Es kommt selten vor, dass die Lektüre des Kommunalteils der Tageszeitung mich zum Lachen bringt – und gerade weil dies so selten ist, möchte ich euch dieses humoristische Lausbubenstück aus der gestrigen Ausgabe der von mir so hochgeschätzten Goslarschen Zeitung keinesfalls vorenthalten.

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Wirft man einen prüfenden Blick auf die Titelseite des Kommunalteils, so stellt man fest, dass diese – abgesehen von der Ankündigung eines Violinkonzerts rechts unten – aus vier Artikel besteht. Im Leitartikel (“Eine Million Euro für neuen Parkplatz”) wird erläutert, dass die Stadt Braunlage die Summe von einer Million Euro in die Erweiterung eines Parkplatzes für Skifahrer am Wurmberg – über das hier geplante Ski-Infrastrukturprojekt hatte ich ja Anfang des Jahres schon berichtet – investiert. Liest man den Artikel aufmerksam, findet sich darin auch noch die Information, dass das Land Niedersachsen besagtes Skiprojekt mit zwei Millionen Euro an Fördermitteln unterstützen wird. Im blauen Kasten rechts daneben informiert ein zweiter Artikel (“Pläne für Skilift liegen aus”) über eine Investition der stadteigenen Braunlage Tourismus GmbH in einen neuen Skilift im Braunlager Ortsteil Hohegeiß in Höhe von 130.000 Euro. Der dritte Artikel (“Stadt nimmt Straße und Geld”) befasst sich schließlich mit der Übernahme der Kreisstraße zum Skifahrer-Parkplatz durch die Stadt Braunlage, die aufgrund der hohen Kosten für anstehende Renovierungen durch den Landkreis mit 375.000 Euro aus öffentlichen Kassen “versüßt” wird. Macht in Summe also etwas mehr als 3,5 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln, die in und um Braunlage in bessere Straßen, größere Parkplätze und neue Skiattraktionen investiert werden. Alles übrigens Investitionen, die mit Folgekosten für den laufenden Betrieb verbunden sind.

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So weit, so gut – wäre da unten links nicht noch ein vierter Artikel (“Keine Mittel für Bänke und Bushäuschen”). Hier offenbart sich der feinsinnige Humor des zuständigen Redakteurs, der direkt unter all diese Erfolgsmeldungen die Verlautbarung der Stadtverwaltung setzen ließ, dass Braunlage leider über keinerlei Gelder mehr verfügt, um die Instandhaltung von Bushäuschen und Sitzbänken zu bezahlen. Der Fraktionschef der SPD-Fraktion bittet sogar darum, dass Vereine hier ehrenamtlich tätig werden und Bänke und Bushäuschen kostenfrei auf Vordermann bringen, damit der klamme öffentliche Haushalt nicht weiter belastet wird: “So eine Bank ist doch mal schnell gestrichen.”

Gut, die Prioritäten sind hier in Wernigerode – und sicher auch anderswo – nicht immer besser verteilt. Selten genug sind allerdings die Momente, in denen die Regionalpresse – ob nun absichtlich oder unabsichtlich – so deutlich auf entsprechende Schieflagen hinweist. Ich finde ja, dass das im Grunde immer genau so laufen müsste. Der Artikel über die Kürzung der Öffnungszeiten der örtlichen Bibliothek etwa gehört direkt unter den Bericht über die Millioneninvestition in den neuen Kreisverkehr. Auch der Artikel über die Altersteilzeit im Museum gehört direkt unter den Bericht über den neuen Kunstrasen für den kommunalen Fußballplatz. Und der Artikel über fehlende Kita-Plätze und Lehrerstellen gehört natürlich unmittelbar unter den Bericht über die Erhöhung des Straßenbauetats.

Wunschdenken? Bestimmt. Aber schön, dass es wenigstens einmal geklappt hat.

Kommentare (6)

  1. #1 knorke
    15. Juni 2012

    Tja, Busshäuschen und Bänke haben keine Lobby und werden nicht vom Land gefördert. Sonst wäre da was drin gewesen 🙂

    Ich frage mich, wieviele aus der Leserschaft diesen feinsinnigen Humor mitbekommen.

  2. #2 MikeThePike
    15. Juni 2012

    Wer braucht denn auch sowas wie ÖPNV? Kann doch jeder einfach mit dem Auto in die Natur fahren. Oder zum Skifahren bei Nacht. Öl genug ist ja bekanntlich vorhanden…

  3. #3 Dr. Webbaer
    16. Juni 2012

    Sehr subtil, nichts geht über Regionalhumor!

  4. #4 Statistiker
    16. Juni 2012

    Igitt, Wirtschaftsförderung.

    Igitt, Einnahmesteigerung.

    Igitt, Zeitung!!!!!!!!

  5. #5 Stefan W.
    23. Juni 2012

    Bis zum unqualifizierten Angriff auf König Fußball hattest Du mich auf Deiner Seite. 🙂

  6. #6 Michael
    17. Juli 2012

    Also wenn das nicht so traurig wäre, dann könnte man da echt drüber lachen. Ich finde es erschreckend, wie stiefmütterlich hier mit dem ÖPNV umgegangen wird und ziehe meinen Hut vor dem Humor der Redaktion (in der Hoffnung, dass es wirklich Humor war).