Während Ali im Zoon Politikon über die politische Dimension der Unruhen in Ägypten schreibt, von meiner Seite nur ein kurzer Hinweis auf einen Bericht von Dr. Zahi Hawass, dem Chef-Archäologen des Landes, über die Zerstörungen im Nationalmuseum von Kairo.

In seinem Blog schildert der bekannte – aufgrund seines Talents zur Selbstdarstellung aber auch nicht unumstrittene – Ägyptologe die von Plünderern in einem der wichtigsten Museen der Welt angerichteten Zerstörungen:

They went into the Late Period gallery but, when they found no gold, they broke thirteen vitrines and threw the antiquities on the floor. Then the criminals went to the King Tutankhamun galleries. Thank God they opened only one case! The criminals found a statue of the king on a panther, broke it, and threw it on the floor.

[…] My heart is broken and my blood is boiling. I feel that everything I have done in the last nine years has been destroyed in one day, but all the inspectors, young archaeologists, and administrators, are calling me from sites and museums all over Egypt to tell me that they will give their
life to protect our antiquities.

Angesichts solcher Bilder kann ein Museumsfreund eigentlich auch nur noch verzagen:

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Das untere Bild könnte übrigens den traurigen Rest dieser Statue (das Bild ist mit einem Copyright belegt, weshalb ich es nicht eingebunden habe) von König Tutanchamun auf Nilpferdjagd zeigen. Dr. Margaret Maitland – eine an der Oxford University beschäftigte Ägyptologin – hat in ihrem Blog den Versuch unternommen, auf der Grundlage der ersten Medienbilder und -berichte einen Katalog mit den vermutlich zerstörten und beschädigten Ausstellungsstücken aufzubauen. Besonders tragisch: Unter den Plünderern waren offenbar auch einige Wachleute des Museums – ein Umstand, den die ehemalige Direktorin Wafaa el-Saddik im Interview mit der Zeit auch auf deren schlechte Bezahlung zurückführt:

Ein Wachmann verdient etwa 250 ägyptische Pfund, das sind 35 Euro im Monat. Wir haben rund 160 Wachleute plus mehrere Dutzend Polizisten, die im Grunde Wehrpflichtige in Polizeiuniformen sind. Diese Polizisten verdienen noch weniger. Immer wieder waren diese jungen Väter bei mir. Sie haben nichts. Einer hat alles, was er zuhause hatte, verkauft, um Medizin für sein krankes Kind besorgen zu können. Andere hungern sogar daheim.

Weiteres Ungemach droht dem Museum übrigens aufgrund der Tatsache, dass sich das brennende Gebäude der NDP – der Partei des amtierenden Präsidenten Hosni Mubarak – in unmittelbarer Nähe befindet und im Falle eines Einsturzes auch größere Teile des Museums mitreißen könnte. Hoffnung machen dagegen die Berichte, nach denen sich zahlreiche junge Ägypter den Plünderern in den Weg stellen, um die Kulturschätze ihres Landes zu schützen – eine Beobachtung, die auch Hawass bestätigt:

[M]any young Egyptians who were also there, helped to stop more people from entering the museum. […] What is really beautiful is that not all Egyptians were involved in the looting of the museum. A very small number of people tried to break, steal and rob. Sadly, one criminal voice is louder than one hundred voices of peace. The Egyptian people are calling for freedom, not destruction.

Den Blogbeitrag musste Hawass wegen der ägyptischen Netzsperre übrigens einem Kollegen in Italien per Fax zukommen lassen. Wer sich über die Situation in den Museen auf dem Laufenden halten will, findet bei Blogger Hrag Vartanian mehrere Berichte mit nahezu stündlichen Updates.

Kommentare (10)

  1. #1 Olli F.
    31. Januar 2011

    Echt übel! Hier noch ein paar Links mit Informationen soweit sie verfügbar sind

    https://egyptology.blogspot.com/

    https://www.kv64.info/

  2. #2 PeteH
    31. Januar 2011

    Nofretete lassen wir dann lieber erstmal in Berlin…

  3. #3 ali
    31. Januar 2011

    Es gibt gemäss Guardian auch den Verdacht, dass die Museumsplünderung und Sachschäden vom Regime aufgebauscht wurden um Sympathien zu gewinnen (im Ausland und in Ägypten nehme ich an).

    Wie gesagt, ein Verdacht aus zweiter Hand. Trotzdem gut im Gedächtnis zu behalten, dass meist irgendjemand Interesse an (hier durchaus angebrachter) moralischer Entrüstung hat.

  4. #4 Christian Reinboth
    31. Januar 2011

    @ali: Der Verdacht wird auch auf einigen der verlinkten Blogs geteilt und ist vermutlich nicht besonders abwegig (im ZDF hieß es gestern sogar, ein NDP-Funktionär habe angeblich mit den Plünderungen zu tun). Ich wollte trotzdem im Blog keine Gerüchte streuen – nicht dass ich auch noch im nächsten Verschwörungs-Blogpost eines gewissen Mit-Bloggers zitiert werde…

    Mal off the record: Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Plünderungen auf das Konto von Mubarak-Anhängern geht, die die Proteste nicht ungern kriminalisieren würden. Aber wer kann das bei der unklaren Faktenlage schon genau sagen…?

  5. #5 ali
    31. Januar 2011

    Das Herz bricht einem trotzdem.

  6. #6 Anhaltiner
    1. Februar 2011

    @PeteH das war auch mein erster (ähm nach “Ach du Sch…” zweiter) Gedanke als ich die Bilder im Fernsehn gesehen habe.

  7. #7 Christian Reinboth
    2. Februar 2011

    @PeteH & Anhaltiner:

    Der Reflex, dass die empfindliche Büste der Pharaonin in Kairo möglicherweise weniger gut aufgehoben und gesichert wäre als in Berlin, wurde nicht oder nur verklausuliert ausgesprochen.

    https://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~EE768DCE2390645C392B69F5441FE426C~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  8. #8 Jürgen
    3. Februar 2011

    @ PeteH : ja, das finde ich allerdings auch 🙂

    und ich bin auch zu tiefst erschüttert, warum diese Idioten diese kulturellen Reliquien plündern, zerstören oder sonst was mit anstellen

  9. #9 Wolfgang Flamme
    7. Februar 2011

    Auf eine weniger spektakuläre Zerstörung von kulturellen Schätzen weist J. Graham-Cummings hin:

    “In the history of the Greek, Roman and North African civilizations there are few places as important or as evocative as Carthage. In 1979 UNESCO recognized the global importance of the city and its archeological remains and named it a World Heritage Site. In 1985 the Tunisian government made the entire site a protected zone and prohibited building.

    Two years later, the recently deposed dictator Ben Ali came to power in a bloodless coup. In the latter years of Ben Ali’s rule, families close to the president were allowed to ignore the protected zone. They took priceless artifacts to decorate their homes, built villas on the protected land, took possession of historic buildings and built a luxury housing development known as Les Résidences de Carthage.”

    https://blog.jgc.org/2011/02/carthage-needs-saving-again.html

  10. #10 Wolfgang Flamme
    7. Februar 2011

    … sry, Graham-Cumming_ – ohne ‘s’.