Im Fahrwasser der überaus erfolgreichen Marsmission Curiosity (von der es auf den Scilogs gerade zwei großartige Videos zu sehen gibt) wurde in der Presse wieder mal die Debatte “Ist Raumfahrt nicht Geldverschwendung?” aufgewärmt. Zu diesem Thema bin ich über ein schönes Zitat aus dem Jahr 1997 gestolpert, welches ich euch nicht vorenthalten möchte.
Wie sich die auf den ersten Blick sehr hohen Kosten der Curiosity-Mission darstellen, wenn man sie ins Verhältnis zu anderen Ausgaben setzt, hat Florian ja neulich schon sehr schön aufgezeigt. Der Umstand, dass allein die Mehrkosten, die aufgrund der Fehlplanungen beim neuen Berliner Groflughafen noch auf uns Steuerzahler zukommen werden, bereits für eine halbe Marsmission gereicht hätten, sei an dieser Stelle dennoch ergänzend erwähnt.
Nun kommt im Rahmen dieser Kostendebatte immer wieder das Argument zum Tragen, im Grunde sei man ja mit unbemannten Missionen schon ziemlich gut bedient und könne daher zumindest auf die noch kostspieligere, bemannte Raumfahrt verzichten. Auch hier auf den ScienceBlogs haben wir dieses Thema schon mehrfach diskutiert – und dabei festgestellt, dass viel für den Einsatz autonomer Sonden spricht, um vor allem die Bereiche unseres Sonnensystems zu erkunden, in die Menschen in naher Zukunft nicht gelangen können. Benötigen wir denn aber angesichts so erfolgreicher robotischer Missionen wie Curiosity überhaupt noch die bemannte Raumfahrt?
Erst neulich fiel mir zu eben dieser Frage wieder ein Buch in die Hände, das ich vor etlichen Jahren antiquarisch erstanden und fast schon wieder vergessen hatte: “Der Mars – Chance und Schicksal der Menschheit”, verfasst im Jahr 1997 durch den ja auch hierzulande sehr bekannten deutschstämmigen NASA-Projektleiter Jesco von Puttkamer. Darin findet sich dieses auch nach 15 Jahren noch hochaktuelle Zitat zur nun wieder aufgeflammten Debatte um den Nutzen der bemannten Raumfahrt bzw. der Raumfahrt an sich:
Mancher hierzulande sieht Raumfahrt als bloße Hochtechnologie im Wettstreit mit anderen Hochtechnologien, andere erachten sie as reines Prestigeunternehmen und sogar als fixe Idee von Phantasten und daher als frivole Verschwendung. Dagegen steht die hier vertretene Ansicht, dass der bemannte Raumflug in Wirklichkeit ein kultureller Wachstumsprozeß ist, der als techo-utilitärer Vorreiter von großem Wissens- und Wirtschaftspotential wirkt. Auf längere Sicht liefert er darüber hinaus der ihn unternehmenden Volksgemeinschaft durch seine Abenteuer- und Explorationsethik neue Wachstumsanstöße zu einem Begriffs- und Bewußtseinswandel, dessen humanistische Potentiale allein schon den menschlichen Schritt ins All sinn- voll machen: Dadurch, daß er der Frage nach dem Warum allen Seins und unserer Existenz neue Dimensionen und tiefere Bedeutung verleihen kann.
Geht man davon aus, daß unser ultimatives Ziel die ständige Bewohnung und Nutzung des Sonnensystems sein wird, so bildet die menschliche Anwesenheit auf anderen Planeten definitionsgemäß einen integralen Teil davon. Wie die Mondlandungen gezeigt haben, können Menschen vor Ort viel gezielter nach Erkenntnissen forschen als Automaten, und seien diese noch so aufwändig konzipiert. Bemannte Missionen sind deshalb ein wesentliches zukünftiges Element der Planetenforschung, wo immer der Mensch Zugang hat, wie auf dem Mars. Ein Forschungsprogramm ohne menschliche Präsenz bliebe fehlerhaft und unvollständig: intellektuell, technisch und emotional weniger herausfordernd und damit weniger befriedigend und gewinnbringend. Wir müßten auf Erfahrungen verzichten, die uns bestimmt sind, wie ich meine, und ohne die dem Menschengeschlecht letzten Endes Stagnation und Untergang in einer Sackgasse drohen könnten. Kurz und vorausschickend gesagt: Wir werden Menschen dorthin entsenden, weil wir leben und Menschen sind; mit der Aussendung von Robotern wird man sich niemals zufrieden geben, schlichtweg deshalb, weil wir keine sind.
– Seite 306/309, 1997 in: Jesco von Puttkamer: Jahrtausendprojekt Mars – Chance und Schicksal der Menschheit
In dieser Aussage möchte ich im Grunde jeden Satz unterstreichen: Raumfahrt ist allein deshalb schon weder Zeit- noch Geldverschwendung, da der Aufbruch in den Weltraum für die Menschheit insgesamt langfristig die einzig sinnvolle Überlebensstrategie darstellt. Und da wir uns als Menschen schon emotional nie allein mit der Entsendung von Maschinen – egal wie großartig die Impressionen auch sein mögen, die wir auf diesem Wege noch gewinnen – zufriedengeben können, werden wir über kurz oder lang selbst Fuß auf den Mars setzen (und hoffentlich auch zum Mond zurückkehren). Wer sich mit von Puttkamers Gedanken zur Bedeutung der bemannten Raumfahrt sowie zu möglichen Marsmissionen näher befassen will, findet im Account der NASA bei youTube auch noch diesen empfehlenswerten Vortrag:
Die Lektüre von “Mars – Chance und Schicksal der Menschheit” lohnt sich übrigens nicht nur wegen seiner philosophischen Überlegungen zum Sinn und Zweck der Raumfahrt, sondern auch wegen seiner lebendigen Darstellung der Geschichte der Marsforschung (man denke nur an die Kontroverse um die vermuteten Marskanäle) sowie der Rolle des Mars in der irdischen Fiktion – von H.G. Wells “Krieg der Welten” über die Mars-Romane von Edgar Rice Burroghs bis hin zu den Mars-Chroniken von Ray Bradbury…
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