Im Juli und August 1945 – mehrere Monate nach Ende des zweiten Weltkriegs – wurden zwei deutsche U-Boote von ihren Besatzungen im argentinischen Seebad Mar del Plata den Behörden übergeben. Ist es wirklich denkbar, dass diese Boote hochrangige Nazis zu einer geheimen Basis in der Antarktis verbracht haben? Und war diese Basis vielleicht auch das Ziel der mysteriösen US-amerikanischen Operation “Highjump” von 1946/47?
Als vergangenen September im Fahrwasser der erfolgreichen LCROSS-Mission wieder mal jede Menge wilder und bizarrer Verschwörungstheorien durchs Netz geisterten, war natürlich auch die fast schon unvermeidliche Geschichte von der geheimen Nazi-Basis am Südpol und dem angeblichen Raumfahrtprogramm des Dritten Reichs dabei.
Ich wollte damals eigentlich schon etwas dazu schreiben, bin aber erst jetzt endlich dazu gekommen. Erstaunlicherweise verbirgt sich hinter der abwegig klingenden Geschichte nämlich mehr als nur eine wirre Phantasterei – vielmehr handelt es sich um eine geschickte Verquickung realer, wenn auch unzusammenhängender Ereignisse, die sehr schön illustriert, wie sich aus der harmlosen Suche nach Mustern, journalistischem Geltungsbedürfnis und braun-esoterischen Wunschvorstellungen ein dauerhaft bestehendes Konstrukt formiert.
Nun begibt man sich natürlich auf einen schmalen Grat, wenn man über Verschwörungen bloggt, in diesem Fall existiert jedoch eine zitierfähige Quelle – ein 2007 erschienenes, peer-reviewtes(!) Paper von Colin Summerhayes und Peter Beeching vom Scott Polar Research Institute der University of Camebridge, die sich mit der Historie hinter “Neuschwabenland” und den britischen bzw. US-amerikanischen Militäroperationen “Tabarin”, “Highjump” und “Argus” befasst haben:
Summerhayes, C., & Beeching, P. (2007). Hitler’s Antarctic base: the myth and the reality Polar Record, 43 (01) DOI: 10.1017/S003224740600578X
Auf 21 Seiten arbeiten sich Summerhayes und Beeching durch fast alle gängigen Theorien, die Stück für Stück anhand historischer Dokumente sowie wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Antarktis widerlegt werden, bis letzten Endes nur der historische Kern übrig bleibt. Alles in allem ein absolut lesenswertes Paper, welches ich nachfolgend kurz zusammenfassen möchte, wobei selbst die Kurzfassung für einen Blog ungewöhnlich lang ausfällt, was man mir angesichts der Länge des Artikels sowie der Vielzahl an Quellen bitte nachsehen möge.
Gängige Verschwörungstheorien
Wie Summerhayes und Beeching feststellen, widersprechen sich die Autoren der meistverkauften Bücher über die vermeintliche Antarktis-Basis in so vielen Punkten,
dass man kaum noch von einer einheitlichen Theorie sprechen kann. Hinsichtlich der Eckdaten besteht jedoch eine gewisse Einigkeit: Ausgangspunkt ist in jedem Fall die deutsche Antarktis-Expedition von 1938/39, in deren Rahmen mit der Errichtung einer geheimen Militärbasis in einem von den Teilnehmern der Expedition Neuschwabenland getauften Areal östlich des Weddell-Meeres begonnen wurde.
Diese Basis wird während der Kriegsjahre beständig ausgebaut, wobei U-Boote Personal und Material in die Antarktis verbringen. Im Jahr 1943 – die Basis verfügt inzwischen über einen befestigten U-Boot-Hafen und – je nach Phantasie des Autors – eine mehrere hundert oder tausend Mann starke Besatzung, unternimmt der britische Special Air Service (SAS) den ersten von mehreren Angriffsversuchen, die jedoch allesamt scheitern. Kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs transportieren die letzten U-Boote, die deutsche Häfen verlassen, hochrangige Nazis, geheime Waffen, Gold und andere Werte nach Neuschwabenland.
