In der vergangenen Woche hatte ich ja schon darüber berichtet, wie die Planungen für eine beleuchtete Skianlage (“Wurmberg 2015”) die bis dato hervorragenden astronomischen Beobachtungsbedingungen hier im Oberharz in Frage stellen. Nun hat sich die regionale amateurastronomische Vereinigung zu einer öffentlichen Stellungnahme entschlossen, welche ich allen an der Geschichte interessierten Lesern nicht vorenthalten möchte.
Was mir an dieser Stellungnahme – an deren Erstellung ich auch beteiligt war (das sei im Sinne der Transparenz noch vermerkt) – besonders gut gefällt, ist, dass hier – neben den vielfältigen negativen Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Umwelt – auch einmal ausgesprochen wird, was mich schon in vielen Lichtverschmutzungs-Debatten geärgert hat: Natürlich haben auch Hobby-Astronomen – genau wie alle Fußballer, Sportschützen und Mountainbiker auch – das Recht, sich dafür einzusetzen, dass man es ihnen die Ausübung ihres Hobbys nicht erschwert oder sogar unmöglich macht. Ich finde, dieser Punkt müsste in solchen Debatten viel öfter zur Sprache kommen, weshalb ich dazu voraussichtlich in der kommenden Woche auch noch ein paar Gedanken zu Papier bringen werde.
Stellungnahme des Vereins Sternwarte Sankt Andreasberg e.V. zum Projekt „Wurmberg 2015″
Auf dem zwischen Braunlage und Schierke gelegenen Wurmberg ist die Einrichtung einer großflächigen, künstlich beschneiten Skianlage geplant, auf der unter anderem nächtliche Abfahrten angeboten werden sollen. Zu diesem Zweck ist die Errichtung von mindestens 40 Flutlicht-Masten mit einer Höhe von bis zu 17 Metern vorgesehen. Der in Sankt Andreas- berg, einem Ortsteil der Stadt Braunlage, beheimatete Verein Sternwarte St. Andreasberg e.V. lehnt die derzeitigen Planungen aus den nachfolgend dargestellten Gründen ab.
Die Gegend zwischen Sankt Andreasberg, Braunlage, Sorge und Elend gehört zu den
wenigen Arealen in Deutschland, in denen noch nahezu natürlich dunkle Nachtverhältnisse vorherrschen. Aus diesem Grund sind diese Ortschaften ganz hervorragend für die amateurastronomische sowie auch für die professionelle Himmelsbeobachtung geeignet.
Bei guten Beobachtungsverhältnissen ist es hier sogar möglich, nicht nur die Milchstraße, sondern auch das Zodiakallicht mit bloßem Auge wahrzunehmen. Damit besteht für die Gegend die Chance, von der International Dark Sky Association (IDA), einer international tätigen Organisation zur Förderung der Astronomie, die sich für den Schutz von Orten mit guten Beobachtungsbedingungen weltweit einsetzt, zu einem „Dark Sky Park” – einem sogenannten Sternenpark – zertifiziert zu werden. Im Erfolgsfalle bestünde damit langfristig sogar die Möglichkeit, in das Kulturerbe-Programm der UNESCO aufgenommen zu werden.
Der Verein Sternwarte Sankt Andreasberg e.V. – der sich primär für den Bau einer Sternwarte in Sankt Andreasberg einsetzt – bereitet seit mehreren Jahren ein solches Antragsverfahren vor und betreibt zu diesem Zweck unter anderem zwei automatische Messstationen, mit denen Daten über die Himmelshelligkeit über Sankt Andreasberg gesammelt werden. Die angestrebte Zertifizierung wäre ein enormer Entwicklungsschub für den aufblühenden Astrotourismus in der Region, der durch den Verein mit Veranstaltungen wie etwa dem jährlich ausgerichteten Sankt Andreasberger Teleskop-Treffen (STATT) sowie weiteren astronomischen Veranstaltungen aktiv gefördert wird. Derzeit gibt es in Europa lediglich vier derartige Sternenparks, darunter noch keinen in Deutschland, womit für den Westharz die Chance auf eine herausragende Stellung in der Amateurastronomie bestünde.
Die Mitglieder des Vereins Sternwarte Sankt Andreasberg e.V. betrachten diese Chancen sowie auch die grundsätzlichen Aussichten für die Amateurastronomie und den Astro- tourismus in der Region durch die geplante Errichtung von 40 oder mehr Flutlicht-Masten
als erheblich gefährdet, wobei insbesondere die starke Reflexionswirkung am Schnee zu berücksichtigen ist. Dass eine derartige Anlage voraussichtlich nur während der Winter- monate betrieben würde ist dabei nur von untergeordneter Bedeutung, da aufgrund der
früh einsetzenden Dunkelheit gerade die Wintermonate für die Astronomie von besonderer Bedeutung sind. Insbesondere für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (es finden sich fünf Schullandheime in unmittelbarer Nähe), die ein Herzstück der Vereinstätigkeit darstellt, ist es unverzichtbar, auch am frühen Abend Beobachtungen anbieten zu können.
