit, Fähigkeit und Lust haben sie selbst zu unterrichten.

    Bravo!

    Das mit der Vorwurf des Kulturimperialismus ist schlicht pervers.

    Man darf Menschen also keine Alternative zu ihrem bisherigen Leben aufzeigen, weil die sonst die “falsche” Entscheidung treffen könnten?

    Mit welchem Recht kann man sich eigentlich anmaßen die Entscheidung eines gänzlich fremden jungen Mannes oder einer jungen Frau als “falsch” brandmarken, weil die in die USA auswandern, um Arzt zu werden? Was ist das für eine perverse Argumentation? “Gebt denen keine Freiheit, die könnten davon Gebrauch machen!”, “Gebt denen keine Bildung, die könnten nachdenken und was draus machen!”

    Und warum ist das “böse”? Weil die Kultur der Eltern untergehen könnte.

    Aha. Also ist eine “Kultur” mehr wert als Menschenleben? Also missgönnen wir Kindern anderer Menschen eine andere Lebensweise, damit wir in unserem klimatisierten Heim uns dran freuen können, dass es da draußen noch andere Lebensweisen als die unsere gibt. Man kann es bedauerlich finden, dass solche Traditionen aussterben. Aber man hat kein Recht, die Menschen zu verurteilen, welche diese Entscheidung treffen ihrer alten Kultur den Rücken zu kehren.

    Und überhaupt, was tun wir denn hier in Deutschland um unsere “Kultur” zu schützen? Verwehren wir Kindern aus Schwaben- und Bayern den Zugang zu Hochdeutsch, damit die ihren Dialekt nicht verlernen? Dürfen in Köln alle Kinder an den Schulen nur noch Kölsch sprechen, damit dieser Dialekt nicht ausstirbt? Zwingen wir einen Prozentsatz an Kindern Handwerker zu werden, damit die Walz nicht ausstirbt?

    Nein? Aber von anderen Menschen verlangen, dass die ihre eigene Kultur bewahren? Das erscheint mir doch arg geheuchelt.

  94. #95 itz
    31. Januar 2010

    „Die Vorgehensweise muss in einem Rechtsstaat einfach eine andere sein.“

    Als ob die Heimschulbewegung nicht schon alle Vorgehensweisen erfolglos und vor allem auch weit weniger öffentlichkeitswirksam ausprobiert hätte. Vom Gang durch die Instanzen über gewaltlosen Widerstand bis zur Auswanderung.

    Dient es eigentlich dem Wohl des Kindes, wenn ich die Eltern finanziell schädige, ins Gefängnis stecke, die Kinder mit Polizeigewalt in die Schule zwinge oder gar in ein Heim bzw. eine Pflegefamilie gebe?

    Die Vorgehensweise muss in einem Rechtsstaat einfach eine andere sein.

    Zum Beispiel den Hausunterricht zulassen – wie in den meisten Rechtsstaaten!

    Wäre der Familie genau das gleiche in der DDR passiert, wären Sie dann auch der Meinung, dass die Vorgehensweise eine andere sein sollte?

    @Ludmilla

    „Gutes Homeschooling kann sich im Grunde nur der leisten, der den Willen, die Bildung und das entsprechende Einkommen hat. Und wenn man die Kinder privilegierter Eltern mit allen anderen vergleicht, dann kriegt die erste Gruppe bessere Ergebnisse.“

    Ich glaube ja eher, dass Homescholling ein Phänomen der Mittelklasse ist: zu “arm” um sich eine Privatschule zu leisten aber zu privilegiert, bzw. engagiert um die Kinder in eine staatliche Schule zu schicken.

    „Neben dem Problem, dass man einen Deckmantel für Eltern hat, die ihre Kinder kontrollieren und wegsperren wollen, kriegen wir ein Mehrklassen-Bildungssystem, weil dann konsequenterweise in den staatlichen Schulen vor allem die Kinder gehen, die nicht das Glück hatten, mit so tollen Eltern geboren worden zu sein, die Zeit, Fähigkeit und Lust haben sie selbst zu unterrichten.“

    Wir haben ein Mehrklassen-Bildungssystem! Die privilegierten Eltern schicken ihre Kinder doch schon in Schulen außerhalb der sozialen Brennpunkte oder gar in Privatschulen. Wenn der Staat sich aber keine guten Schulen leisten kann oder will, sollten die Bürger wenigstens die Möglichkeit haben unter Alternativen auszuwählen.

