Auch die von SPD und Grünen geforderte stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft sieht für mich – auch wenn das Prinzip ja erst mal gut klingt – mehr nach einem versteckten Weg aus, der Forschung weitere Daumenschrauben anlegen zu können (Szenario: eine Mehrheit der Teilnehmer in irgendeinem überhaupt erst noch zu definierenden Bürgerbeteiligungsverfahren wünscht sich keine Grüne Gentechnik = Grüne Gentechnik ist nicht mehr förderfähig). Nicht dass ich falsch verstanden werde: Die benannten Programme enthalten gerade im Bereich Open Access, Grundfinanzierung der Hochschulen und Kooperationsverbot auch Ansätze, die ein Großteil aller Wissenschaftler sicher bedenkenlos unterstützen würde. Der Wunsch der Politik, eine stärkere inhaltliche Kontrolle über die Forschungslandschaft ausüben zu können, scheint mir aber dennoch deutlich erkennbar zu sein.

Auf der anderen Seite dieser Gleichung steht natürlich die erkennbar starke Ausrichtung der Forschungsziele an den Bedürfnissen der Wirtschaft in den Programmen von CDU/CSU und FDP, die ebenfalls eher suboptimal ist. Das „klassische Ideal“ der Forschungsförderung – ein grundfinanziertes Wissenschaftssystem legt eigeständig fest, welche Forschungsziele verfolgt werden sollen – ist da für mich noch am ehesten bei der FDP und bei den Piraten erkennbar.

Und noch eine kleine persönliche Anmerkung zum Thema Frauenquoten in der Forschung: Die Diskriminierung von Frauen im Wissenschaftsbereich muss natürlich ausgemerzt werden – das ist überhaupt keine Frage. Immer dann, wenn ein weniger talentierter und weniger engagierter Wissenschaftler nur aufgrund seinen Geschlechts einer stärkeren Kollegin vorgezogen wird, wird wertvolles Potential verschwendet und die Forschungslandschaft insgesamt geschwächt. Diese Diskriminierung ausgerechnet auf Basis von starren Quoten (50%) beenden zu wollen, scheint mir jedoch eine äußerst ungeschickte Herangehensweise zu sein, da ein starres Quotensystem ja nur dann die besten Ergebnisse erbringt, wenn die 10 besten von 100 Bewerbern auf die 10 Plätze eines wissenschaftlichen Gremiums zufällig 5 Männer und 5 Frauen sind. Ist dies nicht der Fall, führt auch eine starre Quote wieder zu einer Fehlallokation von Talent, wenn auch vielleicht zu einer weniger gravierenden als in einem Szenario ohne jede Quote, dafür jedoch mit erheblicher Geschlechterdiskriminierung. Vom theoretischen Optimum wären wir mit einem solchen Quotensystem also noch weit entfernt – und würden zugleich neue Ungerechtigkeiten produzieren.

Wie beurteilen die geschätzten Leserinnen und Leser die Programme? Sollte es die Aufgabe der Politik sein, in die inhaltliche Ausrichtung der Hochschulforschung einzugreifen und bestimmte Themen zu blocken bzw. verstärkt zu fördern? Gibt es überhaupt einen Grund, zukünftig noch am Kooperationsverbot festzuhalten? Wie kommt es, dass die Programme der Bundesparteien derart unterschiedlich viel Gewicht auf das Thema Forschung legen (in den Programmen von LINKEN und Piraten kommt das Thema kaum vor, bei den Grünen dagegen nimmt es enorm viel Platz ein)? Und braucht die Wissenschaft eine verbindliche Frauenquote?

Und nicht vergessen: Wer nicht zur Wahl geht, darf hinterher auch nicht jammern!

1 / 2 / 3

Kommentare (15)

  1. #1 Stephan Matthiesen
    15. September 2013

    “Tierversuche an menschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit nichtmenschlichen Primaten weitgehend eingeschränkt werden.” – ja, also, ich will doch sehr hoffen, dass man an menschlichen Primaten nur mit deren expliziter Einwilligung Versuche unternimmt. 🙂

    Gemeint war wahrscheinlich: “Tierversuche an nichtmenschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit anderen Tieren weitgehend eingeschränkt werden.”