Um den verbliebenen Nazi-Außenposten zu zerstören, entsendet US-Präsident Truman ein Expeditionsheer unter dem Kommando von Konteradmiral Byrd in die Antarktis. Dieser muss seine Mission jedoch vorzeitig und unter großen Verlusten abbrechen und warnt nach seiner Rückkehr vor einer ominösen Bedrohung der Vereinigten Staaten durch Flugobjekte, die über die Pole nach Amerika vorstoßen könnten. Unter dem Vorwand eines Atomtests wird die Basis schließlich 1958 im Rahmen der Operation “Argus” durch drei Nuklearwaffen zerstört.
Soweit die gängige Geschichte, wobei Summerhayes und Beeching in ihrem Paper – wie auch ich in diesem Blogpost – auf die nähere Betrachtung der zahlreichen esoterisch angehauchten und daher nicht falsifizierbaren Ausschmückungen dieses Grundgerüsts (Thule-Gesellschaft, Flugscheiben, freie Energie etc.pp.) verzichten. Wer sich eine Vorstellung davon machen will, welch wirre Dimensionen die Neuschwabenland-Story in esoterischen Kreisen inzwischen angenommen hat, dem sei ein kurzer Blick in diesen Blogpost eines alten Bekannten empfohlen (Aspirin bereithalten). Hunderte weiterer Fassungen – viele allerdings auf braun angehauchten Webseiten und daher nicht verlinkbar – lassen sich via Google finden.
Die Schwabenland-Expedition
Um dem “wahren Kern” hinter der Neuschwabenland-Geschichte auf den Grund zu gehen, muss man sich zunächst die Bedeutung der Walfang-Industrie im Dritten Reich vor Augen führen. Nachdem 1935 in Bremerhaven die Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft (mbH) gegründet worden war, avancierte die Walfang-Industrie bis Ende der 30er Jahre zu einem recht bedeutenden Zweig der deutschen Wirtschaft. Über 50 Walfang-Schiffe und sieben schwimmende Fabriken wie die Jan Wellem lieferten in der Saison von 1938/39 knapp 500.000 Barrel Walöl – zudem sorgte der Walfang auch für das für die Herstellung von Sprengstoffen wichtige Glyzerin. Das Streben der Nazi-Führung nach weitestgehender Unabhängigkeit von Importen führte dazu, dass der Vierjahresplan von 1936 einen umfangreichen Ausbau der deutschen Walfangflotte vorsah.
Der weiteren Expansion der Walfang-Industrie standen jedoch Befürchtungen im Weg, Norwegen könnte Anspruch auf das 1936 von norwegischen Walfängern entdeckte Königin-Maud-Land (norwegisch: Dronning Maud Land) und damit auch die Seegebiete nahe der Antarktis erheben, in denen die deutsche Flotte primär unterwegs war. Die von Göring ins Leben gerufene Deutsche Antarktische Expedition ist daher primär als der Versuch zu sehen, einer möglichen norwegischen Beanspruchung zuvorzukommen und selbst den Besitz zumindest eines Teilgebietes der Antarktis zu ergreifen.
Zu diesem Zweck wurde das Katapultschiff Schwabenland unter dem Kommando von Kapitän Alfred Ritscher in die Antarktis entsandt, einem eher skrupellosen Karrieristen, der sich unter anderem dadurch hervortat, dass er bereits ein Jahr nach der Machtergreifung die Ehe mit seiner jüdischen Frau Susanne annullieren ließ, um seine Karriere bei der Kriegsmarine nicht zu gefährden. Die Schwabenland führte zwei Flugboote vom Typ Dornier Wal (Boreas und Passat) mit sich, die über ein Katapult abgeschossen und über eine Krananlage wieder an Bord geholt werden konnten.
Neben der Landnahme verfolgte die Expedition jedoch auch geheimgehaltene militärische Ziele. Insbesondere sollte vor dem Hintergrund des 1939 längst geplanten Überfalls auf die Sowjetunion getestet werden, wie das Flugequipment auf extreme Kälte reagiert. Da auch die Landnahme im Geheimen ablaufen musste, um Norwegen nicht zu einer verfrühten Proklamation zu bewegen, umgab die Expedition von Anfang an eine leicht nebulöse Aura, was die Phantasie zahlreicher Buchautoren später ungemein beflügeln sollte.
