Auf den ScienceBlogs wird ja häufiger – wenn auch eher selten hier im „Frischen Wind“ – über vermeintlich „alternative“ medizinische Lehren diskutiert, darunter auch über die Homöopathie, die primär auf den ab 1796 veröffentlichten Ideen von Samuel Hahnemann basiert. Hahnemann war unter anderem davon ausgegangen, dass Erkrankungen nach dem „Ähnlichkeitsprinzip“ durch den Einsatz von Mitteln geheilt werden können, die bei gesunden Menschen zu ähnlichen Beschwerden führen, wie sie beim Kranken beobachtet werden. Über ein kurioses Fundstück aus der prä-hahnemannschen Historie dieses Ähnlichkeitsglaubens bin ich vor kurzem zufällig in einem Klostermuseum gestolpert (auch wenn man diesen Zusammenhang dort nicht herstellt).
Vor einigen Tagen hatte ich im Urlaub die Gelegenheit, das ehemalige Zisterzienserkloster Lehnin sowie auch das dortige Klostermuseum zu besuchen. In der Ausstellung zur Geschichte des Klosters fiel mir in einer Ecke dieses Exponat auf – eine präparierte Mariendistel (Silybum marianum), die im Ausstellungskonzept den Anknüpfungspunkt für einige Tafeln zur Geschichte des Heilpflanzenanbaus bietet (noch heute verfügt das ehemalige Kloster übrigens über einen äußerst beeindruckenden Tee- und Gewürzkräutergarten).
Wie die Beschriftung des Exponates verrät, wurden die Körner der Mariendistel (so benannt übrigens nach den weißen Flecken auf ihren Blättern, die man aus unerfindlichen Gründen der Muttermilch der Jungfrau Maria zuschrieb) während des 14. sowie des 15. Jahrhunderts unter anderem als Mittel gegen das Seitenstechen eingesetzt, weil – und hier kommt nun das aus der Homöopathie bestens bekannte Ähnlichkeitsprinzip ins Spiel – man festgestellt hatte, dass die Dornen der Distel beim Hineinfassen mit der bloßen Hand einen Schmerz verursachen, der dem Schmerz in der Körperseite ähnelt, den man etwa bei einem Sauerstoffmangel im Zwerchfell nach hoher körperlicher Belastung empfindet. Zu Zeiten der Zisterzienser empfahlen diese übrigens, so viele Distelkörner einzunehmen, wie der Patient an Lebensjahren aufwies.
Angesichts der Absurdität dieser Gedankengänge aus heutiger Perspektive sinnierte einer der Besucher während meines Aufenthalts im Museum laut darüber, wie froh man doch eigentlich sein könne, dass die Behandlungsmethoden heutiger Mediziner sich so weit von solchem mittelalterlichem Aberglauben emanzipiert hätten – was mich für einen kurzen Moment in Versuchung führte, einem Wildfremden gegenüber anzumerken, dass ein wachsender Teil unseres Gesundheitsmarkts paradoxerweise genau auf solche Prinzipien baut, auch wenn einige der uns vertrauten Elemente wie etwa die millionenfache Verdünnung vermeintlicher Wirkstoffe in „Wasser mit Gedächtnis“ erst mit dem Wirken Hahnemanns hinzukamen. Wie eine Suche nach Silybum marianum bei Google Scholar zeigt, werden übrigens aus der Mariendistel gewonnene Substanzen durchaus in der modernen Medizin angewandt – so unter anderem als Zellschutzmittel bei Leber- und Strahlenvergiftungen.
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