Mit dem Plagiatsfall zu Guttenberg (“der Druck durch die Familie”) scheint ja eine Art Damm gebrochen worden zu sein: Jorgo Chatzimarkakis (“falsche Zitierweisen”), Matthias Pröfrock (“höchst unangenehme Situation”) und Silvana Koch-Mehrin (“die Uni hat nicht genau genug geprüft”). Bei alldem brennt mir vor allem eine Frage unter den Nägeln…
Denn wie realistisch ist es eigentlich, davon auszugehen, dass Akademiker, die während ihres Studiums den korrekten Umgang mit Quellen in wissenschaftlichen Arbeiten gelernt und verstanden sowie diesen auch bis zu ihrer jeweiligen Abschlussarbeit, sei es nun eine Diplom-, Magister- oder Masterarbeit, nach bestem Wissen und Gewissen beherzigt haben, ausgerechnet bei der Anfertigung ihrer Dissertation – sicher einem der Höhepunkte jeder wissenschaftlichen wie nicht-wissenschaftlichen Laufbahn – auf den Gedanken verfallen, man könnte es jetzt ja eigentlich auch mal mit Betrug versuchen?
Sicher, es wird auch solche Fälle geben – insbesondere dort, wo die Disstertation “neben” der eigentlichen beruflichen Karriere verfasst wird und man sich nach etlichen Jahren vielleicht nur noch vor der Alternative sieht, entweder zu plagiieren oder das Projekt “Dissertation” endgültig abzubrechen. Mindestens ebenso nahe liegt meines Erachtens nach allerdings die Annahme, dass der- oder diejenige, die sich ihren Doktorgrad auf unsaubere Art und Weise erschleichen – und dann bei der Aufdeckung auch noch auf kuriose Ausreden, Lügen und Beschuldigungen Dritter verfallen – bereits bei der Erreichung ihres “akademischen Basis-Grades” ebenso vorgegangen sein könnten. Oder etwa nicht?
Meines Wissens nach gibt es jedenfalls keinen Automatismus auf dessen Basis auch die Abschlussarbeiten überführter Plagiatoren zu einer neuen Prüfung gebracht werden – nicht einmal dann, wenn diese an derselben Universität abgelegt wurden, an der auch schon die plagiierte Dissertation eingereicht wurde. Warum dies nicht so ist, hat sich mir bislang noch nicht erschlossen – an meiner Fachhochschule stellt sich das Problem trotz strenger Kontrolle nicht, da wir natürlich keine Promotionen betreuen können. Aber vielleicht kann ja ein Leser weiterhelfen, der mit den entsprechenden Verfahren an einer Universität vertraut ist: Wieso werden in Fällen von offensichtlichem Dissertationsbetrug nicht auch die Abschlussarbeiten der Delinquenten erneut geprüft? Oder gibt es Unis, an denen doch so verfahren wird?*
Übrigens: Anatol Stefanowitsch vom Sprachlog hat eine Petition initiiert, die Frau Koch-Mehrin dazu auffordert, ihren Posten im EU-Forschungsausschuss nicht anzutreten und außerdem weitere Konsequenzen aus der Plagiatsaffäre zu ziehen. Und obwohl die FDP-Abgeordnete nun erklärt hat, in einen anderen Ausschuss wechseln zu wollen, kann – und sollte – man die Petition noch mitzeichnen (die 8.000 sind bald erreicht).
*Dies wäre übrigens noch mit einem positiven Nebeneffekt verbunden, immerhin zieht die Aufdeckung einer plagiierten Dissertation derzeit kaum Konsequenzen nach sich; außer natürlich der, dass man sich furchtbar blamiert und den unberechtigt erworbenen Titel wieder abgeben muss. Gäbe es bei Plagiatsfällen dagegen einen Automatismus, wäre das potentielle Risiko für “Doppelbetrüger” aus spieltheoretischer Sicht vielleicht schon so groß, dass der eine oder andere auf die Einreichung eines Plagiats verzichten würde…
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