Tatsächlich handelt es sich bei der Expedition von 1938/39 nur um die erste von drei geplanten Expeditionen, mit denen in der Tat das Ziel verfolgt wurde, einen permanenten Außenposten in der Antarktis zu errichten, wobei jedoch das Vorhaben aufgrund des Kriegsbeginns nicht über die erste Expedition hinauskam. Ritschers Aufgabe bestand insbesondere darin, das Areal zwischen 11° West und 20° Ost – das später so bezeichnete Neuschwabenland – aus der Luft zu fotografieren, um einen geeigneten Platz für eine solche Basis auszumachen. Das Gebiet wurde während dieser Aktion mit aus der Luft abgeworfenen Hakenkreuzfahnen markiert, um eventuelle Besitzansprüche Norwegens negieren zu können.
Um sich vor Augen zu führen, wie absurd die Vorstellung ist, während dieser Expedition sei eine permanente Basis oder auch nur ein Vorposten errichtet worden, reicht ein Blick auf den zeitlichen Rahmen: Die Schwabenland lief am 17. Dezember 1938 in die Antarktis aus, wo sie am 19. Januar 1939 eintraf. Bereits am 15. Februar brach das Schiff wieder auf und war am 12. April 1939 zurück – das Schiff befand sich daher nur knapp einen Monat vor der Küste des Königin-Maud-Landes – eine Zeit, die für die Errichtung einer permanenten Basis in der häufig proklamierten Entfernung von mehr als 250km von Küstennähe unmöglich ausgereicht hätte, zumal ja innerhalb dieser Zeit auch die Kartographierung des Gebietes erfolgte, die wiederum das permanente Kreuzen vor der Küste erforderlich machte, da die Flugboote abgeschossen und wieder eingesammelt werden mussten.
Zur großen Verärgerung Görings meldete Norwegen am 14. Januar 1939 übrigens doch noch – in Unkenntnis der noch laufenden deutschen Expedition – seinen Besitzanspruch auf das Königin-Maud-Land und damit auch das von der Schwabenland-Besatzung kartographierte Gebiet an. Da die zweite Expedition, die daraufhin ein anderes Areal weiter südlich anfahren sollte, niemals stattfand und die kartographischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse der ersten Expedition aufgrund des Krieges nicht international publiziert werden konnten, war das Vorhaben insgesamt eigentlich ein totaler Fehlschlag. Damit ausgerechnet aus diesem Fiasko am Ende der Kern einer der hartnäckigsten Verschwörungstheorien unserer Tage wurde, bedurfte es mindestens zweier weiterer Ereignisse – der britischen Operation „Tabarin” sowie der Kapitulation der beiden U-Boote U 530 und U 977.
Operation „Tabarin”
Die zweite Komponente im Mosaik ist die britische Militäroperation “Tabarin“, die zwischen 1943 und 1945 auf einer Reihe kleiner Inseln in 3.600 km Entfernung vom Südpol stattfand, die von der britischen Regierung als die sogenannten Falkland Dependencies beansprucht wurden, und die heute als Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln zu den britischen Überseegebieten gehören. Da sowohl Chile als auch Argentinien – immerhin zwei offen mit Hitler-Deutschland sympathisierende Staaten – in den 40er Jahren ebenfalls Anspruch auf besagte Inseln erhoben, sah Churchill sich genötigt, die britischen Ansprüche im Rahmen von Operation “Tabarin” durch Errichtung einer Reihe kleinerer Basen zu unterstreichen.
