Spätestens seit den Landtagswahlen vom vergangenen Wochenende ist klar: Die Zeichen stehen auf Atomausstieg. Damit steht aber gleichzeitig fest, dass neue Überlandleitungen und neue Pumpspeicherkraftwerke gebaut werden müssen – was nicht gerade jeden freut. Ein satirischer Beitrag und ein ernster Kommentar zum sogenannten NIMBY-Problem.
Diesen wirklich schönen Beitrag gab es am Wochenende bei Extra 3 zu sehen:
Ich gebe es gerne zu: Ich habe insbesondere wegen des herrlichen Voice-Overs herzlich gelacht – obwohl das Thema eigentlich ein sehr ernstes ist. Blendet man nämlich mal den Elektrosmog-Klamauk aus, offenbart sich in einigen Kommentaren – insbesondere dem der jungen Frau am Anfang – ein reales Problem, für das sich im englischsprachigen Bereich das schöne Akonym NIMBY eingebürgert hat.
NIMBY steht für “Not in my back yard” und bezeichnet eine Geisteshaltung, die man mit “Natürlich bin ich für…aber doch nicht in meiner Nähe” umschreiben könnte. Natürlich möchte ich den Atomausstieg – aber doch bitte keine Windräder in Sichtweite. Natürlich brauchen wir für die Energiewende ein dichteres Stromnetz – aber doch nicht da, wo ich die Landschaft fotografieren will. Natürlich sind Pumpspeicherkraftwerke eine tolle Sache – aber doch nicht in unserer schönen Gegend. Selbstverständlich bin ich auch für mehr Solaranlagen – aber doch nicht in unserer netten Altstadt. Auf jeden Fall ist der Bau von Windrädern eine gute Sache – nur nicht dort, wo ich spazierengehen möchte.
Eine NIMBY-Haltung findet man selbstredend auch in anderen Bereichen. Auf jeden Fall bin ich für “freie Fahrt für freie Bürger” – aber muss denn der Verkehr ausgerechnet durch unser Viertel fließen? Natürlich ist es total wichtig, dass behinderte Menschen gut betreut werden – aber doch bitte nicht in meiner Nachbarschaft. Klar will ich mit dem Flieger in den Urlaub – aber über meinem Wohngebiet möchte ich den Krach nicht haben. Sicher kaufe ich viele Waren, die mit dem LKW transportiert werden – aber durch meine Straße sollen die bitte trotzdem nicht fahren. Oh heiliger Sankt Florian verschon mein Haus zünd andre an.
Was in vielen Fällen einfach nur scheinheilig oder lästig daherkommt, ist im Falle der von der – zumindest gefühlten – Mehrheit der Bevölkerung geforderten Energiewende als Abkehr von Atom-, Gas- und Kohlewirtschaft und der Hinwendung zu klimafreundlichen Formen der Energieerzeugung ein großes Problem. Denn auch wenn ich ganz persönlich eine ökologisch verträgliche Neuausrichtung der Energiepolitik sehr begrüßen würde, ist mir doch klar, dass eine echte Energiewende nicht ohne Opfer wie etwa höhere Strompreise, den effizienteren Umgang mit Energie oder eben den Ausbau des Stromleitungsnetzes und die Schaffung von Großspeichermöglichkeiten zu haben ist. Und da wird sich – befürchte ich – noch viel Protest beim Wutbürger regen, der zukünftig gegen Mühlen, Masten und Panels in seinem Umfeld ebenso agitieren dürfte, wie er heute auch den Ausstieg aus der Atomkraft fordert.
Es sei denn, die Menschheit würde mich mal überraschen und ein Großteil derjenigen, die sich heute – richtigerweise – für eine Energiewende einsetzen würde morgen auch dazu bereit sein, mit den Konsequenzen dieses Paradigmenwechsels zu leben…
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