    Und mal unter uns Atheisten: wären die Kreuze in jedem Klassenzimmer nicht auch ein guter Grund für Hausunterricht? Ob Judge Lawrence O. Burman auch Atheisten Asyl gewährt? 🙂

    Hausunterricht ist nicht nur ein Phänomen religiöser Spinner – es gibt auch „Evolved Homeschoolers“

  95. #96 klauszwingenberger
    1. Februar 2010

    Das Zauberwort heißt wirklich freiwillige Motivation – dann lernen die Kinder in 1-2 Stunden, was sie an einem Schultag lernen würden. Aber sie hören nach den 1-2 Stunden eben nicht auf. Und wer ein wirklich freilernendes Kind einmal gesehen hat, den lässt das nicht mehr los.

    Ja, wenn! Und genau hier besteht die Gefahr, einem Beobachtungs- oder Auswahleffekt aufzusitzen.

    Die Kinder, die das beherrschen, waren schon vorher privilegiert – in der Weise, dass sie Motivation und Ermunterung erfahren haben. Klar, an denen kann man wunderbar nachweisen, dass Homeschooling funktioniert.

    Können Sie sich aber auch vorstellen, wie ein “freilernendes” Kind aussieht, das die ersten sechs Lebensjahre vor dem Fernsehapparat deponiert wurde? Das nach Eintritt in die Schule erst einmal monatelang beigebracht bekommen muss, wie man einen Bleistifft anfasst? Dessen Aufmerksamkeitsspanne etwa der Schnittfolge von Videoclips entspricht? Das sind gesellschaftliche Realitäten, die die Lyrik von der freiwilligen Motivation doch etwas blass aussehen lassen.

    Das Problem besteht nicht originär in der Motivation der Kinder, sondern in der der Eltern. Wie ich oben schon einmal schrieb, bin ich mit einer Grundschullehrerin verheiratet, zusätzlich haben wir zwei Pflegekinder aus prekären Verhältnissen aufgenommen; ich weiß, was für haarsträubende Sachverhalte hinter dem Begriff der “bildungsfernen Schichten” stehen. Wie kann man annehmen, dass solche Kinder von nun auf jetzt genau dort Motivation und Anleitung erfahren sollten, wo bestenfalls Gleichgültigkeit, Unbeholfenheit oder nackter Mangel herrschte?

    Es ist sicher erbaulich, von Freiheit und Selbstbestimmung zu sprechen. Aber der Preis der Freiheit ist die Verantwortung. Wo die nicht mehr ohne weiteres vorausgesetzt werden kann, muss man dann eben in Kauf nehmen, dass man Teile der kommenden Generationen schlicht ihrem Schicksal überlässt. Erblich chancenlos.

  96. #97 Christian Reinboth
    1. Februar 2010

    @1000Sunny: Das Problem sieht doch wie folgt aus: Ich bezweifle ja gar nicht, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder zu Hause vernünftig unterrichten können. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es Eltern gibt, die das so gut hinbekommen, dass das Kind mehr lernt als in der Schule. Wir sind uns doch aber sicher einig, dass die fachlichen, didaktischen und erzieherischen Kompetenzen, die dafür nötig sind, vermutlich nur bei sehr wenigen Eltern vorhanden sein dürften. Schätzen wir mal großzügig und sagen 5%. Aus dieser Gruppe fallen nun alle raus, die aus beruflichen oder sonstigen Gründen ihre Kinder nicht zu Hause unterrichten wollen oder können bzw. die gar nicht möchten, dass ihre Kinder keine Schulen besuchen (die große Mehrheit der Bevölkerung hat – wie bereits festgestellt – mit der allgemeinen Schulpflicht ja gar keine Probleme). Da bleiben realistischerweise nur sehr, sehr wenige Eltern übrig, bei denen das Kind vom Heimunterricht einen echten Vorteil hätte.

