Wer heute einen Fernseher oder ein Radio einschaltet, wird um einen Bericht zum 50. Jahrestag des Attentats auf John F. Kennedy kaum herumkommen. Die vielgezeigten Bilder dieses Tages – das Präsidentenpaar, das der Air Force One entsteigt, die Menschenmengen auf den Straßen von Dallas, die schockierenden Sekunden des Zapruder-Films, der berühmte CBS-Moderator Walter Cronkite, der vor dem Verlesen der Todesnachricht seine Brille absetzen muss oder die weinenden Damen vor dem Parkland Memorial Hospital – will ich an dieser Stelle gar nicht erst duplizieren. Statt dessen binde ich nachfolgend ein vermutlich weniger bekanntes Foto dieses Tages ein, das aus der faszinierenden Vorlesungsreihe „The Kennedy Half Century“ von Professor Larry J. Sabato (University of Virginia) stammt, die man derzeit auf der stets empfehlenswerten Online-Lernplattform Coursera belegen kann.
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Die Aufnahme zeigt den 1961er Lincoln Convertible des Präsidenten vor dem Noteingang des Parkland Memorial Hospitals etwa 30-45 Minuten nach den Schüssen auf Kennedy und den texanischen Gouverneur John Connally, der das Attentat bekanntlich verletzt überlebte. Noch während Kennedy und Connally in der Notaufnahme des Parkland Memorial behandelt werden, reinigen zwei Mitarbeiter des Secret Service die Limousine – man sieht sogar den Wassereimer zwischen den beiden Männern stehen – wobei nicht nur alle Blutspritzer, sondern auch die Teile von Kennedys Schädeldecke und Gehirn entfernt werden, die nach dem tödlichen Kopfschuss im hinteren Teil des Fahrzeugs liegen. Die Aufnahme eines kurzen Moments, der in den folgenden Jahrzehnten eine Vielzahl von Verschwörungstheorien nähren sollte – immerhin wurden hier wertvolle Spuren für immer vernichtet, anhand derer die entscheidende Frage, ob die tödlichen Schüsse von hinten (also aus dem Texas School Book Depository) oder von vorne (und damit vom berühmten „grassy knoll“) abgegeben wurden, auch in den 1960er Jahren mit hoher Sicherheit hätte beantwortet werden können.
Nun gehört Professor Sabato sicherlich nicht zum großen Kreis der Anomaly Hunter, die hinter dem Attentat eine großangelegte Verschwörung vermuten – ganz im Gegenteil. Dennoch ist er ein vokaler Kritiker der Arbeit der Warren Commission, die nicht zuletzt wegen der im Jahr 1964 anstehenden Präsidentschaftswahlen unter großem Druck stand, die Untersuchung möglichst schnell und mit einem unkontroversen Ergebnis zu beenden. Zu den vielen der Kommission zuzuschreibenden Fehlern gehört auch, dass das oben im Bild festgehaltene Fehlverhalten der Agenten nie untersucht oder gerügt wurde, dessen wahrscheinlichste Erklärung letztendlich wohl in der Konfusion des Moments sowie in dem Wunsch bestanden hat, das Scheitern des eigenen Schutzauftrages nicht noch weiter zu eskalieren und daher nicht zuzulassen, dass Teile der Schädeldecke des eigenen Oberbefehlshabers im Blickfeld der immer weiter anwachsenden Menschenmenge vor dem Krankenhaus einfach liegengelassen werden. Ein nachvollziehbarer aber dennoch fataler Fehler, der rückblickend ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass zwei Untersuchungen (die Warren Commission und das spätere House Select Committee on Assassinations) sowie eine Vielzahl von Autoren und Ballistikern bis heute nicht eindeutig klären konnten, aus welcher Richtung die tödlichen Schüsse tatsächlich abgegeben wurden.
Wer heute noch ein wenig mehr Zeit hat, um sich mit der Geschichte des Attentats von Dallas zu beschäftigen, dem sei an dieser Stelle noch der YouTube-Kanal von David von Pein mit vielen Mitschnitten von Fernseh- und Radioprogrammen dieses 22. Novembers 1963 sowie die Dokumentation „End of Camelot“ ans Herz gelegt, die im Jahr 1993 – also anlässlich des 30. Jahrestags – produziert wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnten viele der heute leider bereits verstorbenen Zeitzeugen noch persönlich interviewt werden – so beispielsweise Gouverneur John Connally und seine Ehefrau Nelly, der stellvertretende Kennedy-Pressesprecher Malcolm Kilduff (der einige Stunden nach dem Attentat mit einem Diktiergerät auf dem Boden der Air Force One kniend den Amtseid des neuen Präsidenten für die Nachwelt aufzeichnete), der Kennedy-Berater Arthur Schlesinger (der später für sein Buch über die Kennedy-Administration mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde), Kennedys Sekretärin Evelyn Lincoln (die am Tag nach dem Attentat durch den neuen Präsidenten entlassen wurde) oder auch den damaligen Außenstaatssekretär und Vietnam-Kritiker George Ball. Einzig der heute 93-jährige Polizist Jim Leavelle – der als Matrose 1941 bereits beim Angriff auf Pearl Harbor dabei war und 1963 trotz einer schnellen Reaktion den tödlichen Schuss auf Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald nicht verhindern konnte – ist von all den befragten Zeitzeugen noch übrig geblieben.
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