Nein, der „Frische Wind” soll auf keinen Fall ein politisches Blog werden (dafür haben wir ja einen Polit-Experten an Bord), gemäß Florians Richtlinien für ScienceBlogger darf oder soll man ja aber dann und wann über das schreiben, „was einen so bewegt”. Und mich bewegt seit einigen Wochen vor allem das neue Investitionskonzept der Stadtverwaltung meiner Wahlheimat Wernigerode für die Jahre 2011 bis 2014, über das auch in der Lokalpresse schon kritisch berichtet wurde.
Besagtes Investitionskonzept enthält nämlich unter anderem folgende Posten:
Posten | Geplante Investition 2011 – 2014 |
Auffangparkplätze OT Schierke | 14.300.000,00 EUR |
Bauarbeiten Sandbrinkstraße | 4.100.000,00 EUR |
Bauarbeiten Alte Wernigeröder Straße | 1.100.000,00 EUR |
…und weiter hinten findet man dann:
Posten | Geplante Investition 2011 – 2014 |
Wildpark Christianental | 137.000,00 EUR |
Harzmuseum Wernigerode | 0,00 EUR |
Stadtbibliothek Wernigerode | 0,00 EUR |
Harzplanetarium Wernigerode | 0,00 EUR |
Mich beschleicht bei diesen Plänen ein diffuses Unwohlsein. Über 14 Millionen Euro für neue Parkplätze, – bei 1.253 geplanten Stellplätzen übrigens zum stolzen Preis von 11.412 Euro pro Parkplatz – über 6 Millionen Euro für diverse Straßenbauprojekte und dem gegenüber gerade ein paar Tausend Euro für den Wildpark und Null Euro für Museum oder Bibliothek…
Ohne an dieser Stelle zu tief in das breite Themenfeld der Wernigeröder Stadtentwicklung eintauchen zu wollen, darf man bei der Beurteilung dieser Zahlen natürlich keinesfalls außer Acht lassen, welche Vorteile das den umfangreichen Parkplatz- und Straßenbaumaßnahmen zugrundeliegende Ortsentwicklungskonzept für den touristischen Wert des Ortsteils Schieke und der Stadt an sich mittelfristig bedeuten könnte, ebenso wie man sicher nicht übersehen darf, dass die Option der Stadt auf die Beantragung bestimmter Fördermittel aufgrund der EU-Osterweiterung nach 2013 verfällt.
Auf der anderen Seite muss man sich allerdings auch fragen, ob es denn wirklich richtig sein kann, derartige Investitionen auf Basis neuer Schulden und einer möglichen Anhebung der Gewerbesteuer zu tätigen; ebenso wie sich ökologisch interessierten Menschen sicherlich auch die Frage stellt, ob der für den Parkplatzbau erforderliche Eingriff in den Schierker Blaufichtenwald gerechtfertigt ist – und inwiefern ein so umfassender Straßen- und Parkplatzbau überhaupt zum Nationalpark-Image der Stadt und vor allem des Ortsteils passen kann (wobei die beiden letzten Fragen vielleicht doch einmal eine lohnenswerte Thematik für das Blog wären…). Und auch die im gleichen Zeitraum ebenfalls geplanten Investitionen in Schulen und Kitas darf man im Sinne der Ausgewogenheit nicht übersehen…
Alles richtige und wichtige Punkte, die die Wernigeröder in den kommenden Wochen sicher noch beschäftigen und möglicherweise auch noch zu einigen Änderungen und Kompromissen führen werden. Hält man es aber einmal mit dem berühmt-berüchtigten Ausspruch unseres Altbundeskanzlers Helmut Kohl, dann zählt in der Politik vor allem „was hinten rauskommt”. Und “hinten” kommt – auf den Punkt gebracht – raus, dass wir in den kommenden Jahren vermutlich zweistellige Millionensummen in Straßen und Parkplätze und so gut wie nichts in Museen und Bibliotheken investieren – und uns dafür auch noch verschulden werden.
Und eben das bewegt mich – nicht zuletzt deshalb, weil ich als sogenannter Sachkundiger Einwohner im Wirtschafts- und Liegenschaftsausschuss zumindest ganz marginal an der Entscheidungsfindung beteiligt bin. Was für ein Signal setzt die Kommunalpolitik mit solchen Investitionsprioritäten? Kann es richtig sein, wenn zwischen Infrastruktur-Investitionen und Investitionen in Bildung und Kultur eine derartige Lücke klafft? Was könnte ein Verein, eine Ortsbibliothek oder eine Schule mit den 11.412 Euro bewirken, die allein ein einziger der 1.253 geplanten Parkplätze kostet? Wäre da am Ende nicht vielleicht weniger mehr?
Ist uns hier kollektiv der investive Kompass durcheinandergeraten?
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