Das Thema Lichtverschmutzung ist ja seit einiger Zeit ein Dauerbrenner im “Frischen Wind”. Von Norbert Heinze, den ich Anfang des Monats beim Effizienz-Forum der IHK Potsdam kennengelernt habe, erhielt ich nun einige spektakuläre Aufnahmen aus Singapur.

Hier sind keine Sterne mehr zu sehen – der Himmel ist nachts nicht mal dunkel…

i-07812e0c056a2324d6045754c1b1eb8b-Lichtsmog-in-Singapur-thumb-512x351.jpg
i-78f091cbeff374753b22960ed0aaf15d-Lichtsmog-in-Singapur02-thumb-512x682.jpg

Wahnsinn. Neben der exzessiven Beleuchtung erkennt man besonders gut das Phänomen, das als “Urban Sky Glow” bezeichnet wird – die Aufhellung des natürlichen Nachthimmels durch die künstliche Beleuchtung urbaner Zentren. Der Grad dieser Aufhellung lässt sich übrigens mittels der nach Merle Walker benannten “Walkers Law” abschätzen:

I = 0,01 Pd^(-2,5)

wobei:

I = Increase: Prozentualer Anstieg des Sky Glow über die natürliche Grenze
P = Population: Bevölkerung der Stadt bzw. der Kommune
d = Distance: Abstand des Beobachters von der Stadt bzw. der Kommune (in km)

Für eine Stadt wie Wernigerode mit knapp 35.000 Einwohnern bedeutet dies, dass man in einer Entfernung von 20 Kilometern mit einem Sky Glow rechnen muss, der etwa 19% über dem des natürlichen Nachthimmels liegt. Bei den etwa 4,6 Millionen Einwohnern der Stadt Singapur ist in gleicher Entfernung dagegen eine Himmelsaufhellung zu erwarten, die die natürliche Helligkeit des Nachthimmels um das 25fache übersteigt – ausgehend von den fotografierten Lichtorgien vermutlich noch eine sehr gnädige Schätzung.

Die exzessive Lichtverschmutzung in Singapur beschäftigt übrigens nicht nur Astronomen. So berichtet beispielsweise dieser bloggende Student von einem Halsbandliesten (einer Unterart des Eisvogels), der seine eigentlich tagesüblichen Aktivitäten in die Nachtzeit verlagert hat – nur eine von vielen biologischen Folgen übermäßiger Beleuchtung.

i-fa405a653884563cf17b5ca38bb4049d-Lichtsmog-in-Singapur03-thumb-512x384.jpg

Kommentare (6)

  1. #1 Manea-K
    25. November 2010

    Kleiner Hinweis: Da fehlt ein Minus im Exponenten, sonst wird die Aufhellung mit zunehmendem Abstand zur Stadt groesser.

  2. #2 Christian Reinboth
    25. November 2010

    @Manea-K: Vollkommen richtig – das habe ich beim Abtippen glatt übersehen. Vielen Dank für den Hinweis, die Formel habe ich natürlich entsprechend korrigiert!

  3. #3 Gerry
    25. November 2010

    Solange Strom so billig (für Großabnehmer) ist und “Stadtväter” für Verschwendungssucht nicht bestraft werden, wird sich an diesem Blödsinn nichts ändern.

    Hier in der Gegend gibt es eine Gemeinde, die pro Jahr 50.000 € sparen könnte, wenn sie nachts (zw. 24 und 5 Uhr) die Beleuchtung ausschalten würde.

    Aber das kann man ja nicht wegen “subjektivem Sicherheitsempfinden der Bürger” und ähnlichen lächerlichen Begründungen.
    Der Wohnort meiner Freundin schaltet um 11 nachts ALLE öffentlichen Beleuchtungen aus. Morgens um 5 oder 6 geht das Licht wieder an.
    Seltsam nur, dass in der Zeit sich weder Verkehrsunfälle ereignen (allenfalls ausserhalb des Ortes) noch irgendwelche Einbrüche,… stattfinden…

  4. #4 Jan Hattenbach
    25. November 2010

    “Das geht nicht, wegen dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Bürger” heißt übersetzt: Man hat keine Lust, sich mit dem Bürger auseinander zu setzen, also soll er halt zahlen. Hauptsache es ist Ruhe. Man stelle sich nur mal vor, es gäbe eine sachliche Auseinandersetzung über die *objektive* Sicherheitslage – dann würde “der Bürger” am Ende noch etwas dazulernen und sogar Geld sparen (ja, das ist des Bürgers Geld…) und die Gemeinde hätte 50k€/Jahr für sinnvollere Ausgaben. Das kann nun wirklich keiner wollen.