  2. #2 Turi
    15. September 2013

    Erstmal: Ich finde, Politik sollte kaum Einfluss auf Forschungsthemen haben, alleine schon, um soetwas nicht mehr lesen zu müssen:
    “Für Forschung im Kernenergiebereich inkl. Kernfusionsforschung soll es keinerlei öffentliche Fördermittel mehr geben. Dies schließt auch den Ausstieg aus ITER und EURATOM ein.”. Weil Atomkraftwerke auch nach einem Ausstieg sich nicht in Luft auflösen. Und Kernfusion nicht selten ökologisch sogar besser verträglich ist als bestimme Methoden der erneuerbaren Energien.

    Oder gar sowas:
    Für den Nachweis der Wirksamkeit von sogenannter Komplementärmedizin bzw. für die Entwicklung entsprechender Nachweismethoden sollen öffentliche Mittel bereitgestellt werden.
    Es gibt die Nachweismethoden schon. Sie wurden angewandt und haben negative Ergebnisse gebracht. Damit muss man sich halt irgendwann auch mal abfinden.

    Und zur Frauenquote: Eine Quote wird ja nicht über ein Gremium gemittelt, sondern über alle Führungspositonen einer Universität. Und da sollten genug Stellen zusammen kommen, um eine Situation wie im Beispiel zu vermeiden. Ich bin durchaus für eine Frauenquote mit mindestens 40%.

  3. #3 michael
    15. September 2013

    > Wer nicht zur Wahl geht, darf hinterher auch nicht jammern!

    Natürlich darf er jammern: “Hätt ich doch gewählt, hätt ich doch gewählt, … Dann wär die FDP nicht mehr im Parlament vertreten und die CDU eine Oppositionspartei.”

    Ansonsten darf und soll die Regierung natürlich Forschungsschwerpunkte setzen. Ich find es nur schade, dass niemand mehr die Merkel zum Mond schiessen will. Raumfahrt ist wohl momentan nicht so angesagt.

  4. #4 enbeh
    16. September 2013

    Zum Parteiprogramm der Grünen schreibst Du:

    Tierversuche an menschlichen Primaten sollen vollständig verboten, Tierversuche mit nichtmenschlichen Primaten weitgehend eingeschränkt werden..

    Das wundert mich, denn menschliche Primaten sind meines Wissens Menschen. Tierversuche an Menschen sollen verboten werden? Im Original des Wahlprogramms steht hierzu allerdings (S. 112):

    Versuche an Menschenaffen wollen wir strikt
    verbieten. Wir streben ein weitgehendes Verbot von Versuchen an nicht menschlichen Primaten an.p>

    Also keine Experimente an Schimpansen etc. und weitestgehend keine Experimente an Makaken und Rhesusaffen.

  5. #5 Havok
    16. September 2013

    @enbeh:

    Deine besserwisserische Kritik ging leider ins Leere. Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans gehören EBENSO wie Menschen in die Familie der Menschenaffen (Hominidae) und werden dadurch von anderen (nicht-menschenähnlichen) Primaten unterschieden.
    Insofern ist Christians Formulierung durchaus richtig.

  6. #6 Andreas
    16. September 2013

    Herr Reinboth, wie sähe denn Ihr “Wahlprogramm” zum Thema Forschungsförderung aus? Welche konkreten Maßnahmen kann die Politik aus Ihrer Sicht ergreifen, um die Situation zu verbessern?

  7. #7 michael
    17. September 2013

    Interessanter wäre es zu vergeicheln, was eine Partei angekündigt hat und was sie nacher in der Regierung umgesetzt hat.

