Eine vollkommen überflüssige Frage – richtig? Man sollte es meinen, trotzdem wird – auch und gerade auf den ScienceBlogs – immer wieder darüber diskutiert, dass atheistischen und agnostischen Menschen von religiöser Seite pauschal alle moralischen und ethischen Werte abgesprochen würden. Dazu ein schönes – und hoffentlich auch versöhnliches – Zitat des Theologen Hans Küng.
Eigentlich hatte ich für heute noch einen Artikel über die Ansichten des US-Philosophen und Autoren Henry Adams zu Wissenschaft und Religion auf dem Programm, verschiedene sehr unerfreuliche und teils sehr traurige Umstände haben mich aber dazu bewogen, für heute auf möglicherweise Kontroverses zu verzichten und die Woche statt dessen mit einem Zitat zu beschließen, das mir – und sicher auch vielen anderen religiösen Menschen – aus dem Herzen spricht. Es stammt aus dem Buch “Was ich glaube” des Weltethos-Initiators Hans Küng, dem man im römischen Seminar einst erklären wollte, warum allein der Glaube die Basis für eine ethische und moralische Lebensführung sein kann – ein Vorwurf, dem Atheisten angeblich oft begegnen, und gegen den ich mich in vielen Diskussionen mit Andrea N.D. und anderen KommentatorInnen stets gewehrt habe, da ich ihn nie als repräsentativ für die Vorstellungen religiöser Menschen vom Atheismus empfand.
Küng schreibt dazu:
Es erscheint mir inakzeptabel, dass die Angehörigen anderer Religionen und erst recht Atheisten und Agnostiker gar keinen festen Standpunkt in ihrem Leben, kein Lebensvertrauen zu erreichen vermöchten. Dass der Glaube an den – christlichen – Gott also Voraussetzung wäre für ein jegliches Ja zur Wirklichkeit und für jegliches Ethos.
Es gibt schließlich Menschen, die haben ein Lebensvertrauen, ohne gleich- zeitig einen religiösen Glauben zu besitzen. Lässt sich doch nicht bestreiten, dass sie, der Erde verbunden, das Leben genauso gut oder manchmal sogar besser als bestimmte Gläubige bestehen können. Sie schöpfen ihr Grund- vertrauen aus menschlichen Beziehungen, aus produktiver Arbeit, aus wissenschaftlicher oder politischer Tätigkeit, aus einem humanen Ethos.
Daraus folgere ich: Aus ihrem Grundvertrauen heraus können auch Atheisten und Agnostiker ein echt menschliches, also humanes und in diesem Sinn moralisches Leben führen. Mit anderen Worten: Aus Atheismus folgt nicht notwendig ein Nihilismus. An diesem Punkt muss ich Dostojewski wider- sprechen: Auch wenn Gott nicht existierte, ist keineswegs alles erlaubt!
So spricht ein wirklich guter Theologe, einer, dem irgendein amerikanischer TV-Prediger oder auch gewisse Bischöfe nie das Wasser reichen könnten. Wenn also irgendwer mal wieder mit dem Argument kommt, als Atheist könne man kein moralischer Mensch sein oder sei zwangsläufig dem Nihilismus verfallen, verweist ihn am besten einfach an Küng und die vielen anderen modernen Theologen, die seine Auffassung zweifellos teilen. Mir ist durch die Diskussionen jedenfalls klargeworden, dass – auch wenn dies meinem Eindruck nach nicht der Fall ist – bei vielen Atheisten der Eindruck entstanden ist, man spreche ihnen in der Tat sämtliche Werte ab. Und das wäre wirklich ein schwerer Vorwurf, den man nicht unwidersprochen lassen sollte – und ein Eindruck, der gar nicht erst entstehen darf.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein konfliktfreies Wochenende.
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