    Demgegenüber steht eine potenziell sehr viel größere Anzahl von Eltern, die es vielleicht mal mit Heimunterricht versuchen würden, dem Kind dabei aber mehr schaden als nützen. Inklusive natürlich politisch, religiös oder sonstwie motivierte Eltern, die die Gelegenheit nutzen würden, ihre Kinder von allem abzuschirmen, was nicht ihrem Weltbild entspricht. Oder Eltern, die eine (hypothetische) Homschool-Zulage kassieren, die Kinder aber nur vor die Glotze setzen. Wenn der Staat hier gewährleisten müsste, dass nur diejenigen Eltern dürfen, die auch wirklich können, wäre das eine ganz unglaubliche Sysiphos-Arbeit. Wie sollte denn sowas organisiert und kontrolliert werden – und nach welchen Kriterien ließe sich bewerten?

    Ganz davon abgesehen ist es ja nicht so, dass der Staat den Eltern mit der Schulpflicht “verbieten” würde, sich um die Bildung ihrer Kinder zu kümmern. Eltern, die etwas für die Bildung der Kinder tun wollen haben doch viele Möglichkeiten (so sie denn über ausreichend Geld verfügen, was aber wieder ein anderes Thema ist): Bücher kaufen, Kinder ins Museum oder Planetarium mitnehmen, Teleskop oder Mikroskop zu Weihnachten schenken etc. pp. Und vor allem: Mit den Kindern gemeinsam lesen und diskutieren. Davon hält einen doch nichts und niemand ab…

  97. #98 mrbaracuda
    2. Februar 2010

    Wie ich sehe habt ihr den.. interessanten.. 1000Sunny kennengelernt. Drolliger User ist das.

  98. #99 Kristin
    3. Februar 2010

    Oha, Stern.TV mit Vorzeigechristen Jauch hat das Home-Schooling Thema grad gebracht.

    Die armen Kinder wollten einfach nicht in die laute Schule und da hielt man es für besser, sie zuhause zu unterrichten. Ja klar.

    Aber der Typ vom Lehrerverband ging ja gar nicht. Meine Güte, der hätte die Eltern auseinandernehmen müssen, von wegen ihrer Qualificationen den Kindern gewisse Sachen beizubringen und erklären zu können. Und hinsichtlich ihrer eigenen Schulerfahrung befragen müssen. Vor allem, warum wollen denn die nächsten Kinder auch home-geschoolt? Hat man denn da überhaupt versucht, diese in eine Schule zu schicken? Davon ganz abgesehen, wenn eines zuhause lernen darf, wie will man denn dem nächsten gegenüber erwarten, daß es überhaupt zur schule will.

    Ich find das krass, alle kinder freuen sich normalerweise auf die schule und hier? Möglicherweise wurden die ja auch geprägt? Mutter waren daheim, konnten nicht loslassen und haben ihre anxiety auf die kinder übertragen … ihre kinder bis zum umfallen ausgequetscht, sich nicht positiv über die schule geäußert, was weiß ich. Ist doch nicht normal, daß ein Kind nicht zur Schule will.

  99. #100 1000Sunny
    4. Februar 2010

    @CB
    Ich mache jetzt mal ein Modell auf: Die Leute, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken *und* sie qualitativ hochwertig zu Hause unterrichten – die bekommen das Schulgeld einfach in Bar oder nach dem kanadischen Modell (hier bekommt es die Schule, unterstützt die Kinder aus der Ferne und gibt den Eltern die Hälfte).
    Die Qualität wird wie in Frankreich geprüft (dort macht man jedes Jahr eine Prüfung über 4 Stunden zu Hause beim Kind) oder wie in Kanada (da macht das die kooperierende Schule nach eigenem Konzept).
    Ich denke dieses würde vielen, besonders aus der Unterschicht helfen – dieses Modell in Anspruch nehmen zu können.