  8. #8 Spritkopf
    19. September 2013

    Ich erlaube mir, die entsprechende Passage aus dem grünen Wahlprogramm nochmal zu zitieren:

    Anstatt Geld für die kerntechnische Transmutation und das Kernfusionsprojekt ITER zu verschleudern, werden wir öffentliche Forschungsmittel für Transformationsforschung einsetzen, die technologische Innovationen und die gesellschaftliche Verankerung der Energiewende unterstützt.

    Wieviel Geld gibt der deutsche Staat jährlich für ITER aus, also ein Projekt, welches geeignet ist, die Energieprobleme der Menschheit ein für allemal zu lösen und Kernspaltungsreaktoren sowie auf fossilen Brennstoffen basierende Kraftwerke kurzfristig überflüssig zu machen? Antwort: Etwa genausoviel, wie die Parteien (also auch die Grünen) an jährlicher Staatsfinanzierung erhalten, rund 100 – 150 Millionen EUR.

    Die Grünen sind für mich allein schon für diese sagenhafte Dummheit unwählbar.

  9. #9 Eheran
    20. September 2013

    Spritkopf, dem ich wohl nichts hinzuzufügen.
    Aber mit einer Frauenquote und Förderung für Alternativmedizin toppen sie das ganze nochmal.
    Ebenso die Linke.

    Dem hingegen:
    “Forschung sollte ebenso wie Bildung möglichst wenigen Beschränkungen unterliegen”
    Kann ich uneingeschränkt zustimmen.
    Eine stark gegenteilige Entwicklung ist aktuell leider der Fall.

  10. #10 Orci
    20. September 2013

    Ich würde von ITER nicht zu viel erwarten. Die Anlage ist kein Demonstrationskraft (Das passenderweise unter dem Namen DEMO diskutiert wird), sondern soll insbesondere der Materialforschung dienen und zum ersten Mal den Break-Even-Point (Was die thermische Energiebilanz angeht) erreichen. Und das auch erst nach 2020 (2018 war bei Planungsbeginn in den 90er Jahren angepeilt, die Vorstellung kann allerdings getrost begraben werden), DEMO vermutlich nicht vor 2050. Also leider auchn nicht besonders kurzfristig. Und auch dann sind wir vom ersten wirtschaftlich arbeitenden Kraftwerk noch mindestens ein, eher zwei Jahrzehnte entfernt. Ich denke nicht, dass ich Kernfusionskrafte noch erleben werde – ich würd mich freuen, wenn ich falsch liege.

    Die Wahlprogramme spiegeln was Forschung angeht im Grunde das Bild der Parteien wieder und sind damit stimmig. Schade finde ich, das viele gute Ansätze sich immer mit äußerst fragwürdigen im selben Boot finden müssen – vor allem was die sehr hohen Frauenquoten angeht. Unterm strich könnte man deswegen sagen, das Programm der Piraten gefällt mir am wenigsten schlecht.

  11. […] dritten und letzten Teil meiner kleinen Gegenüberstellung der Bundestags-Wahlprogramme soll es heute – am Vorabend der Bundestagswahl – um ein Problem […]

  12. #12 Spritkopf
    21. September 2013

    Die Anlage ist kein Demonstrationskraft (Das passenderweise unter dem Namen DEMO diskutiert wird), sondern soll insbesondere der Materialforschung dienen und zum ersten Mal den Break-Even-Point (Was die thermische Energiebilanz angeht) erreichen. Und das auch erst nach 2020

    Orci, weiß ich ja auch. Das Wort “kurzfristig” bezog sich bei mir auch eher auf den Moment, in dem Fusionsreaktoren einsatzbereit für den Produktionsbetrieb sind. Dass dies noch mehrere Jahrzehnte dauern wird, ist mir bewußt.

    Ich will auch keinen Forschungsreaktor, der nur für den PR-Effekt eine positive Energiebilanz hat. ITER sollte allein zur Wissensgewinnung dienen und je besser er diesen Zweck erfüllen kann, umso sinnvoller. Es mag ja sogar sein, dass man in der Zukunft von der Tokamak-Bauart wie beim ITER abkommt und stattdessen das Stellarator-Design sich als geeigneter erweist. Wichtig ist, dass wir mit ITER etwas darüber lernen, wie eine gesteuerte Kernfusion ablaufen kann und welche Materialien wir dafür benötigen, egal welcher Bauart ein späterer Produktionsreaktor sein wird.

