Die Nutzung der LED als Leuchtmittel könnte in einigen Jahren als Exempel dafür in die Technikfolgenforschung eingehen, wie eine aus ökologischer Sicht im Grunde vorteilhafte Technologie zu einer belegbaren Senkung der Umweltqualität beigetragen hat.
Seit Jahren vertrete ich hier in diesem Blog ja schon den Standpunkt, dass die verstärkte Nutzung von LEDs in der nächtlichen Außenbeleuchtung eigentlich eine Art Königsweg zur Eindämmung der Lichtverschmutzung und damit verbundener ökologischer Probleme darstellt: LEDs verbrauchen deutlich weniger Strom (bis zu 40/50% im Vergleich zu Natriumdampflampen sowie bis zu 60/70% im Vergleich zu den veralteten Quecksilberdampflampen), sie wirken signifikant weniger anziehend auf nachtaktive Insekten und sie ermöglichen es durch ihre bessere Fokussierbarkeit, Licht viel gezielter einzusetzen und wirklich nur die Areale zu beleuchten, die auch beleuchtet werden müssen. Zudem lassen sich LED-Lampen leicht mit intelligenten Schaltungen kombinieren und sind stufenlos regelbar, was sie für allerlei technische Spielereien (Kopplung an Lichtverhältnisse, Verkehrsfluss, SMS-Aktivierung etc.) prädestiniert.
Kurz gesagt: Mit intelligenter und effizienter LED-Beleuchtung ließe sich viel Positives erreichen – nicht nur im Hinblick auf die CO2-Bilanz und die leeren Haushaltskassen unserer Städte und Kommunen, sondern auch in Sachen Insektenschutz und verbesserter Sichtbarkeit auf unseren Nachthimmel. Astro-Blogger wie etwa Jan Hattenbach von den Kosmologs haben den Trend zur LED-Beleuchtung trotz dieser vielen Vorteile schon seit Jahren mit einem gewissen Argwohn verfolgt, da gerade die hohe energetische Effizienz natürlich auch dazu führt, dass etwa die Fassaden von Supermärkten, Kinos und sogar Lagerhallen plötzlich zu einem Bruchteil der Energiekosten die ganze Nacht über ausgeleuchtet werden können, die man noch vor zehn Jahren für eine einzige Leuchtreklametafel hätte aufwenden müssen.
Irgendwie habe ich trotz dieses Risikos immer gehofft, dass die Vorteile am Ende überwiegen würden: Auf einen Supermarkt, der eine Lichtorgie veranstaltet, kommen zehn Kommunen, die ihre Beleuchtung energieeffizient und verantwortungsvoll umrüsten, so dass die ökologische Bilanz am Ende immer noch positiv ausfällt. Inzwischen bin ich mir da leider nicht mehr so sicher.
Den ersten Schritt in die falsche Richtung haben bereits vor einigen Jahren diverse sogenannte „Lichtkünstler“ unternommen, die dank des niedrigen Energiebedarfs von LEDs plötzlich in der Lage waren, immer größere Lichtinstallationen zu realisieren (und die dann und wann auch ganz gerne mal Astronomen mit dem Anwalt drohen, wenn die sich öffentlich gegen solche Lichtorgien aussprechen). Gerade diese Woche protestieren etwa die International Dark Sky Association (IDA), die Vogelschutzgesellschaft von Philadelphia und die US-Astronomin Audrey Fisher gegen eine in Philadelphia geplante Lichtkunst-Installation des Lichtkünstlers Rafael Lozano-Hemmer, bei der mit 24 „Flakscheinwerfern“ über einen Monat lang Nacht für Nacht „Botschaften“ an den Himmel über Philadelphia geschrieben werden sollen. Wie das in etwa aussehen wird, zeigt dieser TV-Bericht über eine ähnliche Lichtinstallation des gleichen Künstlers in Vancouver.
Gut, mag man sich denken, in Philadelphia sieht man ja vermutlich auch jetzt schon nur wenig vom Nachthimmel, außerdem sind solche Kunstaktionen ja zeitlich begrenzt, so dass der Protest dagegen natürlich eher prinzipienorientiert ist. Mag sein. Unglücklicherweise zeichnet sich am Horizont jedoch bereits der nächste Trend ab, der aus einem temporären einen dauerhaften Irrsinn zu werden lassen droht: Kommunizierende Fassaden und twitternde Gebäude.
Ja, genau – twitternde Gebäude. Schon der Begriff lässt erahnen, was hier passiert: Die Außenfassade eines Gebäudes wird mit hunderttausenden von witterungsgeschützten LEDs verkleidet, über die Botschaften in die Umwelt gestrahlt werden können – etwa Tweets des Unternehmens, das in dem betreffenden Gebäude seinen Hauptsitz hat oder auch – wie in diesem bereits existierenden Gebäude in Japan – Tweets der Menschen, die in dem jeweiligen Gebäude leben oder arbeiten. Und im Gegensatz zu temporärer „Lichtkunst“ ist derartige „Lichtarchitektur“ bzw. „Urban Branding“ natürlich nicht zeitlich begrenzt, sondern von Dauer. In diesem kürzlich gehaltenen Vortrag in der Harvard Graduate School of Design erläutert der deutsche Architekt Thomas Schielke, wie solche “Media-Fassaden” funktionieren:
Hier wird deutlich, dass die 2009 durch den Bundestagsabgeordneten Peter Hettlich (Grüne) aufgestellte Forderung nach einer TA – einer Technischen Anleitung – Licht, die analog zur TA Luft sowie zur TA Lärm Vorgaben und gesetzliche Grenzwerte für den Umgang mit Beleuchtung im öffentlichen Raum enthält, dringend erforderlich wäre. Ich habe in den letzten Jahren ja schon viel beleuchtungstechnischen Unsinn erlebt – von Bodenleuchten auf dem Marktplatz über den Wernigeröder Skybeamer bis hin zu beleuchteten Pisten fürs Nacht-Skifahren, raumgreifender Lichtkunst und brutal ausgeleuchteten Dorfkirchen. Aber mit zigtausenden LEDs bestückte 50, 60, 70 Meter hohe Gebäudefassaden, über die die ganze Nacht Tweets verbreitet werden, und für die man sich ob des energiesparenden Leuchtmittels am Ende vermutlich noch das Label “energieeffizient” ans Revers heften wird – that’s it. Hier braucht es eine gesetzliche Regelung, wenn nicht jedem lichttechnischen Irrsinn Tür und Tor geöffnet werden soll. Um Patrick Stewart (“First Contact”) zu zitieren: The line must be drawn here.
Leider sind mit Peter Hettlich und dem CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Michael Brinkmeier die beiden einzigen in Sachen Lichtverschmutzung erkennbar aktiven und ausreichend profilierten Volksvertreter mittlerweile aus der großen Politik ausgeschieden – und noch hat niemand ihren Staffelstab übernommen…
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