    2. Die Geldfrage ist eigentlich immens – jetzt hat Homeschooling jedoch den Vorteil, dass man daraus sehr viel Freude schöpfen kann und sich langsam unabhängig von dem Konsum machen kann. Man verbraucht also viel weniger Geld und lernt bescheidenere Freuden zu genießen. Oder findet andere Wege

    3. Qualifikation: Dieses ist ein anderes Thema. Hier gibt es aber mittlerweile im Internet so viel Hilfe, dass man dieses abhaken kann. Die Eltern brauchen diese Kompetenzen in Wahrheit nicht. Wichtig ist aber: Ein ehrliches und offenes Interesse am Kind. (Das ist eigentlich das Wichtigste)

    4. Staatliche Hilfe: Man könnte diesen Eltern auch staatlich beistehen. (Man bedenke, die Schule kostet ca. 500€ mtl/Kind) . Homeschooling-Starter-Paket (CDs, DVDs, Internet-Adressen, Mitgliedschaft in einer Fernschule (z.B. Clonlara), Büchereiausweis)

    5. Schule ohne Mauern: Man könnte Stadtteillehrer bereitstellen, der die Kinder auf Anfrage besucht oder der in einem Nieder-Schwelligen-Angebot zur Verfügung steht (z.B. hier Maulwurfshausen oder Kinder- und Jugendfarm; Mini-München).

    6. Man könnte die nieder-schwelligen Angebote einfach ab 8 Uhr öffnen und besser ausstatten, so dass viel mehr Menschen Homeschooling machen können (Home bedeutet nicht Haus, sondern die ganze Umgebung, Nachbarschaft). In diese Angebote könnten Kinder dann auch außerhalb der Schulzeiten ausweichen.

    Es ist unglaublich, was man alles tun könnte, wenn man sich von der Schulpflicht befreit. Dann öffnet sich ein großes Feld voller Lösungen, die wir aktuell alle verbieten – bloß weil wir uns von einem antiquierten Gedanken nicht lösen können.

    Interessantes Beispiel sind auch die Eltern-Kind-Koops dort schließen sich Eltern zusammen, und arbeiten, erziehen, helfen und entlasten sich gegenseitig. Das sind also gut ausgestattete Büros mit Spielräumen und Grünfläche.

  100. #101 1000Sunny
    4. Februar 2010

    Noch ein Punkt: Eltern, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie das Geld auch wirklich in die Bildung investieren könnte man am Anfang engmaschiger Kontrollieren. Oder einen erfahrenen Homeschooler zur Seite stellen (da gibt es ja mittlerweile genug in D), der ihnen beiseite steht und es im Umkehrschluss aber auch meldet, wenn er sieht, dass die Eltern kein Interesse an der Bildung ihrer Kinder haben.

  101. #102 Christian Reinboth
    4. Februar 2010

    @1000Sunny:

    Die Leute, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken *und* sie qualitativ hochwertig zu Hause unterrichten – die bekommen das Schulgeld einfach in Bar oder nach dem kanadischen Modell (hier bekommt es die Schule, unterstützt die Kinder aus der Ferne und gibt den Eltern die Hälfte).

    Geld bar in die Hand. Also wenn das kein Anreiz für Eltern sein könnte, die im Grunde ihre Kinder gar nicht unterrichten wollen oder können, dann weiß ich auch nicht…

    Die Eltern brauchen diese Kompetenzen in Wahrheit nicht. Wichtig ist aber: Ein ehrliches und offenes Interesse am Kind.

    Ist das tatsächlich Ihre ehrliche Meinung? Dass man außer Interesse am Kind gar keine Kompetenzen erzieherischer, didaktischer, methodischer oder inhaltlicher Art benötigt, um seine Kinder vollständig zu Hause unterrichten zu können?

    …hat Homeschooling jedoch den Vorteil, dass man daraus sehr viel Freude schöpfen kann und sich langsam unabhängig von dem Konsum machen kann.

    Von welchem Konsum macht man sich denn als Homeschooler unabhängig?

