Erst kürzlich hatte ich ja über den Rückzug der BASF vom Gentechnik-Forschungsstandort Gatersleben hier in Sachsen-Anhalt berichtet. Dem Vorbild der grün-roten Koalition aus Baden-Württemberg folgend, haben die Sachsen-Anhaltischen Bündnisgrünen nun einen Gentechnik-Verbotsantrag im Landtag eingebracht, über den heute entschieden wird.
Der heute zur Diskussion stehende Antrag kann hier heruntergeladen werden.
Der Landtag wolle beschließen:
I. Der Landtag spricht sich bis zur abschließenden Klärung der mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen einhergehenden Risiken für einen Verzicht auf diese Art des Landbaus in Sachsen-Anhalt aus.
II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1. bei der Nutzung landeseigener Flächen auf den Anbau und die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen zu verzichten;
2. bei landeseigenen Flächen, die im Rahmen von Pachtverträgen an Dritte vergeben werden, die Freisetzung und den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verbindlich auszuschließen;
3. landeseigene Flächen nur an solche Betriebe und Bewirtschafter zu verpachten, die für den Gesamtbetrieb auf den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen verzichten. Der Verzicht ist seitens des Bewirtschafters im Pachtvertrag zu erklären;
4. die derzeitigen Pächter landeseigener Flächen unverzüglich und in geeigneter Form von dieser Absicht zu informieren;
5. die Gründung von weiteren gentechnikfreien Regionen in Sachsen-Anhalt zu unterstützen, bestehende zu bewerben und die Kommunen zu bestärken, diesen beizutreten;
6. für ein gentechnikfreies Land Sachsen-Anhalt einzutreten und eine Aufnahme unseres Bundeslandes in das „Europäische Netzwerk gentechnikfreier Regionen” anzustreben;
7. zukünftig keine Fördergelder mehr für die Agro-Gentechnikforschung und für die Bewerbung von genetisch veränderten Pflanzen (G V-Pflanzen) auszureichen;
8. ein Qualitätssicherungssystem auf den Weg zu bringen, damit in Sachsen-Anhalt gentechnikfrei hergestellte Produkte vor der Verunreinigung durch
gentechnisch veränderte Pflanzen geschützt werden.III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundes- und EU-Ebene
dafür einzusetzen, dass:1. die Zulassung weiterer gentechnisch veränderter Pflanzen durch die EU-Kommission ausschließlich auf der Basis abgesicherter wissenschaftlicher Bewertungen bei Sicherstellung des maximalen Schutzes der Verbraucherinnen und Verbraucher erfolgt;
2. auf EU-Ebene eine tatsächliche „Nulltoleranzgrenze” hinsichtlich der Verunreinigung von Saatgut, Futter- und Lebens mitteln verbindlich eingeführt und eingehalten wird;
3. in Sachsen-Anhalt keine Sortenprüfungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen vom Bundessortenamt durchgeführt werden;
4. die Erzeugung von einheimischen, eiweißhaltigen, gentechnikfreien Futtermitteln befördert wird, um den Einsatz von gentechnisch veränderten importierten Futtermitteln, wie z.B. Soja, zu minimieren.
Wer diesen Antrag einmal aufmerksam liest, dürfte die perfide Crux schnell erkennen: Die Landesregierung soll sich dafür einsetzen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen zukünftig nur noch zugelassen werden, wenn abgesicherte wissenschaftliche Bewertungen über deren Ungefährlichkeit vorliegen – während gleichzeitig sämtliche Fördermittel für die Agro- Gentechnikforschung gestrichen werden sollen und auch das Bundessortenamt nicht mehr tätig werden darf. Woher die geforderten “abgesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse” kommen sollen, wenn man die Forschung im Land systematisch kaputtmacht, bleibt offen.
Selbstverständlich könnten nun Unternehmen, die gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Markt bringen wollen, entsprechende Studien auch selbst finanzieren – mein Gefühl sagt mir aber, dass auch das am Ende wohl eher nicht auf Akzeptanz stieße (“Auf von der Industrie gekaufte Wissenschaftler hören wir nicht.”). Da liegt die Vermutung schon nahe, dass die in (I) geforderte, “abschließende Klärung der mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen einhergehenden Risiken” im Grunde gar nicht gewollt ist, da das Ergebnis ohnehin bereits feststeht – zumal ja auch Landwirte und Kommunen nicht etwa zum Warten, sondern bereits zum konkludenten Handeln aufgefordert werden.
So kann man es also auch machen. Der Antrag steht heute um 14:20 Uhr zur Beratung an, die Sitzung wird hier per Livestream übertragen. Die Chancen, dass der Vorstoß scheitert sind angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag – zum Glück – recht groß. Über den Ansatz, die Zulassung grüner Gentechnik an das Vorliegen wissenschaftlicher Studien zu knüpfen, gleichzeitig aber die gesamte Forschungsförderung streichen zu wollen, sollte dennoch im Plenum diskutiert werden.
…und damit mir hier kein einseitiges Grünen-Bashing vorgeworfen werden kann: Heute werden im Landtag noch zwei weitere grüne Anträge zur Krise der Solarindustrie im Land sowie zum sogenannten Kooperationsverbot in Bildung und Wissenschaft diskutiert. Meine Stimme gäbe es für beide.
Update: Der Antrag “Gentechnikfreies Sachsen-Anhalt” der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen wurde mit der Mehrheit der Stimmen von CDU und SPD (und bei Enthaltung der Linkspartei) abgelehnt. Den – aus meiner Sicht – wirklich sehenswerten Redebeitrag von Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens habe ich nachfolgend eingebunden, alle weiteren Redebeiträge lassen sich hier über das Online-Portal des Landtags abrufen.
Update II: Unser ScienceBlogs-Chefredakteur Jürgen Schönstein hat am Wochenende eine lesenswerte (auch wenn ich ihr persönlich nicht zustimmen kann) Kontraposition zu diesem Artikel verfasst: Was an der Gentechnik schlecht ist. Worauf wiederum Martin Ballaschk von den Scilogs geantwortet hat: Re: Was an der Gentechnik schlecht ist.
Unterstützt das Thema OpenAccess beim ZukunftsdialogNähere Informationen zu diesen beiden Vorschlägen finden sich hier. |
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