Über einen Monat ist es nun schon her, dass die Bohrinsel “Deepwater Horizon” vor der US-Golfküste explodierte und sank. Seitdem strömen bis zu 100.000 Barrel Öl pro Tag ins Meer, alle Versuche, die ökologische Katastrophe einzudämmen, sind bislang gescheitert. Morgen nun will BP mit “Top Kill” den Durchbruch schaffen. Wie aber funktioniert das noch nie erprobte Verfahren?
Bislang hat sich BP beim Kampf gegen die Katastrophe wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert – von irreführenden Angaben über die Menge des austretenden Öls bis hin zum Einsatz von risikobehafteten Chemikalien wurde so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch zu machen war. Nicht ohne Grund zweifelt inzwischen sogar die US-Regierung an der Kompetenz des Ölkonzerns – und das, obwohl BP sowohl Präsident Obama als auch zahlreiche Abgeordnete beider Parteien mit großzügigen Wahlkampfspenden unterstützt.
Nachdem vor zwei Wochen der Versuch, das Bohrloch mit einer 100 Tonnen schweren Stahlglocke abzudichten endgültig gescheitert ist, soll morgen eine weitere technische Großanstrengung unter dem martialisch klingenden Namen “Top Kill” den Durchbruch im Kampf gegen die Ölpest bringen. Wie aber funktioniert das Verfahren – und welche Risiken sind damit verbunden?
Das Prinzip ist schnell erklärt: Schwerer Bohrschlamm wird in das Bohrloch gepumpt und verstopft dieses, gegebenenfalls ergänzt durch ein Abfallgemisch, das unter anderem
aus Golfbällen und zerhächselten Autoreifen besteht – dem sogenannten “Junk Shot”. Anschließend wird das auf diese Weise provisorisch abgedichtete Bohrloch mit einer Zementschicht bedeckt. Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise im Vergleich zu den bereits gescheiterten Versuchen ist, dass der Ölfluss sozusagen “direkt an der Quelle” unterbunden wird. Das nachfolgende Video verdeutlicht das “Top Kill”-Verfahren.
Natürlich ist der Einsatz eines bislang unerprobten Verfahrens mit Risiken verbunden. Da das Öl mit enormem Druck aus dem Bohrloch austritt, müssen Abfall und Schlamm mit noch höherem Druck ins Bohrloch gepresst werden, um einen Verstopfungseffekt zu erzielen. Wird aber durch den Druck von beiden Seiten der ohnehin bereits beschädigte Blowout Preventer vollends zerstört, könnte am Ende noch mehr Öl als bisher in den Golf von Mexiko fließen.
Laut Doug Suttles, dem Chief Operating Officer bei BP, liegt die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs zwischen 30 und 40%, was angesichts des schwer fassbaren Umfangs, den diese Katastrophe jetzt schon angenommen hat, wenig beruhigend ist.
Es könnte demnach durchaus sein, dass sich die Situation an der US-Ostküste im Fall eines Scheiters von “Top Kill” noch weiter verschlechtert. Für diesen Fall arbeitet BP bereits an einer alternativen Lösung unter dem weitaus weniger martialischen Namen “Lower Marine Riser Package Cap” (LMRP). Dabei würde die demolierte Steigleitung abgetrennt und durch eine neue, mit einem Bohrschiff verbundene Leitung ersetzt werden, welches das an die Oberfläche schießende Öl auffangen könnte.
Das auch dies keine dauerhafte Lösung sein kann, liegt auf der Hand. Unklar ist außerdem, ob BP bei einem erneuten Scheitern überhaupt die Chance auf einen weiteren Versuch erhält – so deutete US-Innenminister Salazar bereits am Wochenende an, dem Konzern das Heft demnächst aus der Hand zu nehmen, sollte nicht bald ein Erfolg eintreten.
In diesem Sinne heißt es morgen wohl: Daumen drücken und auf das Beste hoffen – immerhin befürchten die Experten der American Association of Petroleum Geologists bereits, dass aus dem Bohrloch noch mehrere Jahre lang Öl austreten könnte, sollten alle Eindämmungsversuche scheitern. Was das wiederum für das marine Leben im Golf von Mexico bedeuten könnte, mag man sich gar nicht ausmalen…
Update 31.05.2010: “Top Kill” ist definitiv gescheitert
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