  102. #103 1000Sunny
    4. Februar 2010

    1. Wo ist der Anreiz – falls die Familie durch die Kontrolle fällt darf man nicht mehr Homeschooling machen. Ich verstehe das Problem nicht.

    2. Das ist nicht meine Meinung, sondern meine Beobachtung. Schaut man sich die Listen an (und davon gibt es viele – auf der ganzen Welt) dann sieht man, dass das Bildungsniveau sehr stark gestreut ist. Was man aber noch sieht, ist wie besonders die mit wenig formaler Bildung (oder nur erfolgloser formaler Bildung?) auf einmal aufblühen, wenn sie ihrem Interesse folgen. Und die Kinder blühen meistens einfach nur schneller auf und stecken die Eltern an – schauen sie mal nach: Viral Learning
    Besonders die Eltern, die damals in ihrer Kindheit von der Schule wegselektiert wurden merken oft, wie daneben die Lehrer mit ihren Einschätzungen lagen und dass eben jeder Mensch eine Menge Potential hat. Er muss sich nur trauen.

    3. Nun als allererstes Mal der Schulkonsum 🙂 Danach folgt dann wohl der Fernsehkonsum – der leidet am meisten drunter. Die Kinder haben auf einmal Interessanteres zu tun – und die Erwachsenen auch. Die herausstechendsten Beispiele sind aber immer wieder die, die sich ihre Fahrzeuge selber bauen (Schiff, Auto) usw. Und das sind keine Seifenkisten oder Nussschalen. Der jüngste Weltumsegler ist z.B. Homeschooler. Schiff selbst gebaut, auf der Umsegelung alles selbst repariert.

    Bei denen sieht man erst, was Bildung wirklich bedeutet. Die Fähigkeit (!) Dinge selber (!) machen zu können und nicht nur die Fähigkeit zu einer höher bezahlten abhängigen Beschäftigung mit steter Gefahr auf dem HarzIV-Abstellgleis zu landen.

    Hier ist noch was zu Sozialisation:

    Wenn man sich ein Fach wirklich nicht zutraut, gibt es mittlerweile hervorragendes Material zu bestellen:

    Und hier ein Lied von einer Mutter, die es versucht hat und jeder hat ihr gesagt, dass sie es nicht schafft:

  103. #104 Andrea N.D.
    4. Februar 2010

    @Sunny:
    Utopie bleibt Utopie, da hilft auch kein youtube.
    Überhaupt vermisse ich so ein bisschen die Nachweise. Ein Schiffbauer als Beispiel? Hast Du auch Statistiken über gescheiterte Home-Schüler oder kommen die gar nicht vor?
    Wie viele Kinder hast Du großgezogen? Wie viele davon gehomeschooled? Und – wie ist es Euch so ergangen? Wie wärs mit Lateinnachhilfe eines Pubertierenden und Chaosdeutsch eines ADHSlers? DAS sind Beispiele. Wenn Du mehr brauchst, geh doch einmal in einen städtischen (Erzieherinnen noch schlechter bezahlt als sowieso schon, Stellenschlüssel kleiner) Hort und “unterrichte” da nachmittags vier Stunden. Ich bin gespannt, wann Du aufgibst. Und das ist der Faktor “meine Eltern sind besonders doof und da kann ich mich am meisten aufführen” noch gar nicht dabei.

    Utopie bleibt Utopie, da hilft auch kein selbstgebautes Schiff.