  5. #5 Christian Reinboth
    25. November 2010

    Zum Thema “öffentliches Sicherheitsempfinden” hatte ich hier schon mal gebloggt und dabei unter anderem auf die Nachtabschaltung in der Stadt Rheine verwiesen: Hier konnten pro Jahr nicht nur 72.000 EUR (!) gespart, sondern auch 420t CO2 vermieden werden – und wie eine an der Fachhochschule der Polizei in Rheine durchgeführte Studie ergab, hatte die Nachtabschaltung keine signifikante Auswirkung auf die Einsatzzahlen von Polizei und Notdiensten. Und obwohl man im Stadtrat genau weiß, dass Geld gespart, die Umwelt geschont und die Bürger dabei in keinster Weise gefährdet werden, will man die Nachtabschaltung nun wieder rückgängig machen – “wegen der Sicherheit”.

    Als Steuerzahler ärgert mich sowas, auch wenn ich den Unsinn in Rheine immerhin nicht persönlich mitfinanzieren muss. Politik auf der Basis von “subjektivem Empfinden” in ganz klaren Sachfragen ist aber immer eine dubiose Sache – hier wäre oft mehr Aufklärung und weniger reflexhafter Populismus erforderlich…

  6. #6 Wolfgang Flamme
    26. November 2010

    Naja Christian, Rheine hat (gerade nachgeschlagen) etwa 75 000 Einwohner. Da fand sich auch: “Die Stadt Rheine kann bis zu 65.000,- €/Jahr durch die Lichtabschaltung einsparen.”

    Der spätnächtliche Beleuchtungsspaß kostet also pro Kopf und Monat kaum 8ct. Für ein bischen rein subjektives und sachlich nicht begründbares Sicherheitsempfinden ist das sogar ziemlich preiswert; man könnte sich leicht teurere Maßnahmen vorstellen, die weniger Effekt haben (Senioren-Kampfsportkurse, Angstbewältigungsseminare, Blinde-Kuh-Ersthelfertraining …).

    Daß man keinen objektiven Effekt nachweisen kann heißt zudem nicht, daß ein solcher nicht existiert, nur daß er klein gegenüber anderen Einflüssen (oder dem Zufall) ist. Allerdings sind die Stromkosten eben auch überschaubar, so daß man einfach nicht sagen kann, ob sich die Maßnahme unterm Strich rechnet oder nicht.

    Interessant fand ich aber auch dies hier:
    https://www.azonline.de/aktuelles/muensterland/1342713_Strassenbeleuchtung_wird_modernisiert_Buerger_muessen_zahlen.html
    https://www.westfaelische-nachrichten.de/lokales/kreis_steinfurt/rheine/1251760_Strassenlampen_sollen_gelb_leuchten.html

    Leider sparen ausgeschaltete Straßenleuchten keinen Strom, wenn man sie gegen eine Stromsparversion austauscht. Dennoch muß man das wg. bindender Vorschriften, Sanierungsbedarf und Fördermittel-Mitnahmeeffekten anscheinend ohnehin tun. Und man entwickelt da ja auch einigen Ehrgeiz bzgl eines rheines-klima.de

    Somit macht es schon irgendwie Sinn, die alte Beleuchtung noch mal ordentlich durchbrummen zu lassen – weil man ja dann erst so richtig zu schätzen weiß, was man durch die neue alles spart. Die Investition rechnet sich ja auch schneller, so daß man den zur Kasse gebetenen Anwohnern die Sinnhaftigkeit der Maßnahme leichter vermitteln kann. Und wenn man (Geistesblitz!) irgendwann sogar noch auf die Idee kommt, die neue Beleuchtung in den tiefen Nachtstunden abzuschalten, dann tut man nochmal was für den Klimaschutz. Und den Geldbeutel.