Die im Rahmen dieser Operation errichteten “Basen” waren jedoch nur minimal bemannt – so waren im Jahr 1944 beispielsweise nur 5 Mann auf Deception Island und 9 in Port Lockroy stationiert, von denen übrigens keiner der SAS angehörte. Größere Truppen zur Aushebung irgendwelcher Nazi-Basen hielten sich zu keinem Zeitpunkt in der Gegend auf, das wenige Personal verrichtete hauptsächlich wissenschaftliche Arbeit, weshalb „Tabarin” noch im Jahr 1945 in die zivile „Falkland Islands Dependencies Survey” (FIDS) überführt wurde. Lediglich drei ehemalige SAS-Offiziere – Lt. Colonel B. Mayne, Major J. Tonkin und Major M. Sadler – die nach der Auflösung ihrer Einheit – des 1st SAS Regiment – nach neuen Aufgaben suchten, schlossen sich FIDS an, was es späteren Autoren (unter großzügiger Umgehung sämtlicher Recherchen) gestattete, die Eliteeinheit SAS mit „Tabarin” zu verknüpfen.
U 530 und U 977
Zur “Initialzündung” sämtlicher Verschwörungsgeschichten um Neuschwabenland kam es schließlich, als die Besatzung des deutschen U-Boots U 530 am 10. Juli 1945 – mehr als zwei Monate nach Kriegsende – ihr Schiff im argentinischen Seebad Mar del Plata den Behörden übergab. Die “verlängerte” Mission des Bootes – die sich einfach aus der Tatsache ergab, dass die Besatzung hoffte, im Nazi-freundlichen Argentinien nicht in Gefangenschaft zu geraten – beflügelte wilde Spekulationen, Elemente der Nazi-Führung hätte sich mit zusammengestohlenen Reichtümern nach Südamerika in Sicherheit gebracht.
Hierbei darf man nicht vergessen, dass die Vorstellung, Hitler habe sich rechtzeitig aus Berlin absetzen können und der Selbstmord im Bunker sei eine von seinen Anhängern lancierte Vertuschung gewesen, im Jahr 1945 weit verbreitet war – so suchte beispielsweise der sowjetische NKWD nach Kriegsende noch jahrelang nach Hitler, bevor Stalin endlich von seinem Tod überzeugt war.
Ein argentinischer Journalist ungarischer Abstammung namens Ladislas Szabo bewies bei der Ausschmückung derartiger Geschichten ein besonderes Talent und setzte am 16. Juli in der “La Critica” erstmals die Vorstellung einer Flucht Hitlers in die Antarktis in die Welt. Die Geschichte erwies sich als so erfolgreich, dass sie von zahlreichen Zeitungen übernommen wurde, von denen die meisten sie allerdings später widerriefen. Als am 17. August 1945 ein weiteres deutsches U-Boot – U 977 – in Mar del Plata auftauchte, war Szabo endgültig von der Richtigkeit seiner Thesen überzeugt und machte sich daran, ein Buch zu verfassen, welches den Grundstein aller späteren Verschwörungstheorien um Neuschwabenland bilden sollte: “Hitler está vivo” (Hitler ist am Leben) erschien 1947 im argentinischen Tabano-Verlag und wurde über Nacht zu einem Bestseller der Verschwörungsliteratur.
Ein Bestseller – allen logischen Problemen zum Trotz, die sich ergeben, wenn man – wie Summerhayes und Beeching – einmal überdenkt, was es eigentlich bedeuten würde, Menschen von einem an der Küste liegenden U-Boot aus mitten im Winter zu einem Stützpunkt zu transportieren, der sich angeblich 250km im Landesinneren befindet.
Supposing that U-977 had reached the cost, what circumstances would have met the crew? The average winter temperature at the NBSA Expedition’s Maudheim base was around -26°C […]. The average wind speed was […] about 28km/hour. The wind chill induced by that wind speed combined with an average temperature of -26°C would have lowered the effective temperature to -40°C. […] Anyone landing from a submarine would have faced the most extraordinary difficulties in trekking 250km across ice penetrated by hidden crevasses, in the dark and without navigational aides to a lair in the mountain where temperatures would have been lower […] and the weather worse.
