…in diesem Fall meine Frau, auch wenn das eigentlich keine Rolle spielt, da sich diese Szene vermutlich in ähnlicher Form hunderte Male täglich in vielen Apotheken ereignet. Aus diesem Grund werde ich nachfolgend auch weder über Standort und Namen der Apotheke noch über Namen und Hersteller des in Frage stehenden Medikaments ein Wort verlieren. Gegenstand dieses Blogposts soll vielmehr ausschließlich das Prinzip guter Beratung sein.
In diesem Sinne wollen wir mit der Geschichte fortfahren. Die Frau fragt nach einem rezeptfreien Medikament gegen Bindehautentzündung, da ihre Tochter daran erkrankt ist, die natürlich bereits ein rezeptpflichtiges Medikament von ihrer Kinderärztin erhalten hat. Da Bindehautentzündung aber ansteckend ist, ein langes Wochenende mit zwei Feiertagen bevorsteht und rezeptpflichtige Medikamente für Erwachsene nicht auf Vorrat und ohne Anzeichen von Symptomen ausgestellt werden, denkt sich die Frau, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, ein rezeptfreies Medikament – falls es denn ein solches geben sollte – im Haus zu haben, um bei ersten Symptomen sofort mit einer Behandlung beginnen zu können, ohne einen Feiertags-Notdienst aufsuchen zu müssen. Zu diesem Zweck möchte sie sich in der Apotheke fachlich beraten lassen – so weit, so gut.
(Fotografie von Flickr-Nutzer Foto_Michel, Lizenz: BY-NC-SA 2.0)
Das Ergebnis der Beratung erwartet mich am Abend auf dem heimischen Küchentisch – ein Fläschchen Augentropfen mit einem lateinisch anmutenden Medikamentennamen sowie dem Zusatz „zur Behandlung eitriger Augenentzündungen“ auf der Stirnseite der Packung.
Misstrauisch macht mich allerdings das in Klammern gesetzte „D12“ hinter dem Produktnamen, das mich verdächtig an eine Potenz erinnert. Obwohl sich auf der Packung kein Hinweis darauf findet, dass es sich hier um ein homöopathisches Mittel handelt, lese ich mir interessehalber den Beipackzettel durch – und siehe da:
Das, liebe unbekannte Apothekerin, ist nicht in Ordnung. Der wesentliche Grund, aus dem Menschen auch beim Kauf rezeptfreier Medikamente eine Apotheke aufsuchen, und sich nicht einfach irgendwelche Mittel zusammengooglen und anschließend im Internet bestellen, ist die Qualität der Beratung. Als Kunde möchte ich mir sicher sein, auf eine ernstgemeinte Frage wie „Gibt es ein rezeptfreies Medikament gegen einsetzende Bindehautentzündung?“ auch eine ernstgemeinte Antwort zu bekommen. Und Grunde gibt es hier ja nur zwei Möglichkeiten:
- Es existiert ein solches rezeptfreies Medikament, das man direkt verkaufen oder zumindest für den Kunden bestellen kann.
- Es existiert kein solches rezeptfreies Medikament, was man dem Kunden mitteilen und ihm empfehlen muss, bei einsetzenden Symptomen lieber doch einen Notdienst aufzusuchen.
Wenig akzeptabel ist es dagegen, mit einem „Natürlich haben wir da ein Medikament im Angebot“ zu antworten, nur um dann ein Homöopathikum [sic] „gegen eitrige Augenentzündungen“ über die Theke zu schieben. Apothekerinnen und Apotheker, die so verfahren, erodieren mittel- bis langfristig das Vertrauen in die Qualität der fachlichen Beratung – und untergraben damit zugleich das wichtigste Alleinstellungsmerkmal aller (und nicht nur ihrer eigenen) Apotheken. Wenn man denn schon einem Kunden, der nicht explizit danach gefragt hat, überhaupt ein Homöopathikum anbieten möchte – und bereits das halte ich für grenzwertig – so sollte man doch wenigstens deutlich darauf hinweisen, dass es sich um ein solches handelt.
Ich habe mich in Apotheken ja mittlerweile schon daran gewöhnt, unter allerlei verklausulierten Fragestellungen („Möchten Sie nicht vielleicht ein natürliches Medikament?“ „Wir hätten da ja auch noch etwas ohne Chemie.“) darauf hingewiesen zu werden, dass man mir auch ein sogenanntes „Alternativmedikament“ verkaufen könnte. Kunden, die erkennbar nach einem echten Medikament für eine nicht-triviale Erkrankung fragen, mit einem Alternativpräparat nach Hause zu schicken, ohne wenigstens darauf hinzuweisen, dass es sich um ein „natürliches“ oder „alternatives“ Mittel handelt, scheint mir dagegen wirklich unvernünftig und vertrauensschwächend zu sein.
Bitte nicht mehr.
(Forografie von Flickr-Nutzer Dominik, Lizenz: BY-NC-ND 2.0)
Auch über die gängige Praxis, Kunden, die nicht ausdrücklich nach einem Homöopathikum fragen, ein solches anzubieten, sollte übrigens ruhig einmal nachgedacht werden. Mich irritieren solche Angebot in Apotheken jedenfalls, da sie im Grunde nur eine von drei Ursachen haben können:
- Der Apotheker/die Apothekerin glaubt selbst an Homöopathie, wodurch wiederum die fachliche Richtigkeit aller anderen Auskünfte in Frage gestellt wäre.
- Der Apotheker/die Apothekerin glaubt selbst nicht an Homöopathie, hält mich aber für leichtgläubig und/oder ahnungslos und lässt es auf einen Versuch ankommen.
- Der Apotheker/die Apothekerin hält mich für einen Hypochonder und/oder Spinner und versucht, mir über den Umweg mit dem „natürlichen Mittel“ ein Placebo unterzujubeln.
Dass die dritte dieser Möglichkeiten noch die sympathischste ist, spricht Bände.
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