Am Wochenende hatte ich die Chance, mir nicht nur einen tollen Vortrag zum Thema “barrierefreie Astronomie” anhören zu dürfen, sondern auch einen Blick auf sogenannte taktile Sternenkarten für Blinde und Sehbehinderte zu werfen. Ich kann nur sagen: Es ist absolut fantastisch, was diesem Bereich alles möglich ist.
Seit meiner Wahl in den Vorstand der Sternwarte Sankt Andreasberg vor zwei Jahren, habe ich meine Vorstandskollegen schon etliche Male über das Thema “barrierefreie Astronomie” dozieren und einfordern hören, dass wir uns am Idealbild der vollständigen Barrierefreiheit ausrichten sollten. Ich habe diesen Gedanken als solchen zwar immer unterstützt, muss aber offen bekennen, dass ich bis dato keine klare Vorstellung davon hatte, wie denn überhaupt “barrierefreie Astronomie” aussehen könnte. Vielleicht Erklärungstexte in einfacher Sprache, wie man sie etwa in vielen Museen findet? Oder eine Rollstuhlrampe zur Teleskopplattform? Ganz klar, die müsste natürlich drin sein. Einen Audio-Guide mit erklärenden Texten für Blinde und Sehbehinderte vielleicht? Und natürlich muss die Webseite barrierefrei sein…
Am vergangenen Wochenende habe ich im Rahmen unseres alljährlichen Sankt Andreasberger Teleskop-Treffens (STATT) nun erstmals einen echten Einblick in die barrierefreie Astronomie erhalten – und bin von diesem Eindruck nach wie vor fasziniert. Niels Luithardt – ein (fast) blinder Student der Mathematik und Physik, der sich unter
anderem im Verein AnderSicht e.V. engangiert – der sich für die Schaffung barrierefreier Zugänge zu naturwissenschaftlichem und technischem Wissen einsetzt – war so freundlich, uns einmal seine taktilen und mit Brailleschrift versehenen Sternenkarten und -modelle vorzuführen. Die Fotos vermitteln zwar nur einen oberflächlichen Eindruck, da man solche Modelle einfach “ertastet” haben muss, um zu begreifen, wie clever und großartig sowas gemacht ist – ich denke aber, dass man die Grundidee dahinter ganz gut erkennen kann.
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mir bislang nur schwer vorstellen konnte, dass man als blinder oder sehbehinderter Mensch einem Hobby wie der Astronomie, dessen Ausübung ja so sehr an die Wahrnehmungen des menschlichen Auges gekoppelt zu sein scheint, so vollumfänglich nachgehen kann. Um so dankbarer bin ich für den kurzen aber faszinierenden Einblick vom Wochenende. Tatsächlich sind die Karten so gut, dass man ihnen auch als “Sehender” noch ganz neue Eindrücke abgewinnen kann – so ist es etwa eine Sache, die Abstände zwischen zwei Sternen innerhalb eines Sternbildes als Zahl irgendwo verzeichnet zu sehen, eine ganz andere Sache aber, die Abstände auf einem taktilen Modell selbst erfühlen zu können und zu erahnen, welche Distanzen sich hinter den vertrauten, oft so planar wirkenden Formen verbergen.
Wer Projekte oder Projektideen im Bereich der barrierefreien Wissensvermittlung sucht, dem kann auf jeden Fall nur geraten werden, sich einmal auf der Webseite von AnderSicht e.V. umzusehen oder gleich mit dem Verein Kontakt aufzunehmen. Neben dem Thema der barrierefreien Astronomie widmet man sich dort unter anderem auch der Erarbeitung von hör- und tastsinnigen Vermittlungskonzepten für Museen und Theater sowie der möglichst vielsinnigen Erfahrbarmachung geographischer Karten.
Das Teleskoptreffen am Wochenende war übrigens nicht nur wegen der spannenden Vorträge, sondern auch wegen der äußerst guten Nachtsicht ein voller Erfolg – derzeit sammeln wir noch die besten Aufnahmen, eventuell kann ich ja in den nächsten Tagen nochmal ein “Best of” der Astro-Schnappschüsse posten…
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