Heute schreibe ich ausnahmsweise mal etwas zum Thema Förderanträge – und hoffe schon vorab, dass es sich nicht wie ein Rant anhört. Insbesondere geht es mir um die Frage, ob das Schreiben solcher Anträge nicht stärker gewichtet werden sollte – und ob es eventuell Sinn machen könnte, abgelehnte Anträge zu veröffentlichen.
Auf den ScienceBlogs wurde ja schon öfter darüber diskutiert, dass bestimmte Tätigkeiten vom Wissenschaftsbetrieb insgesamt zu wenig honoriert werden, darunter beispielsweise das Schreiben allgemeinverständlicher Bücher über Wissenschaft, die Vorbereitung und Durchführung guter Lehrveranstaltungen, die Arbeit an verständlichen Foliensätzen sowie Wissenschaftsblogging und sonstige Öffentlichkeitsarbeit. Zu dieser Liste würde ich gerne ein weiteres Item hinzufügen: die Beschaffung von Fördermitteln.
Mittelbeschaffung ist essentiell – und mit viel Aufwand verbunden
Wie im täglichen Leben gilt nämlich auch in der Wissenschaft: Ohne Moos nix los. Um forschen zu können, müssen erst einmal staatliche Gelder beantragt oder Drittmittel – meist von Unternehmen – eingeworben werden. Dies reicht von der Beantragung von Laborgerät über die Prototypen-Förderung bis hin zu Material- und Personalkosten für mehrköpfige Arbeitsgruppen über mehrere Jahre. Der hiefür erforderliche Aufwand ist nicht zu unterschätzen: Es müssen Kooperationspartner eingeworben, Letters of Intent gesammelt, Schreibarbeiten koordiniert und Projekte präsentiert werden – alles Aktivitäten, die ich nachfolgend übersichtshalber unter dem Begriff „Fundraising” zusammenfassen möchte.
Wer selbst schon Anträge geschrieben hat weiß, dass der Arbeitsaufwand bisweilen sogar den Aufwand übersteigt, den man mit einem Paper mittlerer Länge hat. Bei den technisch orientierten Anträgen werden nicht selten eine Analyse des Stands der Technik, Patent- und Literaturrecherchen, technische Skizzen sowie voll ausgearbeitete Geschäftsmodelle und Vertragswerke verlangt. Schon einfache Anträge umfassen dutzende von Seiten, Literatur- und Patentlisten enthalten oft 50 oder mehr Items, die erst einmal recherchiert werden müssen. Und auch das Anfertigen „hübscher” Grafiken ist mit Aufwand verbunden.
Kurz ausgedrückt: Anträge schreiben macht eine Menge Arbeit und ist dabei nur eine von vielen Aufgaben, die bei der Mittelbeschaffung zu erfüllen sind, denn Fundraising ist Lobbyarbeit. So verbringe ich in manchen Monaten einen Großteil meiner Arbeitszeit damit, Politiker, Journalisten und vor allem Unternehmer von der Wichtigkeit eines bestimmten Forschungsthemas zu überzeugen, Messen und Workshops zu besuchen, Vorträge zu halten, Podiumsdiskussionen mitzumachen und Artikel zu schreiben. Arbeit, die mehr oder weniger umsonst war, wenn ein Projekt abgelehnt wird und hinterher in der Schublade verschwindet.
Gut, manchmal reicht man eine Idee auch ein zweites Mal bei einem anderen Programm ein. Aber spätestens nach der zweiten oder dritten Ablehnung gibt man es meistens auf und wirft die Idee in die Rundablage. Was mich zu zwei Fragen führt, die mich schon seit einer Weile beschäftigen: Wird die Mittelbeschaffung im Wissenschaftsbetrieb zu wenig anerkannt? Und wie sinnvoll wäre es, abgelehnte Ideen zu sammeln und anderen zur Verfügung zu stellen?
