Um die Fundstelle vor Raubgrabungen zu schützen, wird das Areal im Sommer 2008 weiträumig abgesperrt und von Sondengängern durchsucht (was, dies sei nur nebenbei bemerkt, sich im Nachhinein als die Geburtsstunde einer recht absurden Verschwörungstheorie erweisen sollte). Die Absperrung hat jedoch noch einen anderen Grund: Da während des Zweiten Weltkriegs rund um das Harzhorn massiv gekämpft wurde, müssen zunächst noch hunderte von Patronen und Überreste von Kleinkaliberwaffen und Handgranaten aus dem rund vier Quadratkilometer großen Gelände entfernt werden, bevor an eine planmäßige archäologische Ausgrabung auch nur zu denken ist.
Dann jedoch treten allerlei fantastische und hervorragend erhaltene Funde zu Tage, darunter die Überreste eines römischen Kettenhemds, die Schaufelhacken und Zeltheringe römischer Pioniere, eine Zügelführung (ein archäologisches Unikat), zahlreiche Speer- und Lanzenspitzen, der Beschlag einer Messerscheide, Pfeilspitzen, Katapultbolzen, Münzen, Reitsporne, Knochen von Reitpferden und immer wieder Schuhnägel römischer Sandalen. Dass viele dieser Funde so außergewöhnlich gut erhalten sind, ist vor allem der Kombination aus dem hier besonders basischen, da stark kalkhaltigem Boden und der Tatsache zu verdanken, dass am Harzhorn über Jahrhunderte hinweg kaum Landwirtschaft (und damit auch keine Düngung) betrieben wurde. Rund 2.000 Funde konnten daher bislang in teils sehr gutem Zustand am Harzhorn geborgen werden.
Gleich mehrere der genannten Funde waren für die Datierung des Kampfgeschehens von großer Bedeutung. Nachdem die Masse und Anordnung der Funde deutlich gezeigt hatte, dass am Harzhorn ein römisches Herr gekämpft haben muss, ging man zunächst davon aus, dass es sich um ein Kampfgeschehen aus der Strafexpedition des römischen Feldherren Nero Claudius Germanicus gehandelt haben dürfte. Dieser drang zwischen 14 und 16 n. Chr. als Reaktion auf den Untergang der Varus-Legionen 9 n. Chr. mehrfach in germanisches Stammesgebiet ein und stieß dabei bis zum Schauplatz der Varus-Schlacht vor, wo seine Legionäre die dort noch immer (seit 7 Jahren) liegenden Toten beider Seiten bestatteten. Die von Germanicus im Jahre 16 n. Chr. ausgefochtene Schlacht am Angrivarierwall gegen die Truppen des Varus-Bezwingers Arminius galt unter Fachleuten lange Zeit als letzte römische Intervention in Germanien.
Am Harzhorn gemachte Münzfunde aus der Amtsperiode der Kaiser Elagabal (218 – 222 n. Chr.) und Severus Alexander (222 – 235 n. Chr.) belegen jedoch einen deutlich späteren Zeitpunkt der Auseinandersetzung. Die Schlussmünze – im Terminus der Archäologie die jüngste an einem Fundort erfasste Münze – bildet Severus Alexander ab und wurde 228 n. Chr. geprägt – die Schlacht kann also nur in oder nach diesem Jahr stattgefunden haben. Auch der gefundene Beschlag einer Messerscheide – deren Aussehen zu römischen Zeiten gewissen modischen Entwicklungen unterworfen gewesen ist – deutet auf einen Zeitraum zwischen 200 und 250 n. Chr. hin, der zudem durch die C14-Datierung der Pferdeknochen bestätigt wird.
Auf Basis dieser Datierungen vermuten Experten, dass der Kampf am Harzhorn während der Herrschaft des Kaisers Maximinus Thrax stattfand, der von 235 n. Chr. bis zu seiner Ermordung im Jahr 238 n. Chr. herrschte. Thrax zeichnet sich in der historischen Einordnung vor allem durch die Tatsache aus, dass er der erste der sogenannten „Soldatenkaiser“ der römischen Geschichte gewesen ist – ein altgedienter Feldherr, der von meuternden Soldaten auf den Kaiserthron gebracht wurde und diesen mit Hilfe militärischer Stärke zu halten versuchte. Er kam im Jahr 235 an die Macht, als Kaiser Severus Alexander – der letzte der Severischen Kaiser – in Mainz von Soldaten ermordet wurde, die sich um ihren Anteil an der Beute eines geplanten Feldzuges gegen germanische Stämme betrogen sahen, den Alexander trotz mehrerer Übergriffe marodierender Stammeskrieger jenseits des Limes zugunsten einer Verhandlungslösung abzubrechen gedachte. Besonders der Umstand, dass Alexander germanische Stammesfürsten mit Geldgaben zu befrieden suchte, während er seinen eigenen Legionären die schon sicher geglaubte Beute wieder entzog, dürfte wohl nicht unerheblich zu seiner Absetzung und seiner späteren Ermordung beigetragen haben.
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