Weder Szabo noch die ihm nacheifernden Autoren haben sich übrigens je die Mühe gemacht, einmal kritisch zu prüfen, ob es denn für U 530 und U 977 zeitlich und technisch überhaupt möglich gewesen wäre, die Küste der Antarktis zu erreichen. Die diesbezügliche Analyse von Summerhayes und Beeching ist eindeutig: Ausgehend von der maximalen Tauchtiefe lässt sich leicht nachweisen, dass keines der beiden Boote in der Lage gewesen wäre, das Packeis des südatlantischen Winters zu überwinden und überhaupt bis zur Küste vorzudringen. Berücksichtigt man zudem noch die Geschwindigkeit der Boote, die Größe ihrer Treibstofftanks und die Daten ihres Auslaufens sowie ihrer Aufgabe in Mar del Plata wird klar, dass die Reise auch zeitlich nicht durchführbar gewesen wäre. Die Gerüchte um die vermeintliche Flucht Hitlers verkauften sich dennoch gut – und erhielten bald neue Nahrung.
Operation Highjump
Kurz bevor Szabos Buch über Hitlers angebliche Flucht in die Antarktis erschien, führten die USA unter dem Codewort “Highjump” die bis dato größte Expedition in die Antarktis durch. Insgesamt wurden 33 Schiffe mit über 4700 Mann Besatzung entsandt, darunter das U-Boot USS Sennet und der Flugzeugträger USS Phillipine Sea. Das Kommando über die Flotte führte Konteradmiral Richard Cruzen, der eigentliche Leiter des Projekts war jedoch der sich bereits im Ruhestand befindliche Admiral Richard E. Byrd. Obwohl mit “Highjump” auch einige wissenschaftliche Ziele verfolgt wurden, handelte es sich primär um eine militärische Operation. Die US-amerikanische Militärführung hatte nämlich erkannt, dass im Falle eines Konflikts mit der Sowjetunion die Arktis (nicht unbedingt die Antarktis) ein wahrscheinlicher Kriegsschauplatz werden würde.
Da die sowjetischen Truppen – dies lag zumindest nahe – besser auf Einsätze unter arktischen Bedingungen vorbereitet waren als die US-Militärs, wurden entsprechende Traininigseinsätze zunehmend wichtiger. Nach den Operationen “Frostbite” (1945/46) und “Nanook” (1946) – die jedoch für die Anhänger von Verschwörungstheorien von eher geringem Interesse sind, da sie nicht in antarktischem Gebiet, sondern in der Davisstraße stattfanden – folgte mit “Highjump” die bis dahin größte Trainingsaktion, an die sich 1948 noch “Windmill” anschloss. Der Kardinalfehler besteht also schon darin, „Highjump” als ein isoliertes Ereignis zu betrachten – vielmehr war die Expedition Bestandteil einer weitaus umfangreicheren Militärübung des frühen Kalten Krieges.
Im Gegensatz zu „Tabarin” war „Highjump” übrigens zu keinem Zeitpunkt eine geheime Operation, auch wenn die militärischen Erkenntnisse zur damaligen Zeit verständlicherweise nicht veröffentlicht wurden. Tatsächlich befanden sich sogar 11 „embedded journalists” an Bord der Flotte, die ausführlich über die Expedition berichteten. Walter Sullivan, der für die Wissenschaftsredaktion der New York Times schrieb, verfasste sogar ein Buch („Quest for a Continent”) über die Reise, welches 1957 im New Yorker Verlag McGraw-Hill erschien.
Between 2 December 1946, and 22 March 1947, the 11 journalists transmitted 2011 messages totalling 478,338 words to Radio Washington, for onward transmission to their employees. Given the tremendous degree of press coverage, it was misleading for Choron [Anm: Erich Choron ist der Autor dieses Artikels über ‘Operation Highjump and the UFO connection’] to state: ‘little other information was released to the media about the mission, although most journalists were suspicious of its true purpose given the huge amount of military hardware involved.
All dies beeindruckte die Verschwörungsenthusiasten wenig, die in „Highjump” vor allem aus zwei Gründen einen geheimen – und gescheiterten – Angriff auf eine vermeintliche Basis im von der Schwabenland-Expedition kartographierten Gebiet sahen: dem vorzeitigen Ende der Mission und dem Verlust an Menschenleben, die beide dem Widerstand übrig gebliebener Nazi-Truppen zugerechnet werden. Wie man vermuten kann, ist die eigentliche Erklärung sehr viel banaler und weitaus weniger dramatisch.