Die Planungen im Rahmen des Projekts „Wurmberg 2015″ gefährden daher nicht nur die jahrelangen Bemühungen des Vereins um die Vorbereitung eines Sternenpark-Antrags, sie stellen auch die gesamte Jugendarbeit des Vereins, den regionalen Astrotourismus sowie den Standort der geplanten Sternwarte auf der Jordanshöhe in Sankt Andreasberg in Frage, für den seitens des Vereins bereits Grundstücke erworben sowie Gutachten zur Umweltverträglichkeit des Bauvorhabens in Auftrag gegeben wurden.
Der Verein befürwortet aus diesem Grund das derzeit durch BUND und NABU angestrengte Widerspruchsverfahren und verweist bezüglich der über den Themenbereich der Astronomie hinausgehenden Bedenken gegen das Projekt (Rodung von mehr als 100.000 Quadratmetern Wald, mögliche Gefährdung des Wasserschutzgebietes, Abkehr vom sanften Tourismus) auf die diesbezügliche gemeinsame Stellungnahme von BUND und NABU.
Der Vereinsvorstand betont, dass der Verein der touristischen Nutzung des Wurmbergs nicht grundsätzlich kritisch gegenübersteht und selbst durch die Förderung des Astrotourismus zum touristischen Angebot der Region beiträgt. Der enorme Umfang des Vorhabens sowie die zu befürchtenden Auswirkungen machen eine kritische Begleitung dieses Vorhabens jedoch unabdingbar, da es – neben den Auswirkungen auf die Natur – nicht einzusehen ist:
- dass ein privatwirtschaftliches Einzelprojekt die jahrelange Aufbauarbeit des Vereins zunichtemacht,
- dass die einmalige Chance einer Zertifizierung der Harzregion zu einem der weltweit seltenen Sternenparks sowie mögliche Folgezertifizierungen durch die UNESCO verhindert werden,
- dass die für astronomische Beobachtungen hervorragend geeignete Jordanshöhe als Sternwarten-Standort für Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gefährdet wird,
- dass die Zunahme des Astrotourismus – der als eine nachhaltige und sanfte Form des Tourismus besonders förderungswürdig erscheint – durch die Realisierung dieses Projektes ausgebremst wird,
- dass es den zahlreichen Amateurastronomen in der Region zukünftig schwieriger gemacht wird, während eines Großteils der Wintermonate ihrem Hobby nachzugehen,
- dass Kinder und Jugendliche und zunehmend interessierte Touristen, die sonst in lichtverschmutzten Lebensräumen zuhause sind, nicht einmal mehr in Stankt Andreasberg den Sternenhimmel erleben können.
Eine sich aus den unterschiedlichen Zielen, Vorstellungen und Positionen aller beteiligten Parteien ergebende gegenseitige Skepsis ist dabei durchaus verständlich. Der Vereins- vorstand ist dennoch der Auffassung, dass ausschließlich sachliche Gespräche sowie die transparente Bereitstellung von Informationen (etwa zu den Details der Beleuchtungs- planung) dazu beitragen können, einen gemeinsamen, konstruktiven und kompromiss- orientierten Weg zu beschreiten.
Zu diesen Gesprächen ist der Verein jederzeit gerne bereit.
Der Vorstand der Sternwarte Sankt Andreasberg
Utz Schmidtko (1. Vorsitzender) | Reinhard Görke (2. Vorsitzender) | Ralf Gehrmann
Elfriede Fischer | Christian Reinboth | Bettina Strohmeyer | Veronika Koolen-Riechert
Sankt Andreasberg, den 22.01.2012
Quelle: https://www.sternwarte-sankt-andreasberg.de/wurmberg2015.html
Ich bin schon gespannt, wie dieser Anstoß nun von den Umweltverbänden, den Planern, der Stadtverwaltung und der Presse aufgenommen wird (und ob überhaupt), wobei ich das weitere Geschehen in dieser Woche nur aus der Ferne verfolgen kann, da ich in ein paar Stunden mit dem Rest des TECLA-Teams zum 5. Internationalen AAL-Kongress aufbreche, um dort eine neue Veröffentlichung zu präsentieren (und von daher in den nächsten Tagen auch leider nichts posten oder auf Kommentare antworten kann).
Mal sehen, wie sich die Debatte weiter entwickelt…
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