Dem geneigten Kishon-Leser dürfte die Figur des Steuerinspektors Fischbaum vermutlich bestens bekannt sein. Besagtem Herrn Fischbaum gelingt es zur großen Verblüffung seiner Vorgesetzten immer wieder, durch die scheinbar zufällige Ansprache beliebiger Passanten oder auch das ebenso zufällige Anklopfen an Wohnungstüren reuige Steuersünder aufzuspüren. Was seine Dienstvorgesetzten – und auch Fischbaum selbst – einem schon übernatürlich wirkenden sechsten Sinn zuschreiben, hat in der Kurzgeschichte des begnadeten israelischen Satirikers Ephraim Kishon jedoch einen ganz profanen Grund: Jeder betrügt bei der Steuer. Und wo jeder betrügt muss letztlich auch jeder noch so ungelenke Schuss ins Blaue eines leicht tollpatschig wirkenden Ermittlers in einem Treffer ins Schwarze enden.
Dass man im Hinblick auf die Dissertationen der politischen Elite unseres Landes inzwischen zu ganz ähnlichen Schlüssen gelangen könnte, ist das tragische Ergebnis einer ganzen Reihe von mehr oder weniger spektakulären Plagiatsfällen – von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Veronica Saß (CSU) über Silvana Koch-Mehrin (FDP), Jorgo Chatzimarkakis (FDP), Margarita Mathiopoulos (FDP), Matthias Pröfrock (CDU), Andreas Kasper (CDU) und Florian Graf (CDU) bis hin zu Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Egal wen sich die Plagiatssucher auch vornehmen, stets endet die Suche – mit der Ausnahme von Bernd Althusmann (CDU) – in einem Plagiatsskandal mehr oder minder großen Ausmaßes. Genau wie Kischons vermeintlich hellsichtiger Steuerinspektor kann man – so scheint es zumindest – gar nicht danebenliegen, wenn man sich die Dissertation eines Ministers, eines Bundestagsabgeordneten oder eines Landtagsabgeordneten vornimmt.
Kleiner Einschub: Tragischerweise hat Bernd Althusmann als bislang einziger Politiker der jüngeren Zeit, bei dem eine Plagiatsprüfung durch die eigene Universität zu dem Ergebnis kam, dass der Mann seinen Doktortitel zu Recht trägt, inzwischen nicht nur sein Ministeramt sondern auch noch sein Landtagsmandat verloren – und das, während überführte Plagiatoren wie Silvana Koch-Mehrin, Jorgo Chatzimarkakis oder Florian Graf ihre Wahlämter weiterhin mit einer großen Selbstverständlichkeit ausüben. Eine unbefriedigende Situation, die durch dem Umstand, dass der Wahlverlust Althusmanns – wie übrigens der gesamten niedersächsischen CDU – im Grunde auf einen weiteren (halb-)akademischen Hochstapler (und entgegen der medialen Narrative eher weniger auf irgendwelche „Leihstimmen“ für die FDP) zurückzuführen ist, sogar noch an Tragik gewinnt – aber das ist eine Geschichte für einen anderen Blogpost…
Dass dies ein für die deutsche Wissenschaft fataler – und völlig unzutreffender – Eindruck ist, muss an dieser Stelle vermutlich nicht weiter ausgeführt werden. Längst schon hat die Suche nach Plagiaten in den Dissertationen bekannter Politiker eine mitunter ungesunde Eigendynamik angenommen, werden Gelder umgesetzt und regelrechte „Abschussprämien“ ausgelobt. Wie in einer schlechten Reality-TV-Show wartet man darauf, den nächsten Mandatsträger über die Klippe der öffentlichen Meinung springen zu sehen – und rechnet schon gar nicht mehr damit, dass eine Plagiatsprüfung auch negativ ausfallen könnte. Tut sie es dann doch – wie etwa im Fall von Bernd Althusmann – findet die „Rehabilitierung“ medial kaum statt, da der Umstand, dass man bei einer wissenschaftlichen Arbeit nicht betrügt ja im Grunde eine derartige Selbstverständlichkeit ist, dass sie keiner weiteren medialen Beachtung bedarf.
Dieser Auffassung hätte ich mich noch vor einem halben Jahr bedenkenlos angeschlossen. Inzwischen jedoch bemerke ich nicht nur bei meinen Gesprächspartnern sondern mitunter auch schon bei mir selbst, dass ich bereits bei der Ankündigung, die Dissertation von Herrn oder Frau XY werde demnächst in einem Wiki auf Plagiate überprüft innerlich fest damit rechne, dass diese Überprüfung zu einem weiteren skandalträchtigen Ergebnis führt. Und das gibt mir dann doch zu denken – schließlich ist mir rational ja sehr wohl bewusst, dass die überwältigende Mehrheit aller Doktoranden wissenschaftlich sauber arbeitet und weder die Nachwuchswissenschaftler noch die Wissenschaft unseres Landes (und übrigens auch nicht seine Politik) diese besondere Form des pauschalen Verdachts auch nur im Ansatz verdient haben.
Sollte es der Mehrzahl der anonymen und nicht-anonymen Plagiatsjäger tatsächlich nicht um den Kommerz oder gar das „Abschießen“ missliebiger Politiker, sondern vielmehr um die Aufdeckung wissenschaftlichen Fehlverhaltens und die Verteidigung wissenschaftlicher Standards gehen, so wäre es eine gute und dem Wissenschaftsstandort Deutschland wohltuende Geste, wenn man jeden Fall einer überprüften und für unkritisch befundenen Dissertation mindestens ebenso laut in Blogs, Wikis und den diversen Sozialen Netzwerken verkünden würden, wie man dies bislang im Falle vermuteter Plagiate tut.
Es mag naiv klingen – aber genau das würde ich mir von VroniPlag, PolitPlag und Co. wirklich ganz ernsthaft wünschen. Das – und dass wir den nächsten zwei Dutzend „sauberen Prüflingen“ abseits aller digitalen Shitstorms auch mal virtuell anerkennend auf die Schulter klopfen, bevor wir unsere Aufmerksamkeit dem nächsten enttarnten Plagiator zuwenden…
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