  104. #105 1000Sunny
    5. Februar 2010

    Hallo Andrea,

    stimmt, es gibt viele solche Fälle. Weltweit – man sieht die Dystopie Schule funktioniert einfach nicht.
    Jetzt gibt es zwei Lösungen:
    1.) Psychiater, Pädagogen, Ritalin, Nachhilfe und noch mehr Schule
    oder
    2.) Man nimmt die Kinder einfach aus der Schule und lässt sie sich frei entwickeln. Die Phänomene, die sie beschreiben nennen wir Homeschooler: Deschooling
    Deschooling ist eine Phase – nachdem man die verweigernden und scheiternden Kinder aus der Schule befreit hat – in der die Kinder machen dürfen was sie wollen.
    Man sieht es als eine Art Entschlakungskur: Der ganze erlittene Zwang und die extrinsische Motivation müssen wieder raus. Das sind oft monatelanges Fernsehen, Chips, Junk-Food, Computerspielen (alles, was der Schule als “böse” gilt) – man rechnet mit ca. 2 Wochen pro absolviertem Schuljahr.
    Nach einiger Zeit hören sie auf und fangen ernsthaft an zu lernen (wenn man sie nicht wieder zu irgendwas zwingt).
    Du findest mehr zu dem Thema unter dem Begriff: Deschooling (auf Deutsch Entschulung).

    Hier beschreibt ein fertiger Homeschooler seine Erfahrung auf einer Lehrerkonferenz in Russland (keine Angst ist in Englisch 🙂 ):


    https://www.youtube.com/watch?v=GjdkWF_C960

    PS: Zu Homeschooling gibt es mittlerweile genug Studien, habe ich schon in vorigen Antworten erwähnt.

  105. #106 klauszwingenberger
    5. Februar 2010

    Man nimmt die Kinder einfach aus der Schule und lässt sie sich frei entwickeln.

    Na supi. Das müsste dann wohl auch bei den vielen sich “frei entwickelnden” realen Schulverweigerern so sein, deren Tageslauf im wesentlichen genau so aussieht:

    Das sind oft monatelanges Fernsehen, Chips, Junk-Food, Computerspielen (alles, was der Schule als “böse” gilt)

    Träfe Ihre Vision zu, müssten gerade die alle anderen in gewisser Zeit locker überholen. Tun sie aber nicht. Stattdessen landen sie, wenn sie Glück haben, vor dem totalen persönlichen Absturz in Fördermaßnahmen mit intensiv betreuter Heimunterbringung. Mit noch mehr Glück erreichen sie dort minimale Abschlüsse, und einige wenige schaffen anschließend eine handwerkliche Ausbildung.

    Oder glauben Sie ernsthaft, die Cliquen der Schulverweigerer, die es locker schaffen, sich ganze Monate en suite dem schulischen Unterricht zu entziehen, nähmen in dieser Zeit aus freiem Antrieb ein Handbuch über Infinitesimalrechnung oder ihren Shakespeare zur Hand? Lächerlich, da kann mir ein Hansel in einem Youtube-Clip erzählen, was er will.

    Nein, Ihr Standpunkt führt geradewegs in eine extreme Polarisierung der Bildungslandschaft. Die Voraussetzungen für erfolgreiches Homeschooling findet man allenfalls da, wo Bildung und Förderung der Kinder ohnehin einen hohen Stellenwert hat. Alle anderen fallen gnadenlos durch den Rost ins Bodenlose.

  106. #107 JV
    8. Februar 2010

    “Deschooling ist eine Phase – nachdem man die verweigernden und scheiternden Kinder aus der Schule befreit hat – in der die Kinder machen dürfen was sie wollen.”

    Die gute alte antiautoritäre, laissez-faire Erziehung. Da man 30 Jahre nach den 70ern wunderbar ihre Auswüchse untersuchen konnte, hat man das getan. Heraus kam: Diese Art der Erziehung ist in ihrer Art genauso dysfunktional wie die autoritäre Erziehung.

  107. #108 klauszwingenberger
    9. Februar 2010

    @JV:
    Schlimmer, es ist eine Art breit angelegtes Kaspar-Hauser-Experiment.

  108. #109 Kristin
    9. Februar 2010

    Vor allem, was machen die Kinder später als Erwachsene im Realen Leben? Homeworking?

  109. #110 1000Sunny
    12. Februar 2010

    Ich denke die letzten Kommentare zeigen deutlich, dass es hier nicht um einen Kampf gegen religiöse Indoktrination geht. Gegen jeden, der Homeschooling als Lebensweg wählt wird hier in Deutschland das Breitschwert rausgeholt. Und Dummheit verbündet sich mit Intoleranz.
    Homeschooler werden hier systematisch verfolgt und nicht Christen oder Evangelikale.
    Und das ist es, was die Asylbegründung sagt. Deutschland hat wieder angefangen soziale Gruppen zu verfolgen.

