Bei der Diskussion umweltpolitischer Themen wird häufig der Begriff der Biodiversität in den Raum geworfen. Was genau aber ist Biodiversität – und wie lässt sich die Biodiversität eines Ökosystems quantifizieren?
Beim Blick ins Blog fiel mir am Wochenende auf, dass ich mein Kernthema Umwelt wieder mal in sträflicher Weise vernachlässigt habe, weshalb ich heute zum Ausgleich eine einfache Methode zur Beschreibung der Biodiversität eines Ökosystems vorstellen möchte, mit der ich mich im Rahmen einer Arbeit für mein Fernstudium vor einigen Wochen befassen durfte: Den Diversitätsindex nach Shannon-Weaver, benannt nach den beiden Mathematikern Claude Elwood Shannon und Warren Weaver (alternativ: Shannon-Wiener-Index bzw. Shannon-Index, siehe Ausführungen zur Namensdebatte in der Wikipedia).
Zunächst sollte allerdings noch kurz erläutert werden, was unter dem Terminus der Biodiversität zu verstehen ist, der sich ja mittlerweile zu einem regelrechten Buzzword entwickelt hat, das einem – wie auch der Begriff der Nachhaltigkeit – häufig in Unkenntnis der eigentlichen Bedeutung um die Ohren gehauen wird. Vereinfacht ausgedrückt versteht man unter der Biodiversität die biologische Vielfalt eines Ökosystems, wobei der Begriff auch auf die übergeordnete Ebene angewendet werden kann (d.h. Vielfalt verschiedener Ökosysteme). Innerhalb eines einzelnen Ökosystems sind daher sowohl absolute als auch relative Häufigkeit der pflanzlichen und tierischen Arten ausschlaggebend für die Biodiversität (man spricht in diesem Falle auch von der sog. Artendiversität).
Eine häufig verwendete Kennzahl für diese Biodiversität ist der angesprochene Shannon-Weaver-Index, der vergleichsweise einfach berechnet werden kann:
Dabei gilt:
Hn = Diversitätsindex
pi = relative Häufigkeit der Art i
n = Anzahl der vorhandenen Arten
Rein mathematisch betrachtet keine schwierige Berechnung, muss man doch lediglich die relative Häufigkeit jeder Art mit dem Logarithmus dieser Häufigkeit multiplizieren und die Summe der sich aus diesen Multiplikationen ergebenden Produkte bilden, die dann – mit umgedrehtem Vorzeichen – dem Shannon-Weaver-Index entspricht. Die Tücke liegt dabei natürlich darin, dass einem zunächst die Anzahl sowie die (ungefähre) relative Häufigkeit aller vorhandenen Arten bekannt sein muss, die in den meisten Fällen nur unter erheblichem Aufwand ermittelbar sein dürften. In der Praxis wird der Diversitätsindex daher gelegentlich auf bestimmte Arten – wie etwa alle Kleinsäuger, alle Vögel oder auch alle Hülsenfrüchtler – eines Ökosystems eingegrenzt.
Wenn wir uns dies einmal ganz praxisnah am Beispiel einer ufernahen Wildwuchs-Fläche ansehen, die zu einem öffentlichen Park umgestaltet werden soll, könnte sich – bei einer Beschränkung auf Vögel – bei einer Artenkartierung vielleicht dieses Bild ergeben:
(1) Bei der Kartierung vor der Umgestaltung der Wildfläche zeigt sich, dass Bachstelze (~35% der festgestellten 100 Individuen) und Stieglitz (~25%) dominieren, gefolgt von Goldammer (~18%), Haubenlerche (~12%) und Amsel (~9%). Beobachtet wird zudem ein Mäusebussard (~1%), der die Fläche als ständiges Jagdrevier nutzt.
(2) Demgegenüber ergibt die Kartierung nach der Umgestaltung der Fläche, dass die Haubenlerche fast (~5% der festgestellten 80 Individuen) und die Goldammer vollständig verschwunden ist, statt dessen dominieren die Amsel (~37%) sowie der neu auftretende Feldsperling (~28%). Die Bachstelze ist mit ~30% der Individuen von der Umgestaltung offenbar nur in geringem Umfang betroffen, der Mäusebussard ist dagegen weitergezogen.
Was lässt sich nun über die Veränderung der (Vogel-)Artendiversität auf diesem Gelände sagen? Berechnet man den Diversitätsindex für den Zeitpunkt der vor der Umgestaltung durchgeführten Kartierung, so ergibt sich folgendes Bild:
H6 (für n = 6 Arten) =
(0,35 * ln 0,35) = – 0,37 (Bachstelze)
(0,25 * ln 0,25) = – 0,36 (Stieglitz)
(0,18 * ln 0,18) = – 0,31 (Goldammer)
(0,12 * ln 0,12) = – 0,25 (Haubenlerche)
(0,09 * ln 0,09) = – 0,22 (Amsel)
(0,01 * ln 0,01) = – 0,05 (Mäusebussard)
In Summe und unter Berücksichtigung des Vorzeichenwechsels ergibt sich H6 = 1,56.
Nun führt man die gleiche Berechnung für die Kartierung nach der Umgestaltung durch:
H4 (für n = 4 Arten) =
(0,05 * ln 0,05) = – 0,15 (Haubenlerche)
(0,37 * ln 0,37) = – 0,37 (Amsel)
(0,28 * ln 0,28) = – 0,36 (Feldsperling)
(0,30 * ln 0,30) = – 0,36 (Bachstelze)
In Summe und unter Berücksichtigung des Vorzeichenwechsels ergibt sich H4 = 1,24.
Betrachtet man in diesem stark vereinfachten Beispiel also nur die Artendiversität bei Vögeln, wäre im Ergebnis der Umgestaltung ein deutlicher, jedoch nicht katastrophaler Diversitätsrückgang zu konstatieren. Zwar hätte in diesem Fall eine einfache Zählung der Arten ohne Berücksichtigung der relativen Häufigkeiten zu dem gleichen Schluss geführt, es lassen sich jedoch leicht Konstellationen finden, in denen dies nicht der Fall wäre. Über die Auswirkungen der Umgestaltung auf die Biodiversität an sich ist mit diesem Ergebnis übrigens noch kein Urteil gesprochen – immerhin wäre es ja vorstellbar, dass die Artenvielfalt etwa bei Blütenpflanzen oder Insekten parallel zugenommen hat…
Quelle: Kümmel, Rolf: Verhalten von Ökosystemen, Skript aus dem Studiengang infernum an der FernUni Hagen (Kurseinheit: Ökologie und Umweltchemie), Hagen, 2008.
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