Da einer der beiden Eisbrecher – die USS Burton Island – beim Aufbruch der Flotte noch überholt wurde, konnte er sich der Expedition erst später anschließen, weshalb zunächst lediglich ein Eisbrecher – die USS Northwind – verfügbar war. Hierdurch kam die Flotte wesentlich langsamer als geplant voran, so dass das Ross-Schelfeis erst am 15. Januar erreicht werden konnte. Hinzu kam ein äußerst strenger Winter – und da die Mehrzahl der Schiffe nicht über einen verstärkten Rumpf verfügte, musste die Rückfahrt bereits am 23. Februar angetreten werden, um weitere Schäden durch Eiseinschluss zu vermeiden.
Während sich also die US-Expedition tatsächlich kürzer in dem Gebiet aufhielt, als dies ursprünglich angedacht war, ist das zweite oft zitierte Element – die angeblichen „großen Verluste an Mensch und Material” eine reine Erfindung. Tatsächlich ging im Rahmen von „Highjump” nur ein einziges Flugzeug vom Typ Mariner während eines Schneesturms an den Koordinaten 71° 22′ Süd und 99° 20′ West verloren, was – wie man mit Google Earth leicht überprüfen kann – nicht mal in der Nähe des Königin-Maud-Landes liegt. Während sechs Mitglieder der Crew überlebten und gerettet werden konnten, mussten drei tote Soldaten im Eis zurückgelassen werden, wie der eingebundene ABC-Bericht erläutert.
As early as the 1950s, rumours began to circulate among certain German nationalist circles that the post-war flying saucers were in fact German super-weapons that had been under development and tested during the Thrid Reich. […] By the late 1970s, neo-Nazi writers were claiming that the ‘Last Battalion’, a massive Nazi military force […] was in posession of a vast tract of Antarctica. […] Wilhelm Landig and Ernst Zündel, both neo-Nazi publishers and authors, blended the stories, hints and suggestions into a powerful and elaborate myth of Nazi resurgence.
Hinzu kommt noch ein völlig aus dem Kontext gerissenes Zitat von Konteradmiral Byrd, welches in leicht abgeänderter Form auf tausenden Webseiten zu finden ist. In einem Interview mit der chilenischen Zeitschrift El Mercurio gab Byrd angeblich die folgende Warnung heraus:
In case of a new war, the continental United States will be attacked by flying objects which can fly from pole to pole at incredible speeds.
Legt man Occam’s Razor zugrunde, dürfte selbst bei diesem verfälschten Zitat klar sein, dass Byrd hier vermutlich eher auf die sowjetischen Streitkräfte abzielt, die über Alaska in die USA einfallen, als auf fliegende Untertassen aus dem Dritten Reich – ganz abgesehen von der naheliegenden Frage, warum Byrd ein Staatsgeheimnis ausgerechnet in der chilenischen Presse offenbaren sollte. Sieht man sich den Originalartikel an, wird die Sache noch klarer:
Admiral Richard E. Byrd warned today, that the United States should adopt measures of protection against the possibility of an invasion of the country by hostile planes coming from the polar regions. The Admiral explained that he was not trying to scare anyone, but the cruel reality is, that in case of a new war, the United states could be attacked by planes flying over both poles. […] The fantastic speed in which the world is shrinking – recalled the Admiral – is one of the most important lessons learned during his recent Antarctic expedition.
Wie man von „could be attacked by planes flying over both poles” und „the fantastic speed in which the world is shrinking” zu „we will be attacked by flyig objects, which can fly from pole to pole at incredible speeds” kommt, lässt sich im besten Fall noch mit schlechten Spanischkenntnissen begründen – im schlechtesten mit bewusster Verfälschung.
Operation Argus
Während die von Zündel et al. propagierte Neuschwabenland-Geschichte mit dem „Sieg” über Admiral Byrd endet, existiert noch eine zweite Variante, in der die Amerikaner das vermeintliche „Neuberchtesgarden” in der Antarktis 1958 unter dem Deckmantel eines Atomtests zerstören. In der Tat fanden 1958 im Rahmen der Operation „Argus” drei atmosphärische Detonationen statt, durch die ermittelt werden sollte, ob es nach einer atomaren Explosion zu Wechselwirkungen zwischen radioaktiven Isotopen und dem Magnetfeld der Erde kommt bzw. wie diese Wechselwirkungen sich auf diverse militärische Ortungs- und Kommunikationssysteme auswirken könnten. Diese Tests fanden zwar in der südlichen Hemisphäre statt – allerdings immer noch zwischen 2.300 und 3.500km nördlich des Königin-Maud-Landes sowie in einer Höhe von bis zu 750km, was für einen direkten Angriff auf eine dort gelegene Basis ein wenig weit entfernt (und hoch) gewesen wäre.
