Unter großem medialen Echo startete zu Beginn diesen Jahres der Zukunftsdialog unserer Bundeskanzlerin, in dessen Rahmen sowohl hochkarätig besetzte Expertengruppen als auch alle interessierten Bürgerinnen und Bürger (über eine Online-Plattform) Ideen und Anregungen zur weiteren Entwicklung unserer Gesellschaft einbringen und diskutieren sollten. Obwohl der Dialog von allerlei Misstönen begleitet wurde – man denke etwa an die dort eingebrachten Vorschläge zum Thema “Islamkritik” – kamen doch eine ganze Reihe guter Ideen zusammen.
Ich hatte mich damals mit zwei Vorschlägen zu den Themen Open Access in der Wissenschaft – freier Zugang zu steuerfinanzierter Forschung – sowie zu prekären Arbeitsverhältnissen in der Forschung eingebracht, die es beide am Ende immerhin auch unter die Top 15 der Anregungen aus dem Bereich “Wie wollen wir lernen?” geschafft haben. Insbesondere die Forderung nach einer stärkeren Verankerung von Open Access etwa in den Förderkriterien für staatlich finanzierte Forschung stieß auch außerhalb der ScienceBlogs-Community auf viel positive Resonanz, so dass letztlich 4.640 Stimmen und eine Platzierung auf Rang 8 zusammenkamen.
Nachdem bereits vor einigen Monaten das zusammenfassende (und äußerst lesenswerte – dazu später mehr) Buch des Journalisten Christoph Schlegel zum Zukunftsdialog erschienen ist, wurde letzte Woche nun auch die Langfassung (579 Seiten) der letztendlich ausgewählten Vorschläge aus Experten- und Bürgerdialog ins Netz gestellt. Zu meiner großen Freunde hat es das Thema Open Access nicht nur in diesen Bericht geschafft, vielmehr entwarf die Expertengruppe “Lernende Gesellschaft” unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan Breidenbach ein überaus deutliches Statement pro Open Access unter dem Vorschlagstitel “Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Studien und Gutachten” (Seite 518/519):
Im Rahmen der Öffnung von Verwaltungsdaten wird eine Verpflichtung eingeführt, sämtliche aus Bundesmitteln finanzierte Studien und Gutachten im Interesse der Allgemeinheit zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur Weiterverwendung über das Internet zugänglich zu machen. Diese Veröffentlichungspflicht gilt auch rückwirkend, soweit rechtlich möglich, für bisher erstellte Studien. Ausnahmen von dieser Regel in schutzbedürftigen und sicherheitsrelevanten Bereichen müssen künftig explizit bei der Beauftragung bzw. Beantragung von Fördermitteln begründet werden. Dies wird ein wesentlicher Beitrag des Bundes für eine nationale Datenallmende.
Auch die zugehörige Vorschlagsbegründung kann ich nur Wort für Wort unterstreichen:
Die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Studien und Gutachten liefern vielfältige Expertise und Impulse, die auch über die ursprüngliche Aufgabe und Zielstellung hinausgehend genutzt werden können. Werden Studienergebnisse transparent gemacht, können Leser, Interessierte und Wissenschaftler auf sie zugreifen und sie für weitere Verwertungen nutzen. Eine Veröffentlichung fördert Rückkopplungseffekte, die Umlaufgeschwindigkeit gesellschaftlichen Wissens und auch die Transparenz von darauf beruhenden Entscheidungsprozessen. Im Sinne von Open Knowledge und Open Access ist es für die Bundesverwaltung konsequent, sämtliche in Auftrag gegebene Studien frei, unbeschränkt und kostenlos im Internet zugänglich zu machen, solange diese keine schutzbedürftigen Inhalte umfassen.
Auch wenn die Ergebnisse des Zukunftsdialoges nicht bindend sind, ist eine so eindeutig positive Beurteilung des Open Access-Konzepts für die Zukunft der Wissensgesellschaft in Deutschland in meinen Augen als wichtiger Schritt in die richtige Richtung zu werten. Ein wirklich schöner Achtungserfolg auch für all diejenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich – wie etwa Scilogs-Blogger Lars Fischer dies mit seiner Bundestags-Petition getan hat – bereits seit Jahren für die stärkere Verankerung des Open Access-Grundgedankens in der deutschen Wissenschaftslandschaft einsetzen. Ich bin positiv optimistisch, dass auf dieser Grundlage nun endlich in absehbarer Zeit auch erste legislative Initiativen zu erwarten sind.
Das oben erwähnte Buch zum Zukunftsdialog von Christoph Schlegel habe ich übrigens schon vor einigen Wochen gelesen und war – bis auf ein paar hanebüchene Aussagen zum Thema “Kriminalität im Internet” – von der Fülle an guten inhaltlichen Impulsen äußerst angetan. Sobald ich die Zeit dazu finde, werde ich auf jeden Fall noch eine Doppelrezension dieses Werkes – und zwar der Ideen zum Themenbereich Wissenschaft hier im “Frischen Wind” sowie der Anregungen zum Thema demografischer Wandel in unserem Instituts-Blog – in Angriff nehmen.
Kommentare (6)