Anträge schreiben oder publizieren – (k)eine schwere Wahl
Zur ersten Frage ist festzustellen, dass das Antragsschreiben eine eher undankbare Arbeit ist. Da nichts veröffentlicht wird, trägt auch ein sehr gut recherchierter und geschriebener Antrag nicht zur typischen Hochschul-Karriere bei, wobei „reine” Fundraiser in einer noch schlechteren Position als diejenigen sind, die Gelder für eigene Projekt beantragen, und damit zumindest auf spätere Veröffentlichungen hoffen dürften.
So oder so gibt es erst mal keine Veröffentlichung und damit auch keine „Karrierepunkte”, weshalb sich in der Regel niemand darum schlägt, an einem Antrag beteiligt zu sein (man vergleiche dies mit dem Gerangel um Ehren-, Erst-, Letzt- und Drittautoren bei manchen Papern). Eine bessere Würdigung guter Mitteleinwerbung würde – wie auch eine bessere Würdigung guter Lehre, guter Öffentlichkeitsarbeit oder guter populärwissenschaftlicher Bücher – nicht nur bei der Finanzierung helfen, sondern auch Anreize schaffen, sich mit geeigneten Formen der Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte zu beschäftigen, was mittelfristig auch der Außendarstellung von Wissenschaft zugute kommen sollte…
Abgelehnte Anträge löschen – oder Dritten zur Verfügung stellen?
Seit einiger Zeit beschäftigt mich zudem die Frage, ob es nicht Sinn machen würde, verworfene Förderideen in irgendeiner Form zu veröffentlichen und Kollegen zugänglich zu machen. Obwohl unsere „Erfolgsquote” bei Anträgen erfreulicherweise recht hoch ist, habe ich in den letzten Jahren auch einige wirklich gute Ideen in der Versenkung verschwinden sehen. Als Beispiel sei ein Netzwerk aus mobilen Geräten genannt, das bei uns vor einiger Zeit mal auf dem Tisch lag. Ziel war es, Kurgäste mit Herzproblemen bei der Planung von Wanderungen zu unterstützen und zu begleiten, angefangen bei der Auswahl medizinisch sinnvoller Routen auf der Basis von Geodaten und Vitalwerten über die Begleitung via GPS bis hin zum Weg zur nächsten Bushaltestelle bei Unwohlsein oder einem automatisierten Notruf bei einem akuten Schwächeanfall.
Dieses System liegt als vollständige Vorab-Planung inklusive Skizzen, Präsentationen, Stand der Technik und Klärung der Patentlage seit Jahren in meiner Schublade, nachdem der Antrag wegen Geldmangels hinfällig wurde. Wer aber sagt mir denn, dass nicht irgendeine Kurklinik im Bayerischen Wald zusammen mit der örtlichen FH die Idee nicht doch über Landesmittel realisieren könnte? Wäre denen nicht geholfen, wenn sie nicht nur Zugang zur Idee, sondern auch zu einer Projekskizze hätten? Wenn sie fünf Arbeitstage weniger für die Recherche und Sichtung relevanter Paper einplanen müssten? Wie schön wäre es auf der anderen Seite für meine Kollegen und mich, wenn die Arbeit nicht umsonst gewesen wäre und die Idee doch noch – nur eben woanders – umgesetzt wird? Wenn es am Ende gar noch eine kleine Nennung in einer Publikation gäbe, die besagt, dass die Idee ursprünglich von X, Y und Z stammt, und vom Projektteam aufgegriffen und weiterentwickelt wurde?
Wäre es also sinnvoll, ein Wiki oder eine andere Form der zentralen Datensammlung für die im eigenen Haus gescheiterten Projektideen anzulegen? So ein System wäre ja nicht nur zur Ideenfindung sinnvoll, sondern könnte auch die Suche nach möglichen Projektpartnern erleichtern oder zeigen, welche Ansätze nicht funktionieren? Wie könnte sowas technisch aussehen und wer könnte oder sollte Zugriff erhalten? Wäre es denkbar – oder überhaupt gestattet – dort auch erfolgreiche Anträge unterzubringen – sozusagen als Best Practice? Und – um auf meine andere Frage zurückzukommen – was könnte man tun, um Fundraising und die damit verbundene Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit attraktiver zu gestalten?
Sinnvolle Fragen oder doch nur Unsinn? Was meint ihr?
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