    Wir müssen aber weiter forschen, denn von allein wird die Technologie für Fusionsreaktoren nicht produktionsfähig. Und die Gelder, die wir einsetzen, sind – verglichen mit dem, was wir mit der Fusionstechnologie erreichen wollen – wirklich Peanuts. Wobei ich den starken Verdacht hege, dass es nicht das Geld ist, was die Grünen am ITER auszusetzen haben. Es ist das schlimme A-Wort.

  13. #13 Orci
    22. September 2013

    Sätze wie “Ein Projekt, das geeignet ist die Energieprobleme der Menschein ein für allemal zu lösen und (…) kurzfristig überflüssig zu machen.” klingen sicher nicht nur für meine Ohren weit weniger zurückhaltend.

    Ich finde allgemein, dass Leuchtturmprojekte zu heiß diskutiert werden und zu viele Erwartungen wecken – vor einiger Zeit hab ich dazu ein schönes Buch namens “weiße Elefanten” gelesen. Kann ich empfehlen.

  14. #14 Spritkopf
    23. September 2013

    Ich finde allgemein, dass Leuchtturmprojekte zu heiß diskutiert werden und zu viele Erwartungen wecken – vor einiger Zeit hab ich dazu ein schönes Buch namens “weiße Elefanten” gelesen.

    Ich gestehe dir zu, dass ich bei multinationalen Unternehmungen immer ein blödes Gefühl habe, weil sich in solchen schnell massive Hürden in Form von Eifersüchteleien und kleinlichen und von nationalen Egoismen geprägten Verteilungskämpfen einstellen. Haben wir ja nicht zuletzt beim Airbuskonsortium erlebt.

    Meine Frage an dich wäre jetzt nur, ob die Alternative lauten soll, ein Forschungsprojekt wie ITER auf rein nationaler Ebene zu stemmen oder ob wir die Bemühungen, einen Kernfusionsreaktor zu bauen, gleich ganz einstellen, so wie es die Grünen planten.

  15. #15 Orci
    23. September 2013

    Gute Frage. Wenn ich Entscheidungsträger wäre, stünde ich vor der paradoxen Situation, ein Projekt unterstützen zu wollen, von dem ich der Meinung bin, dass es erst dann Ergebnisse liefern wird, wenn man sie nicht mehr braucht bzw. Alternativen dazu besser umsetzbar sind – wir reden über 40 Jahre, bis das erste Demonstrationskraftwer steht, über 60 Jahre bis zur Kommerzialisierung. Ich bin der Meinung, ITER sollte unterstützt werden und der immerhin knapp zweistellige Eurobetrag, der dafür jedes Jahr aus meiner Tasche gezogen wird ist mir dabei wohl bewusst. Trotz dessen bin ich nicht der Meinung, das Kernfusionskraftwerke die Zukunft darstellen. Ich bin durchaus der Meinung, dass der deutsche Weg mittelfristig gut und richtig ist. In den letzten zehn Jahren hat sich auf vielen Gebieten eine Menge getan – ein Beispiel, das zwar nicht ganz passt, aber stille Revolutionen verdeutlicht, ist der Sanyo Eneloop. Ein Akku für den Haushalt mit so geringer Selbstentladung war eine Sensation, die kaum jemand bemerkt hat und die heute selbstverständlich ist.

    Für ITER zu sein, obwohl den Optimismus bezüglich seines Sinns nicht teile ist natürlich widersprüchlich – aber vielleicht damit zu erklären, dass ich für Grundlagenforschung bin, wenn sie uns irgendwie weiterbringen kann und unsere Gesellschaft reich und leistungsfähig genug ist, sie zu betreiben. Und das ist sie allemal.