Heute starte ich – abweichend von der Tradition – mal nicht mit einem Spaziergang sondern einem (harmlosen) Rant ins neue Blogjahr. Dabei geht es mir um den hartnäckigen Mythos, Albert Einstein habe in der Schule in Mathematik versagt – ein Mythos, der kurioserweise auf einem (schul)kulturbedingten, deutsch-schweizerischen Missverständnis beruht.
“Sogar Einstein hatte in Mathe nur eine 4” – wer musste dieses Argument noch nicht über sich ergehen lassen (bei mir war es jedenfalls zwischen den Feiertagen mal wieder soweit)? Einsteins vermeintliche Minderleistung im Fach Mathematik muss – zumindest nach meiner Erfahrung – als Begründung für alles Mögliche herhalten. Dafür, dass die eigenen Kinder trotz schlechter Noten eigentlich doch unerkannte Genies sind; dafür, dass das Schulnotensystem grundsätzlich ungerecht und ungeeignet ist und dafür, dass es vor allem Hochbegabte in der Schule häufig enorm schwer haben. Letzteres trifft natürlich zu – nur dass gerade Albert Einstein dafür eben kein Paradebeispiel ist…
Der Blick in Einsteins Schulzeugnisse überrascht zunächst, finden sich doch dort nicht nur 4ern, sein Maturazeugnis, das er 1896 an der Schweizer Kantonsschule Aarau erwarb, weist in Geometrie und Algebra sogar eine 6, in Physik eine 5 auf. Also doch: Einstein – der totale Schulversager? Ein Blick auf das Schweizer Schulnotensystem schafft Klarheit:
Note | Bedeutung |
6 | sehr gut |
5 | gut |
4 | genügend |
3 | ungenügend |
2 | schlecht |
1 | sehr schlecht |
Daher meine Bitte fürs neue Jahr an alle, die über Bildung, Noten oder Hochbegabung diskutieren wollen: Lasst Einstein außen vor – denn der hat weder in Mathe und Physik versagt, noch ist er je sitzengeblieben oder hat eine Klasse übersprungen (noch zwei besonders hartnäckige Gerüchte). Wenn Einsteins Noten überhaupt ein Beleg für etwas sind, dann dafür, dass Kinder und Jugendliche sich vor allem mit denjenigen schulischen Themen gerne befassen, die auch ihr Interesse wecken – was im Falle Einsteins eben nun mal eher die Naturwissenschaft als die Kunsterziehung gewesen sein dürfte – oder auch dafür, dass ein Genie zu Schulzeiten weder als totaler Überflieger noch als Vollversager auffallen muss…
PS: Wer die Geschichte mit den Noten – im Gegensatz zu anderen Einstein-Biographen – in seinem empfehlenswerten Einstein-Buch übrigens richtig hinbekommt ist Blogkollege Ernst Peter Fischer.
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