Eric W. Wolff, Edward D. Suttie, David A. Peel, Antarctic snow record of cadmium, copper, and zinc content during the twentieth century, Atmospheric Environment, Volume 33, Issue 10, 1 May 1999, Pages 1535-1541, ISSN 1352-2310, DOI: 10.1016/S1352-2310(98)00276-3
Darüber hinaus befand sich ausgerechnet im Jahr 1958 eine gemeinsame Expedition norwegischer, belgischer, britischer und japanischer Wissenschaftler im Königin-Maud-Land, denen ein (dreifacher) US-amerikanischer Nuklearschlag sicher nicht entgangen wäre. Zuvor müsste übrigens auch schon dem Team von Wissenschaftlern aus Norwegen, Schweden und Großbritannien der Nazi-Stützpunkt entgangen sein, die sich zwischen 1949 und 1952 im Königin-Maud-Land aufhielten.
Fazit und Epilog
Natürlich kann selbst die äußerst gründliche Sektion der Neuschwabenland-Geschichte durch Summerhayes und Beecher einen überzeugten Verschwörungsanhänger nicht überzeugen, der sämtliche von den Autoren ausgewerteten Logbücher, freigegebenen Militärdokumente und Karten in Bausch und Bogen als Fälschungen verwerfen wird. Hierzu ein Zitat der Autoren, welches ebensogut von Sagan stammen könnte (der von den beiden auch zitiert wird):
The burden of proof should fall on the shoulders of those making the claims. It is not sufficient to propose an idea and then claim that the hypothesis is untestable because the evidence for it has been covered up.
Bleibt noch eine Frage offen: Warum haben sich Summerhayes und Beecher überhaupt der Mühe unterzogen, eine derartig unplausible Verschwörungstheorie in einem 21seitigen Paper abzuwickeln? In einem recht unterhaltsamen Interview mit Nature lässt Colin Summerhayes durchblicken, er sei zum einen als Polarforscher so häufig auf die Geschichte angesprochen wurden, dass er es für an der Zeit hielt, einmal ein paar deutliche Worte zu Papier zu bringen. Zum anderen habe er festgestellt, dass es viel einfacher sei, Leute für die Polarforschung zu begeistern, wenn man mit Neuschwabenland einsteigt…
Ein einziger bis heute nachwirkender positiver Effekt der Schwabenland-Expedition lässt sich übrigens feststellen: Von dem Gezerre zwischen Deutschland und Norwegen um antarktische Hoheitsansprüche aufgeschreckt, gründeten die USA 1939 das US Antartic Service Program (USAP), um eigene Expeditionen in das Gebiet zu organisieren und eventuell ebenfalls Hoheitsansprüche anmelden zu können. Das USAP existiert heute noch immer und betreibt mit der McMurdo Station, der Amundsen-Scott South Pole Station und der Palmer Station drei rund ums Jahr bemannte polare Forschungseinrichtungen.
Ein gutes Ende nahm es übrigens auch mit Kapitän Alfred Ritscher, dem Kommandanten der deutschen Expedition, der trotz seiner politisch exponierten Stellung als Regierungsrat im Oberkommando der Kriegsmarine und der Tatsache, dass er seine Ehefrau ihrer jüdischen Familie wegen schon 1934 abservierte, nach dem Krieg zum Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung gewählt wurde und 1959 das Große Bundesverdienstkreuz in Empfang nehmen durfte.
Summerhayes, C., & Beeching, P. (2007). Hitler’s Antarctic base: the myth and the reality Polar Record, 43 (01) DOI: 10.1017/S003224740600578X
Kommentare (110)