Für die kostenfreie E-Learning-Plattform Coursera, die vor zwei Jahren in den USA von zwei Stanford-Professoren gegründet wurde, hatte ich hier im vergangenen Jahr ja bereits kräftig geworben. Was 2012 als innovatives MOOC-Projekt startete, hat sich inzwischen – zumindest in meinen Augen – schon fast friedensnobelpreiswürdig entwickelt: Coursera eröffnet über 6 Millionen Interessenten aus mehr als 190 Ländern die Möglichkeit, sich kostenfrei in sogenannten Massive Open Online Courses weiterzubilden, die durch Hochschulen auf der ganzen Welt in mittlerweile 12 Sprachen angeboten werden. Dank Coursera können sich also beispielsweise Ehrenamtler in Algerien im MOOC “Community Change in Public Health” der Johns Hopkins University über die effektive Organisation von Malaria-Schutzprogrammen informieren oder politisch Interessierte aus den USA und dem Iran gemeinsam im Forum des MOOCs “Terrorism and Counterterrorism” der Universität Leiden über die Definition von Terrorismus diskutieren – eine faszinierende Debatte, die ich selbst gerade mitverfolge.
Freie Bildung und freier Diskurs – zwei wichtige Beiträge zur Völkerverständigung, die kaum überbewertet werden können. Allein die Tatsache, dass in einigen von israelischen Universitäten angbotenen MOOCS tausende Interessenten aus Staaten eingeschrieben sind, die sich offiziell nach wie vor im Kriegszustand mit Israel befinden, spricht Bände. Tatsächlich ist das Interesse arabischer Coursera-Nutzer an israelischen MOOCs so groß, dass israelische Professoren mehrere Online-Vorlesungen inzwischen zweisprachig in Englisch und Arabisch anbieten.
Leider ist der freien Bildung zumindest in einigen Staaten nun ein Riegel vorgeschoben wurden – wie Coursera in der vergangenen Woche bekanntgeben musste, wurden Nutzer aus Kuba, dem Iran, Syrien und dem Sudan von der MOOC-Plattform verbannt. Wer nun spontan vermutet, dass es vermutlich die jeweiligen, wenig demokratischen Regierungen eben dieser Staaten gewesen sein dürften, die ihre Bürger von MOOCs wie dem oben erwähnten Kurs der Universität Leiden oder dem schon so aufrührerisch betitelten “Constitutional Struggles in the Muslim World” der Universität Kopenhagen fernhalten wollen, irrt. Der Verursache der Sperraktion ist vielmehr das US-Außenministerium, das selbst kostenfreie Online-Bildungsangebote als Dienstleistungen einstuft, die gemäß der US-Ausfuhrkontrollgesetze nicht in Staaten wie eben Iran oder Syrien angeboten werden dürfen. Die gleichen Ausfuhrkontrollgesetze, die den Verkauf von Apache-Helikoptern an Saudi-Arabien und F16-Kampflugzeugen nach Oman erlauben und die es den USA ermöglichen, den weltweiten Markt für Rüstungsgüter zu rund drei Vierteln zu beherrschen, gestatten es also nicht, einen kostenfreien Online-Kurs zu effektiver Malaria-Prävention auch für Teilnehmer aus dem Sudan zugänglich zu machen.
Eine Entscheidung, über die man nur noch den Kopf schütteln kann. Glücklicherweise scheint zumindest eine vage Hoffnung zu bestehen, dass das Außenministerium sich in den demnächst anberaumten Gesprächen mit den Coursera-Gründern noch umstimmen lässt. Unter dem Titel “Reverse the policy which prohibits Massive Open Online Courses (MOOCs) from including students from sanctioned countries” wurde zudem ein Antrag ins Petitionssystem des Weißen Hauses eingebracht, der bislang allerdings erst 941 – von 100.000 für eine Anhörung benötigten – Unterstützern gefunden hat. Zum Vergleich: Immerhin ganze 34.435 US-Bürger zeichneten im vergangenen Jahr eine Petition, in der die US-Regierung darum ersucht wurde, den aus Star Wars bekannten Todesstern in Originalgröße nachzubauen – woraufhin die minimal zu erbringende Signaturhürde auch gleich von 25.000 auf 100.000 angehoben wurde.
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