  110. #111 JV
    13. Februar 2010

    Richtig, ich habe schon angefangen, Holz zu sammeln und aufzuschichten. *wirr*

  111. #112 kristin
    14. Februar 2010

    JV, datt verbrennen andersdenkender liegt aber in der domaine der christen …

  112. #113 1000Sunny
    14. Februar 2010

    Stimmt, Atheisten neigen eher zu Löwen.

  113. #114 klauszwingenberger
    15. Februar 2010

    Das habe ich jetzt nicht verstanden – wozu neige ich?

    Abgesehen davon steht Ihre Stellungnahme, 1000sunny, zu der Frage noch aus, wie Homeschooling in Familien aussehen soll, in denen

    nicht gelesen wird und in denen die Erwachsenen selbst des Lesens weitgehend unkundig sind

    in denen selbst die Muttersprache nur rudimentär gehandhabt wird und niemand eine Fremdsprache beherrscht

    in denen niemand auch nur einen Dreisatz lösen kann

    in denen das historische Gedächtnis allenfalls die letzten 14 Tage im Viertel umfasst

    Nur mal am Rande: ich stamme selbst aus eher kleinen Verhältnissen. Unter den Bedingungen des Homeschooling hätte ich niemals eine akademische Ausbildung erreichen können. Mein Elternhaus konnte zwar jede Menge Ansporn und Unterstützung bieten (Hochachtung und Dank dafür!). Aber schon für den Stoff ab Klasse 5 hätte es zu Hause nicht mehr gereicht. Und sehen Sie: das meine ich mit der sozialen Selektion, die mit Homeschooling notwendig einhergeht und die so im Ernst niemand wollen kann. Es zementiert Klassenunterschiede.

    Ich hoffe, das war jetzt deutlich genug, worum es mir geht.

  114. #115 kristin
    16. Februar 2010

    Aber dat mit dem Löwen waren doch keine Atheisten …. dat waren nur keine Christen.

  115. #116 S.S.T.
    17. Februar 2010

    @kristin

    JEDER, aber auch jeder, der nicht an den christl. Gott glaubt, ist ein pöser Atheist, der für alle Verbrechen dieser Welt verantworlich ist. Beweis: In den christl. Kirchen gibt es keine Verbrechen, da sie ja die Moral (TM) gepachtet haben; auch die kinderschändenden Priester sind nicht wirklich selbst für ihre Taten verantwortlich, sondern, laut Mixa, die 68iger (und das waren garantiert jede Menge fiese Atheisten).

  116. #117 kristin
    17. Februar 2010

    Laut mixa sind ja atheisten an all dem grundübel der welt schuld: kindsmißbrauch, nationalsozialismus, genozid …. wie sieht es eigentlich mit tötung des eigenen kindes aus? Hat gott der allmächtige dit denn nciht verhindern können oder wollen? Naja, was erwartet man also von dessen würdenträgern uff erden, wenn er schon so ein ambivalentes verhältnis zu seinem eigenen kinde hatte.

  117. #118 1000Sunny
    25. Februar 2010

    @klauszwingenberger

    Da gibt es mittlerweile Studien (also von bildungsfernen Schichten). Ergebnis: die schneiden schlechter ab, als Homeschooler in bildungsnahen Schichten, aber sie schneiden viel besser ab, als ihre Schichtäquivalente in öffentlichen Schulen.

    In anderen Ländern hat mittlerweile fast jedes Dorf HS/US Selbsthilfegruppen, die sind von Bürgern organisiert, veranstaltet und finanziert. Und sie sind für Bürger.

    Auch wir würden liebend gerne anderen helfen Unschooling zu machen und noch ein paar bildungsferne Kinder mit unschoolen (andere Familien wären dazu auch bereit).

    Ist allerdings alles hier in De verboten – aber nur hier.